„Hinterm Haus ein Baum. Na und?“
Ein Meinungsstück von
Carlo Baumschlagerzum Thema „Holz“
 

Die Hoffnung auf eine bessere Welt ist ein mächtiges Stimulans. Im Diskurs darüber mischt auch die Architektur mehr oder weniger lautstark mit. Das Material Holz wird dabei wie ein besonderer Stoff für Utopien gehandelt. Rückblende 1: Dort, wo ich herkomme, war der einfache Holzbau primär ein Dach über dem Kopf für Mensch und Vieh. Das Material stand zur Verfügung und war technisch gesehen einfach zu bearbeiten. Man baute nach handwerklichen, sprich kulturell geprägten, Regeln.

Der deutsche Architekt und Ingenieur Konrad Wachsmann veröffentlichte bereits 1930 sein wegweisendes Buch „Holzbau: Technik und Gestaltung“, das 1995 im Reprint bei Birkhäuser erschien. Darin entwirft er ein Programm für kleine Siedlungen mit dem „billigen“ Material Holz in Kombination mit baulichen Eigenleistungen. Ab den 1960er Jahren experimentierten junge Architekten mit einer Ästhetik der Sparsamkeit und stießen dabei auf Holz. Es galt nicht nur als schick, dem Werkstoff selbst wurden auch neue Werte eingeschrieben. Im Mittelpunkt stand ein gemeinschaftliches, einfaches und ressourcenschonendes Bauen.

So weit, so gut. Rückblende 2: Nach und nach aber wurde die Materialwahl intellektualisiert, Protagonisten transponierten Holz in ausdefinierte, progressive Wertewelten. Ein erster Ideologisierungsschub. Start zu einer Diskussion, die eigentlich immer mehr den Beigeschmack von Glaubensbekenntnissen entwickelte, je länger sie geführt wurde. Die rasante Industrialisierung und Technisierung des Materials verdichtete sich zum umfassenden Ökologisierungsanspruch im kulturellen Überbau. Beton machte den allseits beliebten Prügelknaben.

Man würde vielleicht vermuten, dass der Pionier Konrad Wachsmann das Holz auf ein Podest hob. Tat er nicht. Im Gegenteil. Er urteilt nüchtern: Als konsequent von Maschinen bearbeitetes Fabrikationsmaterial hat Holz technisch und wirtschaftlich dieselbe Bedeutung wie irgendein anderer Baustoff. Umso erstaunlicher die gegenwärtige Entwicklung. Momentaufnahme: Holz wird als Hoffnungsmaterial für eine bessere Zukunft zelebriert. Es wachse wieder nach (der sprichwörtliche Baum hinter dem Haus oder im Wald), sei CO2 neutral, energiesparend, wirtschaftlich, nachhaltig. Kurz: Holz, und nur Holz, heißt das Gebot der Stunde. Gepredigt von wachen Hütern des grünen Goldes.

Zwischenruf: Einem Critical Friend sei es gestattet, einige Fragen in die Runde zu werfen. Eignet sich Holz wirklich für verdichtete, urbane Räume? Warum wohl gibt es noch keine Holzstadt? Ist Holz tatsächlich DAS ökologische Material schlechthin? Wie passt der chemisch überlastete Holzschutz ins Bild? Wie die energieaufwendigen Verfahren zur Holztrocknung? Wie die Unsicherheit über die regionale Herkunft?

Holz taugt für mich nicht zum Heilsbringer. Von seiner derzeitigen, fast mantrisch aufgeladenen Überfrachtung befreit, sehe ich im Holz ein normales, gleichgestelltes Baumaterial. End of Story. Oder nicht?

Der Architekt
1956 geboren in Bregenz, Vorarlberg, 1975-82 Studium an der Universität für angewandte Kunst, Wien. 1982-84 selbständiger Baukünstler, 1984-85 ARGE Baumschlager-Eberle-Egger, ab 1985 ARGE und Büro mit Dietmar Eberle, 2010 Gründung des Büros Baumschlager Hutter Partners. Verschiedene Lehrtätigkeiten an der Syracuse University, New York, der Hochschule für Technik, Stuttgart, seit 2007 Professor an der ADBK, München. www.baumschlagerhutter.com
x

Thematisch passende Artikel:

Der sinnvolle Anteil des Holzbaus ist noch lange nicht erreicht

Ein Leserbrief der Univ.-Professoren DI Hermann Kaufmann und Dr.-Ing. Stefan Winter zum Architektenstandpunkt in DBZ 4 2011 von Carlo Baumschlager

„Sehr geehrte Redaktion“, so beginnt das Schreiben aus dem Büro Architekten Hermann Kaufmann ZT GmbH, das uns als Leserbrief im Mai erreichte, und das wir - mit Blick auf seinen Gehalt - Ihnen...

mehr
Ausgabe 10/2019

Konrad Wachsmann Studienpreis verliehen

Mit dem Projekt „THINKING INSIDE THE BOX“ konnte David Freeman, Absolvent des Architekturstudiums an der Fachhochschule Erfurt, die Jury des Konrad Wachsmann Studienpreises 2019 überzeugen und...

mehr
Ausgabe 11/2018

Studienpreis Konrad Wachsmann 2018

Konrad Wachsmann war einer der Pioniere des industriellen Holzbaus, der als Architekt ein bis heute nachwirkendes, vielfältiges Lebenswerk hinterlassen hat. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den...

mehr
Ausgabe 12/2023

Studienpreis Konrad Wachsmann entschieden

Anfang Oktober zeichneten die BDA Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg zum zehnten Mal junge Absolventinnen und Absolventen der Architektur mit dem Studienpreis Konrad...

mehr

Schall im Holzbau

Holz-Bauphysiktag 2008, Berlin, 7. November 2008

Aufgrund der positiven Resonanz des Holz-Bauphysiktages in 2007 wird dieser Veranstaltungstypus im jährlichen Rhythmus in Berlin fortgesetzt. Dabei werden in Zukunft thematische Schwerpunkte entlang...

mehr