Sicherheitsniveau „hochfeuerhemmend“
Brandschutz im mehrgeschossigen Holzbau
Zeitgemäßer mehrgeschossiger Holzbau ist inzwischen in vielen deutschen Bundesländern ohne bauordnungsrechtliche Einschränkungen möglich. Festlegungen der Musterbauordnung (MBO) von 2002 in Verbindung mit der Muster-Holzbaurichtlinie (M-HFHHolzR) von 2004 ermöglichen, Holzbauten in Holzständerbauweise bis zu einer Gebäudehöhe von 13 m zu realisieren.
Durch das Kapselkriterium K260 und bei Beachtung konstruktiver Randbedingungen ist moderner Holzbau bis einschließlich Gebäudeklasse 4 zulässig. Als brandschutztechnisch wirksame Bekleidung haben sich Gipsplatten etabliert, für die viele Hersteller Konstruktionsaufbauten mit brandschutztechnischem Nachweis für Wand, Decke und Fußboden anbieten. Die Auswahl der Systemkonstrukionen mit amtlichen Prüfzeugnissen deckt nicht nur differenzierte Leistungsbilder im Hinblick auf den baulichen Schallschutz ab, sondern bietet auch praxisnahe Lösungenfür eine optimierte Installationsführung.
Holzbau – eine Option für innerstädtische Bereiche
Die Gesetzeslage macht mehrgeschos sigen Holzbau besonders für den verdichteten innerstädtischen Bereich als effiziente und zugleich Ressourcen sparende Bauweise für Aufstockungen im Bestand oder als Neubau interessant. In Regensburg zeigt ein viergeschossiges Wohn- und Geschäftshaus mit 5386 m² Bruttogeschossfläche, dass selbst mehrstöckige gewerbliche Gebäude in Holz fertigbauweise erstellt werden können. Grundsätzlich überzeugt der Holzbau durch mehrere positive Eigenschaften: zu den ökonomischen zählen geringes Gewicht, hoher Vorfertigungs grad und kurze Bauzeit. Hinzu kommen ökologische: Neben der aktuellen Klimadiskussion rückt die andauernde Debatte zur Verminderung des Ressourcenverbrauchs die positiven Eigenschaften des nachwachsenden Baustoffs Holz in den Vordergrund. So gilt es unter Fachleuten, wie z.B. Klaus Richter, Holzfachmann an der Empa1, als erwiesen, dass eine vermehrte Verwendung von Holz im Bauwesen eine nachhaltige Aufforstung von Wäldern bewirkt. Auch unter primärenergetischen Aspekten gilt Holz als nachhaltiger Baustoff. Für Gewinnung, Bearbeitung und dem Einbau von Holz wird weniger Energie eingesetzt als bei Baustoffen wie Stahl, Zement, Kunststoff oder Aluminium. Hinzu kommen emotionale Aspekte der Nutzer, die Holzbauweise gefühlsmäßig mit einem natürlichen und gesunden Raumklima verbinden.
Sicher durch Standard-Brandschutzkonzept
Grundlage des Brandschutzkonzepts in der MBO 2002 ist die Risikoeinteilung. Die Bauteilanforderung hinsichtlich der Feuerwiderstandsdauer ist auf 60 min (hochfeuerhemmend) festgeschrieben. Die Klassifizierung der Bauteile muss nach DIN EN 13501-2 erfolgen. Das bedeutet: Holztragkonstruktionen sind mit allseitig brandschutztechnisch wirksamer Bekleidung zu sichern. Zudem dürfen nur nichtbrennbare Dämmstoffe eingebaut werden. Auch müssen die Oberflächen von Außenwänden, einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktionen, das Kriterium schwerentflammbar erfüllen. Die MBO 2002 legt des Weiteren fest, dass der Brandschutznachweis durch einen Sachverständigen oder Prüfingenieur erfolgen muss.
