Offene Systeme flexibel nutzen
Bei der Umnutzung des Bestandes spielen Trockenbausysteme eine wichtige Rolle – gerade auch deshalb, weil die Produkte unterschiedlicher Hersteller bei vielen Aufgaben am Bau untereinander kompatibel sind, wie eine aktuelle Testreihe belegt
Ein wachsender Bedarf an flexiblen Arbeits- und Wohnformen durch steigende Arbeitsanteile im Homeoffice sowie sich verändernde Lebenssituationen und neue Wohnansprüche fordern oft Anpassungen oder Umnutzungen im Bestand. Vielfältige Möglichkeiten für den Um- und Ausbau eröffnen moderne Trocken- und Leichtbauweisen. Denn aufgrund ihrer einfachen Rückbau- und leichten Recycelbarkeit bieten sie eine sehr hohe Anpassungsfähigkeit bei gleichbleibend hoher Qualität in der Bauausführung. Das damit nicht immer systemgebundenes Bauen gemeint ist, also ausschließlich mit Komponenten eines einzigen Unternehmens, unterstreichen neue Testergebnisse. Bei Standardaufgaben können auch offene Trockenbaukomponenten alle erforderlichen Werte erfüllen. Das ermöglicht es allen Beteiligten, gezielt auf die jeweilige Bauaufgabe und nicht zuletzt auch auf die jeweilige Situation am Markt zu reagieren.
Insbesondere bei Sanierung und Umwidmung verschafft die freie Komponentenwahl den ArchitektInnen noch mehr Planungssicherheit. Denn diese erlaubt ihnen, gerade bei kleinen Losen verfügbare und wirtschaftlich sinnvolle Komponenten mit solchen zu kombinieren, die eigens für spezielle Aufgaben entwickelt wurden und daher hochpreisiger sind. Dabei müssen sie in puncto Qualität keinerlei Abstriche machen: Offene Trockenbausysteme können für häufig verwendete Wand- und Deckenkonstruktionen problemlos die erforderlichen Werte eines allgemein bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses erreichen.
Geprüft und belegt wurde das nun von einer verbändeübergreifenden Brancheninitiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, innovative Bauweisen im Aus- und Trockenbau zu fördern. Die beim Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung (IBS) in Linz und bei einer akkreditierten und notifizierten Prüfstelle (gdb Lab GmbH) bei Salzburg getesteten zwei Wandkonstruktionen und eine abgehängte Decke wurden aus einem Händlerlager in beliebigen Kombinationen zusammengestellt und erreichten ohne Mühe die erforderlichen Anforderungen an Brandwiderstand EI90, Schallschutz und Statik. Die vorliegenden Prüfzeugnisse (AbPs) sollen eine Basis bilden, um häufig verwendete Konstruktionen in Normen abbilden zu lassen (die Prüfzeugnisse können inklusive einer Kurzanleitung unter www.wir-für-ausbau.de/pruefungen kostenlos angefordert werden).
Die Anerkennung der weitreichenden Möglichkeiten offener Trockenbausysteme ermöglichen neben einer größeren Flexibilität in der Planung auch ein wirtschaftlicheres Arbeiten, welches gerade in Zeiten von Materialknappheit und Kostensteigerungen von enormer Bedeutung ist. „In 70 bis 80 % aller Trockenbau-Anwendungen können offene Systeme eine sichere und wirtschaftlichere Alternative sein, wenn übliche Anforderungen an Brandschutz, Schallschutz oder Statik vorliegen. Daneben gibt es zusätzliche positive Umwelt-Aspekte durch Einsparungen in der Lagerhaltung und weniger Materialtransporte auf den Straßen“, erläutert Katharina Metzger, Vorstandsvorsitzende vom WIR für Ausbau und Trockenbau e.V. und geschäftsführende Gesellschafterin der Metzger-Gruppe Dortmund.
Komplexe Sanierungsaufgabe
Vor allem bei Wohnungssanierungen punktet die Trockenbauwand durch Vorteile hinsichtlich Schnelligkeit, Preis und Gewicht. Leichtbauwände eignen sich als Wohnungstrennwände mit hohem Schallschutz ebenso wie als Feuchtraumwände. Auch hohe Anforderungen an den Brandschutz können durch entsprechende Wandaufbauten leicht erfüllt werden. Zur Erschließung von zusätzlichem sozialem Wohnraum wurde in Baden-Baden in einem Mehrfamilienhaus aus den 1950er-Jahren das Dachgeschoß ausgebaut und vier neue Wohnungen geschaffen. Diese Bauaufgaben ließ sich nur in Leichtbauweise lösen, da herkömmliche Mauern aufgrund ihres Gewichts die Statik des Gebäudes beeinträchtigt hätten.
