Einheitsplatte reloadedApels Garten, Leipzig
Wo ist es sinnvoll zu erhalten, wo zu erneuern? Diese Fragen stellte sich das Planungsbüro S&P Sahlmann gemeinsam mit dem Bauherrn, der Wohnungsgenossenschaft UNITAS e.G, bei der Sanierung von vier Plattenbauten in der Leipziger Innenstadt. Die unterschiedliche Tiefe der Sanierung ließ ein differenziertes, breitgefächertes Wohnungsangebot mit Mietpreisen zwischen 5,50 und 10,20 €/m² entstehen. Auch weil die Bestandsgebäude zusammen mit einem Neubau einen Energieverbund bilden, der ihren Energieverbrauch halbiert.
Der Westplatz in Leipzig ist eine Wohnlage in unmittelbarer Nähe des Zentrums. An ihn grenzt der Apels Garten, ein dreieckiges Grundstück, das von 1986 erstellten Plattenbauten der Wohnungsbauserie 70 (WBS 70) geprägt ist. Vier der sechsgeschossig ausgeführten Bauten grenzen einen Innenhof mit altem Baumbestand von zwei Hauptverkehrsstraßen mit vier Straßenbahnlinien ab. Die Bauten sind im Besitz der Wohnungsgenossenschaft UNITAS eG. Um neue Räume für ihre Hauptgeschäftsstelle und neuen Wohnraum zu schaffen sowie die WBS-70 zu sanieren, setzte sich der Vorstand schon 2008 mit Architekten von S&P Sahlmann zusammen. „Der gesamtheitliche Quartiersansatz war uns wichtig“, fasst es Felix Reuschel, der verantwortliche Architekt von S&P, zusammen. „Gemeinsam mit der UNITAS haben wir dieses Quartier über einen langen Zeitraum entwickelt.“
Abschnittsweise Sanierung im bewohnten Zustand
Zwei WBS-70 Bauten wurden abgebrochen, vier größere schrittweise saniert und um einen Neubau, den so genannten „Apels Bogen“, ergänzt. Dieser verbindende Kopfbau mit Verwaltung, Aufzug und fünf rollstuhlgerechten Wohnungen belebt die Einheitsplatte hinter ihm. Für die in unterschiedlicher Tiefe sanierten Plattenbauten sparte man sich die Aufzüge. Ziel war es, so wenig wie möglich in den Bestand einzugreifen. Er wurde teilweise durch neue, komfortablere Balkonanlagen ergänzt und energetisch ertüchtigt mit Fassaden-, Kellerdecken- und Drempeldämmung sowie mit dem Austausch alter Fenster, die noch nicht im laufenden Betrieb sukzessive modernisiert worden waren. Zudem wurden neue Wohnungseingangstüren eingebaut. Brandschutztechnisch notwendig erhielten manche Wohnungen neue Fluchtwege, die Treppenhäuser RWA-Anlagen und die Kellergeschosse einen neuen Abschluss. Abschließend wurden wenige Wohnungsgrundrisse verbessert.
Saniert wurde im bewohnten Zustand. „Bauen im vermieteten Bestand ist für alle Beteiligten auf jeden Fall eine Herausforderung“, berichtet der Planer. „Die Baulogistik war eine Herausforderung, um die Beeinträchtigung für die Genossenschafter so gering wie möglich zu halten.“ Das begann schon bei der Planung. „Es war nicht einfach, unsere Mitglieder vorzubereiten. Durch die bloße Visualisierung der Planung ließen sich die Leute nicht so leicht mitnehmen“, erinnert sich Steffen Foede, Vorstandsmitglied der Wohnungsgenossenschaft.
Obwohl es zum Beispiel beim neuen Parkplatz im Garten auch Einspruch gab, gelang es am Ende, alle zufrieden zu stellen. Gegen die 33 Parkplätze, die im Innenhof der Plattenbauten gebaut werden sollten, gab es Widerstand, den die Baukommision der UNITAS aber schlichtete. Als Kompromiss wurden 28 extensiv begrünte Carports in der Mitte des Gartens etwas abgesenkt.
Größere Grundrisse
Am wenigsten war beim ersten Bauabschnitt 2010 saniert worden. Die Größen der 48 Wohnungen in der Max-Beckmann-Straße 23 – 29 blieben gänzlich unverändert. Neben der energetischen Sanierung wurde nur der Beton instandgesetzt und die Brüstungen der vorhandenen Loggien neu mit Hochdruck-Schichtpressstoffplatten bekleidet.
