Wirtschaftlich und
leistungsfähig
Brandschutz im Holzbau

Mit der Novellierung der Musterbauordnung (MBO) 2002 hat sich der Einsatzbereich der Holzbauweise bekanntlich erweitert. Danach können Holzbauten mit bis zu fünf Geschossen errichtet werden. Brandschutz im Holzbau, der entsprechend der gültigen Regelwerke ausgeführt wird, ist jedoch komplex und bezüglich der Anforderung an die Bauteile aufwändig. Demnach sind die Projekte mit einem entsprechenden Kostenaufwand ver­bunden. Ohne die geforderten Schutzziele zu reduzieren, können Bauvorhaben auch mit individuell erstellten ganzheitlichen Brandschutzkonzepten realisiert werden.

Die Holzbauweise wird immer beliebter. Nicht nur, dass sich immer mehr private Bauherren beim Bau ihres Ein- oder Zweifamilienhauses für den Baustoff Holz entscheiden – vor allem im mehrgeschossigen Wohnungsbau ist eine deutliche Zunahme zu verzeichnen. So wurde im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres ein Anstieg der Genehmigungszahlen um 10,8 % 1 notiert. Darin zeigt sich, dass die Vorbehalte, mit denen der Holzbau in Deutschland gerade im urbanen Raum lange konfrontiert war, mehr und mehr schwinden. Begründet wurde die mangelnde Akzeptanz unter anderem mit der Angst vor einer unkontrollierten Brandausbreitung über Hohlräume sowie mit der Befürchtung eines verzögerten Tragwerksversagens infolge eines versteckten Weiterbrandes.

Die allgemeine Einstellung zur Holzbauweise änderte sich, als im Rahmen eines groß angelegten Forschungs- und Entwicklungsprojektes der Nachweis erbracht wurde, dass das in Deutschland geltende hohe brandschutztechnische Sicherheitsniveau auch bei mehrgeschossigen Holzrahmenbauten gewährleistet werden kann. Die Ergebnisse des Forschungs-
vorhabens trugen dazu bei, dass mit der Mus­terbauordnung (MBO) 2002 [3] die Möglichkeit geschaffen wurde, bis zu fünfgeschossige Holzbauten zu errichten – bis dahin war die Verwendung von Holz als Baustoff nur für Gebäude mit bis zu max. drei Vollgeschossen erlaubt. Architekten wie die Berliner Planer Tom Kaden und Tom Klingbeil erkannten sofort das städtebauliche und architektonische Potential, das sich damit gerade im innerstädtischen Bereich ergab und führten mit bis zu siebengeschossigen Gebäuden die Tradi­tion des urbanen Holzbaus zu neuer Vollendung. Mittlerweile begrenzen sich die Möglichkeiten des mehrgeschossigen Holzbaus nicht mehr nur auf den Wohnbau und auf Aufstockungen zur städtischen Nachverdichtung. Vielmehr finden auch im klassischen Nichtwohnbau immer mehr Holzbauprojekte Anwendung. Hierbei handelt es sich um Produktions- und Nutzbauten, Pflegeheime sowie Büro- und Verwaltungsgebäude.

Konstruktive Anforderungen

Ermöglicht werden die neuen Perspektiven durch die Einführung der Gebäudeklasse 4. Diese Klasse umfasst Gebäude mittlerer Höhe, die eine Fußbodenhöhe des obersten Geschosses mit Aufenthaltsräumen von max.13 m und Nutzungseinheiten von bis zu 400 m² aufweisen. In dieser Gebäudeklasse sind nunmehr hochfeuerhemmende Holztragkonstruktionen (F 60-BA) zulässig, wenn ausschließlich nichtbrennbare Dämmstoffe verwendet werden und die Bauteile allseitig eine brandschutztechnisch wirksame Be­kleidung erhalten. Diese muss aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen und die brennbare Tragstruktur einkapseln. Die spezifischen, konstruktiven Anforderungen sind nicht in der MBO, sondern in der Muster-richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise (M-HFHHolzR 2004) festgelegt. Diese beschreibt neben den Anforderungen an die Ausbildung der Brandschutzbekleidung und der Fugen (Fugenversatz) auch die Ausbildung von Anschlüssen sowie von Einbauten und Installationen.

Als Leistungskriterium für die Brandschutzbekleidung wird die Kapselklasse K260 nach DIN EN 13501-2[3] herangezogen. Hochfeuerhemmende Konstruktionen mit wesentlichen Bestandteilen aus Holz müssen demnach zwei Anforderungen erfüllen: K260 (Kapselkriterium) für die Beplankung und F60 bzw. REI60 (Feuerwiderstand) für das Bauteil (Abb. 1).

Das Kapselkriterium soll sicherstellen, dass im Brandfall mindestens 60 min keine Entzündung der tragenden und aussteifenden Holzbauteile einer Konstruktion erfolgt. Die Entzündungstemperatur liegt bei ca. 300 °C.

