IFC Plus: BIM braucht mehr Vernetzung
Unser Alltag ist digital und vernetzt, nicht nur privat, sondern auch geschäftlich. Warum funktioniert das digitale Management im Vertrieb und im Alltag so reibungslos, aber nicht ansatzweise in der Praxis der verheißungsvollen BIM-Kollaboration? Ob „open BIM“ oder „closed BIM“: Software muss miteinander kommunizieren. Ein Ansatz kann sein, das Format IFC (Industry Foundation Classes) mit APIs (Application Programming Interface) und Datenbanken in IFC Plus zu erweitern. Was BIM-Software von Google und Co. lernen muss, beschreibt dieser Artikel.
BIM ist Kollaboration und basiert immer auf der Vernetzung zwischen verschiedenen Software-Tools. Die anhaltende Diskussion um Vor- und Nachteile von „open BIM” und „closed BIM” ist ein Spiegel des Status quo. Die grundsätzliche Herausforderung für die grenzenlose BIM-Kollaboration besteht darin, dass Planungsteams komplett heterogene Infrastrukturen verwenden. Dafür sind offene Dateiformate unerlässlich, die den Austausch zulassen und eine Zusammenarbeit ermöglichen: IFC ist dafür aktuell das führende Datenaustauschformat beim digitalen Planen und Bauen.
Problem: IFC Dateiumwandlung ist aktuell eine Einbahnstraße
Per Definition ist IFC ein Datenaustauschformat. Das bedeutet, dass IFC-Dateien wie PDFs verwendet werden, sprich in einer Art von Einbahnstraßen-Kommunikation. BIM-Modelle verlassen als IFC-Dateien die CAD-Umgebung und werden an alle am Bau Beteiligte weitergegeben. Jede nachträgliche Änderung am BIM-Modell, sei es auf der Baustelle oder in der Ausschreibungssoftware, bedeutet eine neue Version des IFC Files. Im Idealfall kommen die verschiedenen IFC-File-Versionen eines einzigen Bauvorhabens wieder zurück zum zentralen BIM-Manager, der die einzelnen Versionen richtig und vollständig zu einem einzigen nativen CAD-File wieder zusammensetzt. Denn im CAD-System muss eine aufwendige und komplizierte Konsolidierung stattfinden, solange man tatsächlich das Ziel eines ständig aktuellen Data-Twins (digitaler Zwilling) im beispielhaften Bauvorhaben verfolgt.
Plädoyer für eine breitere Nutzung von IFC
Da IFC ein geskriptetes Format ist, ist es möglich, ein Modell komplett aus dem Programmiercode zu erzeugen, sprich, etwa ein ganzes Haus aus einem IFC-Code zu schreiben. Viel spannender ist zudem, dass sämtliche Attribute aus verschiedenen Quellen befüllt werden können, dadurch dass es eine Skript-Sprache ist. Deshalb ist ein entscheidender Mehrwert von IFC, dass jeder Projektbeteiligte direkt Parameter und Attribute aktualisieren, ergänzen oder austauschen kann, ohne den Umweg über ein CAD-Programm.
Mehr Autonomie: mit APIs zu IFC Plus
Die Tools, die man benötigt, um Information auf allen Kanälen untereinander auszutauschen, heißen APIs (Application Programming Interface). Diese Programmierschnittstellen ermöglichen, dass Programmierer mit ihren Lösungen an Systeme andocken können, um etwa Daten untereinander kommunizieren zu lassen. Und genauso müsste und könnte es mit IFC im Bauprozess funktionieren. Ob in CAD, in einer Ausschreibungs-software oder auf der Baustelle über einen Viewer mit einem iPad: Mit APIs müsste es theoretisch an jeder Stelle des Prozesses möglich sein, Herstellerdaten einzubringen oder wieder zu entfernen. Weil IFC an die APIs angebunden werden kann und Daten direkt in IFC-Dateien integriert werden können, trägt diese Vision den Namen IFC Plus. IFC lässt sich in Verbindung mit entsprechenden APIs so nutzen, dass es sich überall andocken und bearbeiten lässt. Damit wird IFC von einem Datenaustauschformat zu einem freien Informationsaustauschformat, dass jedem am Bau Beteiligten mehr Autonomie verschafft.
IFC Plus: Verbindung mit Datenbanken
IFC Plus lässt sich mit allen denkbaren Datenquellen verbinden und einfach sowie benutzerfreundlich um optimierte Informationen erweitern, wiederum strukturiert in verschiedene Level of Detail (LOD), Level of Information (LOI) oder Level of Information needed (LoIn). Zöge man zusätzlich zu fremden Datenquellen auch noch eine eigens dem Bauprojekt gewidmete führende Datenbank für jedes BIM geplante Bauvorhaben hinzu, hätte man eine BIM-IT-Architektur zur Verfügung, die diesen Namen auch verdient. Denn jetzt könnten Informationen wirklich fließen – nicht mehr Dateien. Die eigene CAD-Planung wird an Produktdatenbanken von Baustoffherstellern angebunden. Je nach Stand im Vergabeverfahren wird das digitale Bauvorhaben auf Knopfdruck aktualisiert und die Änderungen direkt im Digital Twin im CAD-System angezeigt. Auf der Baustelle werden kurzfristige Produktänderungen ergänzt und wiederum über einfache Zusatzfunktionen im Viewer allen angeschlossenen Datenabnehmern übermittelt. Jetzt wird BIM real.
