Heute noch unbewusst

Es mag legitim sein, seine Büromonografie bei einem renommierten Verlag einzukaufen. Erwerben sollte man aber solche Druckerzeugnisse eher nicht, sind sie doch zum (Werbe-)Verschenken gemacht. Es gibt allerdings Ausnahmen, die gerade dann als solche erscheinen, wenn der oder die, über die geschrieben wird, schon verstorben ist. Das ist bei Alfred Neumann (1900 – 1968), einem gebürtigen Tschechen und in Israel bauendem Architekten, der Fall. Bei ihm kommt allerdings noch hinzu, dass er zu Lebzeiten im Architekturdiskurs eine laute Stimme hatte und: Er hat eine eigene Architekturtheorie und Methodik entwickelt.

Diesem geht die vorliegende, umfangreiche Publikation auf den Grund. Einmal über längere, Einzelaspekte beleuchtende Textbeiträge, dann mit dem Blick auf konkrete Bauten Neumanns, die hier zu entdecken eine große Freude ist. Und ebenso ist es ein Vergnügen, Neumanns Texte (in Auszügen) im Anhang lesen zu können, die sämtlich davon erzählen, dass das Denken über Architektur zwar auch mythenbildend sein muss, zugleich in eben dieser Weise auf ­unser rationales Denken aber durchaus befreiend wirken kann (so
ist beispielsweise Neumanns Gedanke zu seinem „EM/PHI-System“ aus heutiger Sicht nur noch als Glaubenssatz zu interpretieren, der gegen die Verwissenschaftlichung der Architektur eben auch griechische Idealverhältnisse wie den Goldenen Schnitt in Stellung bringt). Damit erlaubt uns das prall mit Texten und Abbildungen gefüllten Buch auch einen Blick in Vergangenes, von dem wir heute noch (unbewusst) zehren. Be. K.

Rafi Segal, Space Packed. The Architecture of Alfred Neumann. Park Books, Zürich 2017, 376 S., 49 Farb- u. 373 s/w Abb.
48 €, ISBN 978-3-03860-055-8

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