Zusätzlich trug die Leichtbauweise aber auch zum wirtschaftlichen Erfolg des Projektes bei. Denn Materialien wie zum Beispiel Mörtel, Beton oder Putz hätten durch die notwendigen Trocknungszeiten wesentlich längere Bauzeiten verursacht und so eine zügige Nutzung bei sozial verträglichen Mieten erschwert. Die Wände konnten im Standardbereich in F90-Qualität aus offenen Trockenbau-Komponenten erstellt werden. Da innerhalb des Gebäudes nur eingeschränkte Lagermöglichkeiten vorhanden waren, konnten auf diese Weise auch mögliche Engpässe bei der Nachlieferung systemgebundener Trockenbaukomponenten umgangen werden. Der Nachschub an Baumaterial konnte ganz einfach aus den jeweils verfügbaren Komponenten gespeist werden. Die guten Erfahrungen mit diesem Vorgehen haben dazu geführt, dass der Umbau in gleicher Weise im Nachbargebäude fortgeführt wird.
Leichte Konstruktionen für einfache Umnutzungen
Bei der Errichtung von Gebäuden ist es in den vergangenen Jahren für PlanerInnen und KonstrukteurInnen essentiell geworden, von Beginn an eine einfache Rückbaubarkeit sowie Möglichkeiten zur Veränderung der Wohnsituation zu berücksichtigen. In der Praxis bedeutet das, grundsätzlich auf eine große Nutzungsflexibilität der Materialien Wert zu legen. So sollten Grundrisse zum Beispiel möglichst frei von tragenden Wänden sein, um bei einer Umnutzung des Gebäudes neue Raumaufteilungen zu ermöglichen. Im Zuge einer Umnutzung sind Wände in Trockenbauweise leicht rückbaubar sowie für neue Einsatzzwecke verwendbar. Die hohe Recyclingfähigkeit macht die gipsbasierten Leichtbauwände auch für das Urban Mining wertvoll. Diese Wiedergewinnung von Baumaterial aus unserem Gebäudebestand plant Gebäude als Rohstoff-Zwischenlager und hat das Ziel, den Ressourcenverbrauch drastisch zu senken. Dies gelingt jedoch nicht ohne eine hohe Recyclingfähigkeit der Baustoffe sowie eine Rückbaufreundlichkeit der Konstruktion. Leicht- und Trockenbauanwendungen können diesen Anforderungen einfach entsprechen und bei rohstoffschonendem Bauen, flexiblem Ausbau und einfacher Umwidmung sehr gut eingesetzt werden.
Co2-Betrachtung über den Lebenszyklus
Auch die gestiegenen Anforderungen an die Energieeffizienz beim Umbau lassen sich heute mit speziellen Trockenbau-Elementen erfüllen. Oft wählen InvestorInnen und BauherrInnen jedoch den Abriss und Neubau, ohne die ökologisch und vielfach auch ökonomisch sinnvollere Alternative der Sanierung intensiv zu betrachten. Auf diese Weise verschenken sie enorme Einsparpotentiale. Angesichts des drängenden Handlungsdrucks durch den Klimawandel sollte neben einem geringen Energieverbrauch das Bemühen um einen möglichst geringen Rohstoffverbrauch deutlicher in den Vordergrund gerückt und Rückbau und Umnutzung stärker eingeplant werden. Die Energiebilanz von sanierten Bestandsgebäuden ist im Vergleich zum Neubau oft besser als vermutet – wenn die Berechnungen auf einer Betrachtung über den gesamten Lebensweg der Immobilie beruhen. Leichtbauwände und Decken aus Gips liefern durch ihre kurzen Transportwege einen vergleichsweise geringen CO2-Fußabdruck. Generell sollten im gesamten Bauprozess alle Umweltwirkungen inklusive Transportwegen der Materialien betrachtet werden, um eine umfassende ökologische und energetische Bewertung gewährleisten zu können.
Positive Umwelt-Aspekte
Das Grundmaterial im Trockenbau ist aus natürlichen Reserven: Gips ist ein lokaler Rohstoff, der nicht künstlich hergestellt werden muss. Auch wenn der Großteil des Gipsbedarfs in Deutschland zurzeit noch durch REA-Gips (Rauchgasentschwefelungs-Gips) abgedeckt wird, so schont die Verwendung dieses Nebenprodukt des Kohlestroms dennoch die natürlichen Gipsressourcen und ist ökologisch sinnvoll. Nach dem Herunterfahren der Kohlekraftwerke in den kommenden Jahren wird die Bauindustrie allerdings mehr Naturgips benötigen, um den Bedarf zu decken.
Aus- und Leichtbau in Lehre und Praxis
Auch für die Zukunft gibt es neue Ansätze. So entstehen dieses Jahr im Hochschulwettbewerb Moderner Aus- und Leichtbau 2021 unter dem Thema Umnutzung vielfältige Innovationsideen zur neuartigen Verwendung des altbekannten Materials. Die Architektur-Studierenden haben sehr innovative Ideen eingebracht, wie der Trockenbau nutzungsflexibles und ressourceneffizientes Bauen weiter voranbringen kann. Die von verschiedenen Verbänden getragene Hochschulinitiative garantiert die Neutralität der Inhalte und den Fokus auf die gesamte Bauweise.
Unter www.modernerausundleichtbau.de steht eine umfangreiche Plattform mit Hintergrundwissen über modernen Aus-, Trocken- und Leichtbau sowie fundierte Unterlagen aus Baukonstruktion, Bauphysik, Baustoffkunde und Baupraxis zum kostenlosen Download bereit.