Der Holzbau ist allen anstehenden Bauaufgaben gewachsenTom Kaden zum Thema „Holz“
Seit der Fertigstellung des Projekts e_3 im Mai 2008 in Berlin hat sich im Bereich des urbanen, mehrgeschossigen Holzbaus viel getan: Gebaut wurden mittlerweile bis zu 14-geschossige Holzkonstruktionen und in Planung befinden sich über 25-geschossige Gebäude mit einem signifikanten Holzanteil in der Primärkonstruktion. Diese „Leuchttürme“ sind wichtig für die allgemeine Entwicklung des urbanen Holzbaus. Sie zeigen die mittlerweile vorhandene Leistungsfähigkeit des Materials und die Möglichkeiten der Architekten, Ingenieure und Holzbaufirmen. Die eigentliche Zukunft liegt jedoch eher in der „Fläche“, also der 4- bis 8-geschossigen Konstruktion.
Der aktuelle Holzbau ist neben seinen altbekannten Komponenten „nachwachsend“ und „kohlenstoffbindend“ insofern eine neue Form des Bauens, als dass er mit den traditionellen europäischen und asiatischen Holzkonstruktionen nur noch wenig zu tun hat. Wir reden heute sowohl was den Stab und die Stütze (BSH, KVH, FSH) als auch was die Wand (Tafel, Massivholz, CLT, Furnierschichtholz) und die Decke (Brettstapel, CLT, HBV) anbelangt von industriell gefertigten Halb-oder Fertigprodukten, die auf der Baustelle nur noch montiert werden müssen, aufgrund ihrer ausgeprägten Präfabrikation kurze Bauzeiten ermöglichen und zudem im Vergleich mit dem herkömmlichen Material Ziegel mindestens 5 % weniger Konstruktionsfläche und insofern mehr Nutzfläche generieren. Gute „Holzarchitektur“ in der Stadt ist durchaus als Ausdruck einer gesellschaftlich determinierten Notwendigkeit zu verstehen: Wir reagieren mit architektonisch-ingenieurtechnisch neuen Lösungsansätzen auf den dramatischen klimatischen Imperativ. Von bestimmten, nicht ohne politischen Einfluss agierenden, Segmenten der Dämmstoffindustrie abgesehen, sind sich alle einig: Es gibt einen riesigen Veränderungsdruck im Baubereich, dem keinesfalls mit immer dickeren Dämmschichten aus geschäumten Heizöl zu begegnen ist! Wenn wir stattdessen den Werkstoff Holz klug in den Primärkonstruktionen der Wohn- und Gewerbebauten einsetzen, können wir zumindest im Baugewerbe den Anteil der grauen Energie erheblich senken.
Den gerade in den Großstädten zunehmenden kapitalistischen Druck auf den Wohnungsmarkt muss man aus stadtsoziologischer Sicht verurteilen, wenn weiterhin so agiert wird, wie es derzeit Usus ist: Verdrängung der Einkommensschwachen aus den zentralen Stadtvierteln! Natürlich ist es naiv zu glauben, dass der urbane Holzbau diese Probleme lösen könnte. Wenn es allerdings gelingt, den Anteil am Verdichtungspotential der Städte signifikant mit dem Thema Holzbau zu besetzen, wäre vielen geholfen: den öffentlichen und privaten Waldbesitzer im Sinne einer nachhaltigen Forstwirtschaft, den Sägewerken und holzverarbeitenden Betrieben, den Zimmereibetrieben, den Besitzern und Nutzern der Gebäude sowie dem Klima. Aber lassen wir uns bitte nicht täuschen vom inflationären Gebrauch der Begrifflichkeit „Nachhaltigkeit“: Produktion und Konsumtion sind immer ressourcenverbrauchend.
Es steht außer Frage, dass der gegenwärtige Holzbau in Deutschland allen anstehenden Bauaufgaben gewachsen ist und das der konsequente Einsatz von Holz einen wesentlichen Beitrag zum Ressourcen schonenden Bauen liefern kann.
Allerdings muss konstatiert werden, dass der deutsche Holzbau im Gegensatz zu unseren Nachbarländern Österreich und Schweiz keine wirtschaftlich starke und mithin politisch prägende Lobby hat. Das wiederum hat zur Konsequenz, dass es im Normungswesen und in der Überarbeitung der Landesbauordungen (Ausnahme Baden-Württemberg) kaum Fortschritte gibt und wir nach wie vor in vielen Projekten außerhalb der jeweiligen LBO mit Ausnahmeregelungen und Kompensationsmaßnahmen arbeiten müssen, was an der ein oder anderen Stelle die Konkurrenzfähigkeit in Frage stellt. Zufall?
Tom Kaden
wurde 1961 geboren. Er arbeitete bei Architektur Ingenieur Consult, Eisenhüttenstadt, bevor er 1993 Mitgesellschafter in der Ges. Architektur Ingenieurwesen mbH in Berlin wurde. 1996 gründete er das Architekturbüro Kaden, 2002 folgte die Gründung von Kaden Klingbeil Architekten in Berlin. 2013 wurde Tom Kaden in den Konvent der Bundesstiftung Baukultur und in den BDA berufen. Seit 2015 betreibt Tom Kaden mit Markus Lager das Büro Kaden + Lager, Berlin, und lehrt an der HNE Eberswalde.