Der Bau zur Käthe-Kollwitz-Straße ist exakt Süd-Nord orientiert, der angrenzende zur Max-Beckmann-Straße ist leicht nach Süden abgewinkelt. Im zweiten Bauabschnitt 2011 erhielten beide Gebäude auf der Gartenseite neue Balkone mit größerer Nutzfläche. Um auch für größere Familien attraktiv zu sein, wurden je zwei Wohnungen zusammengelegt und erhielten ein zweites Bad. So entstanden aus ehemals 54 Wohnungen sechs große zwischen 125 und 147 m² sowie 40 kleinere mit 38,71 bzw. 96 m².
Sechsstöckiger Wintergarten
Der letzte Sanierungsabschnitt liegt direkt an der von Autos und Straßenbahnen stark frequentierten Friedrich-Ebert-Straße. Hier wurden im Jahr 2012 neue Balkone angebaut. Die 48 Wohnungen haben jetzt Größen zwischen 42 und 73 m² sowie auf der nach Südwesten orientierten Straßenseite eine Pufferzone mit einer flexiblen Vorhangfassade aus Glas. „Es wurde intensiv darüber diskutiert, die Wohnungen zu vergrößern oder Zimmer zu verbinden“, sagt Vorstand Foede. „Stattdessen wurde ein gut nutzbarer Wintergarten geschaffen.“ Mit einer Tiefe von 1,86 m über die gesamte Wohnungsbreite bietet er erheblich mehr Raum als die alten Balkone. Über der Brüstung lässt sich die Schiebe-Dreh-Verglasung einfach öffnen. Im geschlossenen Zustand reduziert sie die Geräusche um 21 dB. „Wir haben lieber einen hochwertigeren Anbieter gewählt“, betont Steffen Foede. „Gerade für uns als Genossenschaft ist kostengünstiges Bauen manchmal, den Baupreis nicht ganz nach unten zu drücken, sondern zu schauen, dass man in der Bewirtschaftung besser dasteht. Ein Bauträger schaut nur auf vier oder fünf Jahre.“ Geschosshohe Schiebeelemente bieten individualisierbaren Sicht- und Sonnenschutz.
Schwungvoller Neubau
Der Kopfbau des Ensembles „Aples Garten“ wurde 2014 fertig gestellt und ist der erste größere Neubau der UNITAS nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Mit dem geschwungenen Gebäude reagieren die Architekten auf den städtebaulich schwierigen wie prägnanten Ort. Seine Rundung nimmt die Bewegung der Straße auf, verbindet die Bestandsbauten und setzt einen Kontrast zu ihnen. In den ersten beiden Geschossen befindet sich die Hauptgeschäftsstelle der UNITAS. Darüber sind 28 2-, 3- und 4-Zimmer-Wohnungen mit Größen zwischen 65 und 121 m². Fünf der kleinen Wohnungen sind barrierefrei. Sie sind in Nord-Süd-Richtung durchgesteckt.
Erschlossen werden alle über ein Treppenhaus mit Aufzug und einen Laubengang. Zur Straßenseite hin ist der Schallschutz durch dreifach verglaste Schallschutzfenster erhöht. Der Bogen erhielt das „Planungszertifikat Nachhaltiger Wohnungsbau“ des Vereins zur Förderung der Nachhaltigkeit im Wohnungsbau e.V., Berlin.
Kaskadennutzung der Fernwärme
Mit dezentralen Be- und Entlüftungsanlagen und Wärmerückgewinnung erfüllt „Apels Bogen“ den KfW-70-Standard. Der Neubau wird über den Rücklauf des Bestands klimatisiert. Diese Spreizung ist für die Effizienz der Fernwärmenutzung von Vorteil und senkt die Heizkosten für die Bestandswohnungen.
„Wir haben den Anschlusswert der Heizanlage halbiert“, sagt Steffen Foede. „Das lässt auf unseren Energieverbrauch rückschließen, wobei ich da noch keine belastbaren Werte habe.“ Auf jeden Fall konnte eine der beiden Hausanschluss-Stationen zurückgebaut werden. Vor Beginn der Sanierung gab es für 165 Wohnungen einen Anschlusswert der beiden Stationen von 810 kW. Nach Sanierung und Neubau haben nun 171, teils größere Wohnungen einen Anschlusswert von nur noch 416 kW. Achim Pilz, Stuttgart