Für die Nachweisführung der Kapselklasse kommt eine ergänzende Bauteilprüfung (Deckenbauteil) nach EN 14135 zum Tragen. Diese zusätzliche Anforderung an die Kapselung führt dazu, dass das Gesamtbauteil mit der bauordnungsrechtlich definierten Feuerwiderstandsklasse F60 bzw. REI60 einen wesentlich höheren Feuerwiderstand aufweist. Neben der geforderten Kapselprüfung wird ergänzend das tragende Bauteil (Beispiel Wand) mit der zuvor nachgewiesenen brandschutztechnischen Bekleidung (K260) nach DIN EN 1365-1 geprüft. Tatsächlich führt die kombinierte Anforderung ‚Kapselung und Bauteilprüfung‘ zu einer Feuerwiderstandsklasse von 120 min, wohingegen bauordnungsrechtlich lediglich 60 min gefordert sind. Ein Vergleich der Anforderungen (Feuerwiderstand / Kapselanforderung) in Kombina­tion zeigt die Leistungsfähigkeit der Bauteile (Abb. 2 u. 3).

In der Praxis sorgen die konstruktiven Anforderungen der M-HFHHolzR für einen erhöhten Fertigungsgrad mit entsprechendem Kostenaufwand und stellen damit oft die Wirtschaftlichkeit der Holzbauweise in Frage. Denn die Einhaltung dieser Vorschriften kann nur mit relativ dicken, nichtbrennbaren Bekleidungen gewährleistet werden. Individuelle Brandschutzkonzepte bieten hier sichere, wirtschaftliche und leistungsfähige Lösungen.

Ganzheitliche Brandschutzkonzepte als wirtschaftliche Alternative

Nach § 67 der MBO bietet sich für den Planer die Möglichkeit, durch die alternative E rstellung von objektbezogenen, ganzheitlichen Brandschutzkonzepten wirtschaftliche und leistungsfähige Gebäude zu realisieren. Voraussetzung ist, frühzeitig mit den entsprechenden Partnern fachgerechte Lösungen zu erarbeiten, so dass die Ausführungssicherheit von der Planung bis zur Anwendung gewährleistet ist. Dabei gilt es, die Brandschutz-Anforderun­gen an die Bauteile durch ein individuell abgestimmtes Paket aus anlagentechnischen, abwehrenden und organisatorischen Komponenten zu kompensieren. Dann ist z. B. die Reduzierung der Kapselklasse von K260 auf K230 möglich, wodurch eine wirtschaftliche Lösung erreicht werden kann (Abb. 4).

Ganzheitliche Brandschutzkonzepte ermöglichen die Realisierung von komplexen und gleichzeitig individuellen Ansprüchen an moderne Bauwerke, die oftmals nur durch die Abweichungen von be­stehenden Bauordnungen, Richtlinien oder Verordnungen realisiert werden können. Die erforderlichen Brandschutznachweise bei ganzheitlichen Brandschutzkonzepten sind gemäß MBO 2002 entweder von einem Bauvorlageberechtigten oder von einem Brandschutzplaner zu erstellen.

Brandschutztechnisch wirksame Bekleidung

Mit dem Einsatz geeigneter Trockenbau-Platten lassen sich gerade im Holzbau intelligente Brandschutzkonzepte schnell, einfach und wirtschaftlich realisieren. Es gibt Lösun­gen für die brandschutztechnische Bekleidung für K210, K230, K260 sowie für den Objektbereich die vielfach angewandte K245 Bekleidung. Je nach Konstruktion gewährleisten sie Brandschutz nach DIN 4102-2 / DIN EN 13501-2 in den Feuerwiderstandsklassen von F30 bis F120/REI30 bis REI120.

Gipsfaser-Platten erfüllen die Anforderungen zur statischen Aussteifung und brandschutztechnischen Bekleidung, die an den mehrgeschossigen Holzbau gestellt werden. Die Platten bieten auf Grund ihrer homogenen Struktur und Faserarmierung (recycelte Papierfasern) eine hohe mechanische Beanspruchbarkeit und stellen mit Material- und Verarbeitungseigenschaften, die dem Holz sehr ähnlich sind, eine gute Ergänzung zur Holzunterkonstruktion dar. Die eco-Zertifizierung garantiert ein umweltfreundliches Produkt.

Fazit

Mit ganzheitlichen Brandschutzkonzepten und modernen Baustoffen können wirtschaftliche und leistungsfähige Brandschutzlösungen für Holzbauten erarbeitet werden. Wichtige Voraussetzung für eine konstruk­tionsbezogene Umsetzung ist eine umfassende Planung im Vorfeld zur Entwicklung eines verlässlichen Gesamtkonzeptes, das eine sorgfältige und ordnungsgemäße Ausführung gewährleistet. Dabei ist zur Reali­sierung eine intensive Abstimmung zwischen Planer, ausführendem Unternehmen und genehmigender Behörde unbedingt erforderlich. Auch die Hersteller der Produkte bieten hier oftmals Unterstützung bei der Detailabstimmung der Konstruktionen und stellen auch den Kontakt zu Gutachtern, Tragwerksplanern und Holzbauern her.

Anmerkung
1 Presseinformation vom 10.09.2013 Holzbau Deutschland – Bund Deutscher Zimmermeister im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. (ZDB), Berlin
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