Mit Datenbanken in alle Detailtiefen
Eine Schlüsselfigur in diesen Überlegungen: die Baustoff-Industrie. Sie übersetzt all ihre Produkte und Systemvarianten, die sie üblicherweise in PIM-Systemen organisiert, mithilfe einer BIM-Infrastruktur in BIM-Objekte, sodass sie Planern und Architekten in CAD-Programmen zur Verfügung stehen. Denn ohne diese Vorleistung werden sich keine nennenswerten Informationsumfänge in die BIM-Prozesse einbringen lassen. Erst dann können Architekten wirklich informationsdichte BIM-Modelle als beispielsweise Archicad- oder Revit-Dateien erstellen und, gemäß unserer hier beschriebenen Vision, einmalig als IFC Plus-Datei mit einer führenden Bauprojektdatenbank im Hintergrund ausgeben. Generalunternehmer (GU), Fachplaner, Tragwerksplaner und alle anderen am Bau Beteiligten können damit arbeiten; jeweils wieder über ihre eigene IFC Plus-fähige Software direkt an die führende Datenbank angebunden. Und falls für die Erfüllung ihrer Teilaufgabe weitere Datenbanken nötig sind, werden auch diese angebunden. Ein abschließendes Speichern in die führende Datenbank macht sämtliche Arbeitsergebnisse sofort für alle anderen Projektbeteiligten sichtbar und nutzbar. Ein weiterer Austausch von Dateien ist nicht mehr nötig.
Zugriff auf Datenbanken schafft Qualitätssprung in möglicher Informationsdichte
Der große Vorteil von IFC in Verbindung mit Datenbanken von Herstellern besteht darin, dass der digitale Zwilling mit allen Informationen aller Detailtiefen angereichert werden kann, ohne dass er zwingend als Zwischenstufe in einer CAD-Software war oder ein Planer daran gearbeitet hätte – sondern nur, weil Daten bereitgestellt und abgefragt werden. Mögliche Datenzapfstellen sind vielfältig. Es kann etwa eine Web-Oberfläche sein, die über eine API an einer entsprechenden Datenbank angebunden ist. Ist dies der Fall, kann eine IFC-Datei importiert, befüllt und wieder exportiert werden. Wenn der Generalunternehmer im Anschluss die Datei mit seinem Viewer öffnet, weiß er, dass die Wand etwa nicht höher als 2 m werden darf, weil er die Belastbarkeit des speziellen Betons kennt.
Mehr Flexibilität für den gesamten Planungsprozess
Den größten Benefit erfährt der Planungsprozess dadurch, dass er von der CAD-Software unabhängiger wird und das BIM-Modell in alle Richtungen angereichert oder reduziert werden kann – und dadurch sein Potential entfaltet. Plant ein Architekt in CAD beispielsweise neutrale, leichte Innenwände, um danach in einer Ausschreibungs-software herstellerspezifisch auszuschreiben, muss er bei dem bestimmten Hersteller die IFC-Datei z. B. ins BIM-Cockpit laden, wo sie automatisch mit den Herstellerprodukten gemäß den Anforderungen befüllt wird. Ab diesem Zeitpunkt ist das BIM-Modell für den jeweiligen Hersteller spezifiziert. Das könnte der Architekt dann auch für alle anderen Gewerke entsprechend durchführen. Die Spezifizierung der Produkte kann im Ausschreibungsprozess komplett losgelöst von der CAD-Software stattfinden, kann aber auch jederzeit in CAD eingelesen werden. Dadurch entsteht eine Vielfalt an neuen Möglichkeiten. Es wäre dann möglich, alle Innenwände aus dem Modell zu löschen, außer die Innenwände von einer bevorzugten Marke.
Kein technischer Ausschluss von Zielgruppen mangels CAD-Know-how
Ein weiterer Mehrwert ist, dass dadurch keine CAD-Komplexität mehr zwingend erforderlich ist, um das BIM-Modell zu bearbeiten. Ein Standard-Viewer würde ausreichen, so dass das Modell nicht nur abstrakt, sondern geometrisch dargestellt werden kann. Nachdem über eine Weboberfläche bzw. über eine Datenbank die IFC Plus-Datei mit Systeminformationen eines Herstellers befüllt wurde, kann ein Handwerker die Veränderungen im Viewer sehen, die er just erst heruntergeladen hat.
Dadurch werden keine Zielgruppen mehr von der BIM-Kollaboration technisch ausgeschlossen, nur, weil sie mit anderen Programmen arbeiten: Sowohl Fachleute in Planungsbüros, als auch Fachgewerke können dadurch frei entscheiden, auf welche Bauteile sie setzen. Nach der Entscheidung für einen Hersteller kann jeder die IFC Plus-Datei mit hersteller- und produktspezifischen Informationen anreichern.
Viel Zukunftsmusik, aber nicht unmöglich
Die betrachteten Möglichkeiten sind die nächsten Schritte in einer längerfristigen Entwicklung, die die Vision einer digital vernetzten Planungs- und Baubranche vor Augen hat, die hinter Building Information Modeling steht.
Trotz vieler Errungenschaften befindet sich der digitale Entwicklungsgrad des Bauwesens immer noch am Anfang. Dass BIM keine Software, sondern eine kollaborative Methode ist, bleibt ohne Überlegungen wie IFC Plus nur ein weit verbreitetes Lippenbekenntnis. Technisch gesehen, befindet sich die Branche aktuell an einem Punkt, an dem vielleicht nur fünf Prozent der digitalen Möglichkeiten im Bau erreicht sind.