Heftpate Jochen Pfau, Rosenheim:
„Der Trockenbau spielt eine immer größere Rolle“

In der Vergangenheit stand der Trockenbau im Wesentlichen für eine nichttragende Ausbauweise im Gebäudeinneren, die keiner nennenswerten Feuchtigkeit ausgesetzt werden durfte. Durch die Entwicklung neuer Baustoffe und Systeme hat sich die Bauweise in den letzten Jahren im Anwendungsspektrum um Folgendes erweitert:

– Tragende Trockenbausysteme – „Stahl-Leichtbau“ (z. B. Raum-in- Raum-Systeme, weitgespannte Decken, Aufstockungen bis hin zu Ein- und Mehrfamilienhäusern),

– hochfeuchtebeanspruchte Trockenbausysteme (z. B. Wellness­

bereiche und Schwimmbäder) und

– Trockenbau im Außenbereich (z. B. Fassadensysteme, Außendecken).

Im aktuellen baulichen Umfeld mit seinen hohen Ansprüchen und unterschiedlichsten Anforderungen bieten tragende Trockenbausys-teme attraktive und wirtschaftliche Lösungen und entwickeln sich deswegen zunehmend von einer Nischen- zu einer modernen und
zukunftsfähigen Systembauweise.

Im europäischen Ausland – vor allem in England, Skandinavien, Belgien und den Niederlanden – beträgt der Anteil der Stahl-Leichtbauweise am Wohnungsbau und bei kleineren gewerblichen Einheiten inzwischen bis zu 15 %. In der Schweiz werden außergewöhnliche Entwürfe renommierter Architekten (Herzog & de Meuron, Renzo
Piano, Daniel Libeskind u. a.) aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades, der Erdbebensicherheit und Nichtbrennbarkeit in Stahl-Leichtbauweise realisiert. In Deutschland belegen innovative Gebäudeerweiterungen die vielfältigen Möglichkeiten, die diese Bauweise bietet.

Tragende Trockenbausysteme aus Metallprofilen mit 1,5 bis 2,0 mm Blechdicke erfüllen – bei leichtester Konstruktion und schnellem Baufortschritt – alle Anforderungen an den Brand-, Schall- und Wärmeschutz. Die hohe Tragfähigkeit ermöglicht große Spannweiten und schlanke Konstruktionsquerschnitte bei nur ca. 20 % des Eigengewichts massiver Konstruktionen. Im Gegensatz zum Holzbau kann der Stahl-Leichtbau auch eingesetzt werden, wenn für den Brandschutz ausschließlich nichtbrennbare Baustoffe gefordert sind. Die Stahlprofile sind bei Feuchtigkeitsschwankungen formstabil und unempfindlich gegenüber biotischer Schädigung. Hohe Duktilität und geringes Gewicht ermöglichen eine erdbebensichere Bauweise. Ökologisch nachhaltig ist der Stahl-Leichtbau aufgrund seiner guten Trennbarkeit und der vollen Recyclingfähigkeit des Stahls. Wie im Trockenbau ist eine einfache Baustellenfertigung möglich, besonders kurze Bauzeiten werden durch die Vorfertigung von Elementen oder Modulen erzielt.

Aufgrund der spezifischen Vorzüge lohnt es sich für den Planer, sich abhängig von der Bauaufgabe mit tragenden Trockenbausystemen als wirtschaftliche Alternative auseinander zu setzen. Die oben genannten Vorteile lassen sich immer dann optimal nutzen, wenn der Entwurf bereits in frühen Planungsphasen Stahl-Leichtbaulösungen einbezieht, sei es bei systemreinen Konstruktionen oder in Kombination mit Skelettbauweisen und bei Hybridbauweisen.

Da es sich – zumindest im deutschsprachigen Raum – um eine verhältnismäßig junge, aufstrebende Bauweise handelt, ist eine grundsätzliche Auseinandersetzung des Planers mit den Besonderheiten des Stahl-Leichtbaus sinnvoll. Die Kenntnis der speziellen Konstruktionsprinzipien, des Tragverhaltens und der bauphysikalischen Wirkprinzipien der Bauweise ermöglicht eine erfolgreiche Konzipierung, Ausschreibung, Detailplanung und rationelle Bauabwicklung. Digitale Planungstools, verknüpft mit modernen Fertigungstechniken, erlauben heutzutage ein hohes Maß an architektonischer Freiheit, ohne dabei in Konflikt mit den für die Wirtschaftlichkeit wichtigen Systembau-Prinzipien des Stahl-Leichtbaus zu geraten. Individuell gestaltete Elemente bzw. Module in Losgröße 1 sind trotz Vorfertigung wirtschaftlich realisierbar, wenn die grundlegenden Rahmenbedingungen der Bauweise und bewährte Systemlösungen umgesetzt werden. Da die Systemgeber die Baustoff- und Bauteileigenschaften nachgewiesen und die technischen und konstruktiven Details gelöst haben, kann sich der Planer auf den eigentlichen Entwurf und die Gestaltung konzentrieren.

Der Heftpate
Professor Dr.-Ing. Jochen Pfau, Maschinenbaustudium an der TU Darmstadt. Wissenschaftliche Mitarbeit am Fachgebiet Holzbau der TU Darmstadt. Seit 2004 Mitglied der Geschäftsführung bei der VHT-Versuchsanstalt für Holz- und Trockenbau. 2007 Promotion zum Dr.-Ing. Seit 2006 Professor im Studiengang Innenausbau an der Hochschule Rosenheim mit den Schwerpunkten Ausbau und Trockenbau sowie Bauen im Bestand. Mitautor des Standardwerks „Trockenbau-Atlas“ sowie weiterer Fachbücher und Publikationen in den Bereichen Trockenbau und Sanierung.
www.vht-darmstadt.de

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