Konstruktive Mindestanforderungen
Die Muster-Richtlinie M-HFHHolz 2004 regelt die konstruktiven Mindestanforderungen für Holzbauweisen mit einem gewissen Vorfertigungsgrad, wie Holztafel-, Holzrahmen- und Fachwerkbauweise; sie gilt nicht für Holz-Massivbauweisen wie Brettstapel- und Blockbauweise, ausgenommen Brettstapeldecken. Auch die Überwachung der Herstellung und der Ausführung ist festgelegt. In der M-HFHHolzR 2004 sind die konstruktiven Anforderungen beschrieben. Verhindert werden soll:
– ein Brennen der tragenden und aussteifenden Holzkonstruktionen
– die Einleitung von Feuer und Rauch in die Wand- und Deckenbauteile über Fugen, Installationen oder Einbauten sowie die Brandausbreitung innerhalb dieser Bauteile und
– die Übertragung von Feuer und Rauch über Anschlussfugen von raumabschließenden Bauteilen in angrenzende Nutzungseinheiten oder Räume
Die in der Richtlinie enthaltenen Anforderungen beziehen sich auf die Bereiche Baustoffe, Brandschutzbekleidung, Bauteilausbildung, Bauteilanschlüsse, Öffnungen in den Bauteilen und Installationsführung.
Brandschutzbekleidung für Holzbauteile
Die Brandschutzbekleidung nach M-HFHHolz 2004 muss eine Entzündung der tragenden und aussteifenden Holzbauteile oder Holzwerkstoffe für mindestens 60 min verhindern (REI 60 bzw. EI 60) und als K260 nach DIN EN 13501-2 (Kapselkriterium) klassifiziert sein. Die Merkmale einer Kapselung sind:
– keine Entzündung, keine Verkohlung am Holz
– Brandschutzanforderung an die feuerzugewandte Seite
– keine Brandausbreitung über den Hohlraum.
Das zeigt: Eine Brandschutz-Klassifizierung F60 allein erfüllt nicht die Anforderungen an mehrgeschossige Holztafelbauweise in der Gebäudeklasse 4! Erst durch die Anordnung einer mindestens zweilagigen Brandschutzbekleidung z.B. mit 18 mm dicken Feuerschutzplatten ist die Feuerwiderstandsklasse REI60 K260 erreicht, wobei die Bekleidung allseitig und durchgängig mit Fugenversatz, Stufenfalz oder Nut- und Federverbindungen anzubringen ist. Dabei dürfen keine durchgehenden Fugen entstehen, die ein frühzeitiges Eindringen von heißen Gasen ermöglichen.
Konstruktionen mit Brandschutz-Nachweis
Architekten und Ingenieuren stehen drei Konstruktionsprinzipen für gekapselte Wandaufbauten nach K260 zur Verfügung:
1. Die Beplankung ist direkt an den Holzständern befestigt.
2. Vor der direkt befestigten Beplankung ist eine Installationsebene angeordnet.
3. Die Beplankung ist einseitig mit Federschiene von den Holzständern entkoppelt, inklusive einer nichtbrennbaren Dämmschicht. Zudem lässt sich durch den Einsatz unterschiedlicher Plattendicken bzw. Plattenqualitäten der Schallschutz entsprechend den individuellen Anforderungen planen. Die Bandbreite im bewerteten Schalldämm-Maß liegt zwischen 42 dB bis 69 dB.
Die Entscheidung, welcher K260 Wandaufbau gewählt wird, ist eng mit der haustechnischen Planung verknüpft. Gemäß Muster-Richtlinie M-HFHHolz 2004 dürfen Installationen wie Leitungs- und Lüftungsanlagen nicht in hochfeuerhemmenden Bauteilen geführt werden. Sie sind vor Wänden, unterhalb von Decken oder in Schächten und Kanälen zu führen. Steckdosen, Schalter und Verteiler müssen mehr als 150 mm vom Holzständer entfernt montiert werden. Ein Zusammendrücken der Dämmschicht ist nur bis zu einer Dicke von 30 mm zulässig. Gegenüberliegende Hohlwanddosen müssen gefachversetzt eingebaut werden. Ist eine Installationsebene vorhanden, bleibt der Abstand beim Einbau von Steckdosen variabel. Bei der Belegung gekapselter Wände mit einzelnen elektrischen Leitungen zur Versorgung des angrenzenden Raumes dürfen höchstens drei Leitungen in Hüllrohren aus nichtbrennbaren Baustoffen im Hohlraum der Wand verlegt werden. Darüberhinaus ist eine Installationsebene erforderlich.
