Haus Vogt, Leipzig
Lena und Jan bilden das junge Architekturbüro Meier Unger Architekten aus Leipzig. Zusammen haben sie bereits mehrere kleinere Bauaufgaben für private Bauherren realisiert. Die Ergebnisse zeigen ihre architektonische Handschrift. Bei einer Begehung des Projekts „Haus Vogt“ vor Ort in Leipzig wird erlebbar, was möglich ist mit einem „unbändigen Gestaltungswillen“, wie das Duo augenzwinkernd anmerkt.
Die BauherrInnen, eine vierköpfige Familie, kauften das Leipziger Wohnhaus bereits vor über zehn Jahren. Damals stand an der Stelle des heutigen, neuen Anbaus einer aus den 1960er-Jahren. Der war eher ein Agglomerat aus mehreren kleinen Zubauten, die alle irgendwie, aber nicht richtig gegründet waren. Das führte mit der Zeit zu Setzungen und Rissen und schließlich dazu, dass der nicht gut gegründete Anbau immer mehr vom Wohnhaus wegkippte. Nachdem klar war, dass er nicht zu retten war, riss man ihn ab und plante auf dessen Grundfläche den neuen (ordentlich gegründeten) Anbau.
Bezug zur bepflanzten Umgebung und zum Bauherrn
Im Gegensatz zum vorherigen, kleinteiligen und insgesamt provisorisch daher kommenden Anbau, sollte nun ein Raum entstehen, in dem die Familie den ganzen Tag verbringen kann und es heute auch tut. Gen Osten öffnet sich der 40 m2 große Anbau über eine etwa 4 m breite Gaube im Satteldach. Der Neubbau öffnet sich über mehrere Flügeltüren zum südlich gelegenen Garten und das große Sitzfenster in der Westfassade erzeugt den Eindruck, man säße bereits draußen, mitten im Garten.
Oft sind BauherrInnen vorsichtig mit dem Einsatz von Farbe und auch ArchitektInnen halten sich oft lieber an die gedeckte Optik von Beton. So nicht in diesem Fall: „Die Bauherrn sind eine sehr freundliche und positive Familie“, erzählt Jan Meier und fährt fort: „Im Nachhinein gibt es einige Stimmen, die das Haus gerne in eine neopostmoderne Ecke stellen würden. Doch das farbenfrohe Erscheinungsbild hat mit der heiteren Art der Bauherrn zu tun, die uns Anlass war, auf diese Art zu den farbenfrohen Experimenten und Lösungen zu kommen.“
Überflüssiges weglassen und alles entwerfen
Den außenliegenden, roten Sonnenschutz bestellten die Architekten nach Standard, doch sie ließen den großen Kasten der Blechabdeckung weg. Übrig bleibt die rohe Rolle mit der Technik und dem Anschlusskabel. Einfache Witterungsbleche ließen sie von einem Spengler anfertigen.
Die Stufen zum Garten mussten aus statischen Gründen geteilt werden. Auch hier erkennt man, dass jedes Detail zu Ende gedacht wurde: Die Stufenelemente liegen nicht einfach nur Schnittkante an Schnittkante, sondern sind mit einem steinernen Quadrat, das mit zwei Ecken auf dem Schnitt der beiden Steinstufen positioniert ist, bewusst gefügt (siehe Portraitfoto S. 35). Zudem liegen die Stufen zum Garten auf Rohren auf – einem bewusst gestalteten Formelement, das an weiteren Stellen am Anbau zu finden ist. „Wir versuchen, fast schon manieristisch zu detaillieren, weil wir darin einen spannenden und schönen Reichtum für alle sehen, die das Projekt betrachten“, erklärt Jan Meier. Zum Beispiel kann man die Fensterlaibung auch dreimal abgestuft abschließen lassen, wie an diesem Projekt gezeigt wird.
Der Vorteil der vermeintlich „kleinen“ Bauaufgabe
„Der Vorteil kleinerer Bauaufgaben liegt darin, dass man noch die Zeit hat, über jedes Detail und jede Verbindung nachzudenken“, erklärt Lena Unger aus ihrer Erfahrung heraus. Bisher waren die beiden auch immer als Bauleiter an ihren Projekten beteiligt und schätzen den direkten Kontakt zu den HandwerkerInnen: Jedes Detail beinhaltet Möglichkeiten, die in den meisten Fällen nicht mehr kosten, für die man den jeweiligen Handwerker allerdings zunächst motivieren muss. „Also, Lust, spezielle Details anzufertigen, hatten die meisten natürlich nicht“, erinnern sich Lena und Jan lachend: „Dann werden wir gefragt: Warum wollt ihr das Detail so kompliziert, wenn es doch auch einfach geht?! Am Ende sehen sie aber auch, dass das aufwendigere Ergebnis den Aufwand wert ist.“
Auch für den geplanten Terrazzobodenbelag im neuen „Lebensraum“ der Familie suchten Jan Meier und Lena Unger monatelang nach dem Handwerker, der sich dieser ungewöhnlichen Aufgabe stellte. Ebenso beim Spengler, der sein Handwerk „bemerkenswert beherrscht“ und die beiden Architekten mit eigenen Lösungen (ob nun Wasserspeier oder Gaubenabdeckung etc.) positiv beeindruckt hat.