Decke und Fußboden
Hochfeuerhemmende Decken sind an ihrer Unterseite mit einer Brandschutzbekleidung auszuführen. Der Entzündungsschutz auf der Oberseite kann auch durch den Fußbodenaufbau sichergestellt werden. Zwischen Deckenbalken oder Deckenrippen muss ein nichtbrennbarer hohlraumfüllender Dämmstoff (Schmelzpunkt ≥ 1 000°C) eingebaut werden.
Für die Ausführung der Brandschutzbekleidung an der Deckenunterseite führen zwei Konstruktionsarten zu Feuerwiderstandsklasse K260/REI60: Direktbekleidung oder Metall-Unterkonstruktion. Bereits eine zweilagige Beplankung mit 18 mm dicken Gipskartonfeuerschutzplatte (GKF), direkt an den Deckenbalken befestigt, erfüllt die Anforderung.
Ist jedoch ein zeitgemäßer Schallschutz gewünscht, empfiehlt sich die Beplankung auf eine mit Schwingabhängern abgehängte Metall-Konstruktion oder die Realisierung als freigespannte Decke.
Dem Kapselkriterium entsprechend schreibt die Muster-Richtline vor, dass der Fußbodenaufbau einschließlich seiner Fugenausbildung im Anschlussbereich die Anforderungen an die Brandschutzbekleidung erfüllen muss. Die Basis bildet eine Ebene aus 13 mm dicken Holzwerkstoffplatten oder aus einer 21 mm dicken gespundeten Schalung, die direkt auf der Oberseite der Holzbalken befestigt wird. Der eigentliche Fußbodenaufbau kann als schwimmender Estrich auf einer mindestens 20 mm dicken nichtbrennbaren Dämmung ausgeführt werden. Zudem bieten Trockenbauhersteller vorgefertigte amtlich geprüfte Verbundelemente an, die eine sichere und zeitlich optimierte Montage gewährleisten.
Brandschutz und Schallschutz – ein Team
Bei Planung und Bau eines in Regensburg erstellten Wohn- und Geschäftshauses hatte beispielsweise nicht nur der Brandschutz, sondern auch der Schallschutz innerhalb des Gebäudes eine hohe Priorität. Die Anforderungen der DIN 4109 sollten deutlich überschritten werden. Installationsebenen im Bereich der Wand- und Deckenkonstruktionen, eine detailgenaue Planung und Ausführung der Leitungsführung bildeten die Basis. Die gekapselte Holzbalkendecken-Konstruktion wurde mit einer 65 mm dicken Zementestrich-Auflage (schwimmend) ausgeführt. Als Unterdecke wurden zwei 12,5 mm dicke Lagen Knauf Silentboard auf Federschienen montiert. Die Messungen des Trittschalldämm-Maßes in Regensburg zeigen die hohe Leistungsfähigkeit der Konstruktion im Bereich der Trittschallminderung (L‘n, w von bis zu 43 dB).
Abweichungen von der MBO
Nach §67 MBO sind Abweichungen von definierten Bauordnungen möglich. Allerdings müssen die geforderten Sicherheitsniveaus über andere Maßnahmen gewährleistet werden. Die Abweichungen müssen in einem ganzheitlichen Brandschutzkonzept benannt werden, insbesondere die Schutzziele des Baurechts müssen erfüllt werden. Eine solche Abweichung könnte die Minderung von K260 auf K230 sein. In diesem Fall müssen die Leistungskriterien der DIN EN 13501-2 entsprechen. Eine Reduzierung des brandschutztechnischen Sicherheitsniveaus auf einen Entzündungsschutz von 30 min hat zur Folge, dass es bei einem Brand zur Entzündung der Holzkonstruktion kommen kann. Zur Kompensation das Brandschutzkonzept z.B. eine Brandmeldeanlage nach DIN VDE 0833 Teil 2 und DIN 14675 beinhalten. Wegen des hohen technischen und finanziellen Aufwands empfiehlt sich dies jedoch nur bei Sonderbauten mit höherem Risikopotential. Im Wohnungsbau bieten Brandmelder nach DIN 14676 eine Alternative.
Literatur
[1] Die eidesgen. Materialprüfungs- und Versuchsanstalt für Industrie, Bauwesen und Gewerbe, kurz Empa, ist eine interdisziplinäre Forschungs- und Dienstleistungsinstitution für Materialwissenschaften und Technologieentwicklung, der im Bereich der ETH Zürich angesiedelt ist.