Die hölzerne Fassade sollte in unterschiedliche Ebenen gestaffelt sein. Der Holzbauer zeigte entsprechende Profile, die man ineinanderschieben kann, so dass Muster entstehen, wie Strichcodes. Lena Unger und Jan Meier entschieden, nur zwei Varianten der unterschiedlichen Profilvarianten einzusetzen, um ein ruhigeres Muster zu erhalten, dieses dann aber zweifarbig lackieren zu lassen und die verbindende Feder rot zu streichen. So nutzen Meier Unger Architekten vorhandene Systeme für das Projekt entsprechend individuell um.
Klein und fein, mit vielen Materialien und Farbsetzungen
Es mag nur ein Raum sein, doch in ihm setzt sich die Vielzahl der ausgearbeiteten Details fort. Ein Wunsch der Familie war zum Beispiel ein Kamin in ihrer neuen Wohnküche, wodurch die Küche noch mehr an Qualität gewinnt und das eigentliche Wohnzimmer im Bestand nur noch selten zum Einsatz kommt. „Bei der Materialwahl des Dachtragwerks hatte unsere Bauherrin etwas Bedenken“, gibt Lena Ungers zu. „Sie hatte die Sorge, dass der Raum beispielsweise durch die sichtbaren Stahlträger im Dachtragwerk zu industriell wirken könnten.“ Und sie hat teilweise Recht, denn der Raum ist nicht weich und plüschig mit einem Teppich geschmückt. Vielmehr erzeugt die ausgesuchte Material- und Farbwahl ein wohnliches Gefühl, das durch die Fußbodenheizung verstärkt wird. Die hölzerne Küchenzeile mit den dunkelblauen, dreieckigen Griffen, die türkisfarbenen Fliesen der Arbeitsflächen, die wiederum dunkelblauen, glänzenden Regal- und Kühlschranktüren neben dem gemauerten und zum Teil weiß gestrichenen Kamin, das alles ist bewusst und mutig gestaltet. Einzig die Stühle am selbst entworfenen Tisch kommen direkt vom Hersteller. Das Leder der Sitzpolster findet man auch auf den drei großen Sitzkissen im Sitzfenster wieder; das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit einem „extrem guten Sattler“.
„An diesem Projekt hätte viel scheitern können, aber wir gehen nicht mit Angst in die Projekte“, sind sich Lena und Jan sicher. Der Ringanker beispielsweise verändert seinen Querschnitt an der Seite der Küchenzeile, um das Licht der darunter angebrachten Lampen auf die Arbeitsflächen zu richten (siehe Schnitt S. 33 und Foto S. 34). Vom Schalvorgang ist sowas auf herkömmlichen Weg nicht realisierbar. Doch der junge Rohbauer probiert es aus, tüftelt an einer Lösung mit normalen Schaltafeln, probierte aus, wo er die Schaltafeln wie anbohren muss, damit der Ringanker am Ende funktioniert. Die Mischung aus Naivität und Erfahrung merkt man diesem Wohnraum auf angenehme Weise an. Details wie zum Beispiel der Terrazzoboden, der an einer Stelle die innere Glastürenlaibung zum Garten bis auf Kniehöhe die Wand hochklappt oder auch die Treppe zum Bestandsbau zu einem kleinen Anteil verkleidet … Für solche Details mussten die beiden täglich auf der Baustelle sein, damit sich die Elemente miteinander verzahnen und fügen.
„Wenn wir eine solche Aufgabe nochmal bekommen würden, wären wir noch detaillierter“, prognostiziert Jan Meier und fährt fort: „Wie etwas konstruktiv funktioniert, darein stecken wir sehr viel Zeit, um dann auch vor allen Beteiligten glaubwürdig zu sein und unsere Ideen als Bauleiterteam gemeinsam mit den Handwerkern umzusetzen.“ Diese kleine Bauaufgabe kommt eindeutig aus einem Entwurfsgedanken, der die Elemente konstruktiv fügt und den Raum als angenehm wohnlich und unaufgeregt spannend erleben lässt. M. S.
Der Ersatzneubau für einen ehemaligen Werkstattanbau bringt dem gründerzeitlichen, vorstädtischen Umfeld mit bedingungsloser Gestaltungslust, Farbe und Materialreichtum Lebenslust und Nutzungsvielfalt bei. Der Gartenhaustyp verwächst hier auf eigenwillige Weise mit dem Haupthaus und im Innenraum wirkt jede Ecke dezidiert bearbeitet.«⇥DBZ Heftpartner Jan Theissen und ⇥Björn Martenson, AMUNT
Baudaten
Objekt: Haus Vogt
Standort: Leipzig
Typologie: Anbau / Umbau
Bauherr & Nutzer: Familie Vogt
Architektur & Bauleitung: Meier Unger Architekten, Leipzig;
www.meierunger.com
Mitarbeiter (Team): Jan Meier & Lena Unger
Bauzeit: Mai 2019–November 2019
Fachplanung
Tragwerksplaner: „Büro für Baustatik“ Benno, Dominik & Mathias Förtsch Ingenieur PartG mbB, Leipzig
Handwerk
Bautischlerei Köhler, Erlbach-Kirchberg; www.bautischlerei-koehler.de
Betonstein Terrazzo Oehme, Lützen; www.beton-terrazzo-oehme.com