Im Diskurs zur optimierten Lösung Transsolar in Stuttgart
Das Projektbüro Transsolar widmet sich der energetischen Optimierung von Gebäuden – und denkt dabei immer voraus.
Es sollte ein gewöhnliches Gespräch über Architektur und Energielösungen bei Gebäuden werden, es wurde aber eine Diskussion über die Grenzen der Machbarkeit, über Ethik und Befindlichkeiten von Menschen. Eingeladen hatte die Transsolar Energietechnik GmbH nach Vaihingen, einem Teilort von Stuttgart. Wir befinden uns in einem angenehmen Raum, bunte bequeme Stühle lassen ihn freundlich wirken, ein langer grüner Vorhang verdeckt die Glasfront. Das andere Fenster gibt den Blick über den Stuttgarter Talkessel frei: Bis zum Horizont kann man sehen.
Es ist ein guter Platz, um zu denken, um kreativ zu sein, um seinen eigenen Stil zu entwickeln. Die Mitarbeiter von Transsolar tüfteln hier und in aller Welt mit Architekten,
um Gebäude so zu entwickeln, dass sie den Bedingungen der jeweiligen Standorte optimal gewachsen sind. Das ist die Hauptauf-
gabe des Ingenieurbüros.
Volkmar Bleicher und Thomas Auer, zwei der vier Geschäftsführer von Transsolar, nennen das Klimaengineering. Der Begriff beinhaltet die Beratung und Zusammenarbeit
mit Architekturbüros, um einen maximalen Nutzerkomfort zu erreichen. „Und das bei
geringstem Energieaufwand“, betont Volkmar Bleicher. Nach der Gründung des Büros, standen zunächst die Themen Solartechnik und Simulation im Vordergrund. Später kamen immer mehr Beratungstätigkeiten dazu. „Es war uns nicht bewusst, dass Architekten in der Planung einen Partner suchten mit dem sie das Zusammenspiel von Architektur beziehungsweise Gestaltung, Energie und Komfort diskutieren können“, sagt Auer. Transsolar bot sich als solch ein Partner an.
Um die weitere Entwicklung von Transsolar zu verstehen, muss man knapp 20 Jahre zurückgehen. Am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Uni Stuttgart wurde 1992 von Matthias Schuler, dem Gründer von Transsolar, die Lizenz für das thermisches
Simulationsprogramm TRNSYS gekauft.
Die Software berechnet Gebäude und An
lagen in der Anwendung und kann dynamisch mikroklimatische Verhältnisse aufzeigen. Dynamisch bedeutet, dass es nicht nur von Ist-Zuständen (zum Beispiel Sonneneinstrahlung zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Raum = gemessene Temperatur) ausgeht, sondern auch den Zustand in der Zeit davor in die Berechnung mit einbezieht. Das dynamische System berücksichtigt also die Speicherkapazität und die Trägheit von Bauteilen.
Aus den Ingenieuren des Institutes kons-
tituierten sich die Macher von Transsolar.
In der Zeit der Birkenstock- und Norweger-
pulli-Bewegung war beim Tun viel Idealis-
mus zu spüren. Das Schlagwort hieß „optimale Energieausnutzung“ und endlich hatten Architekten Ansprechpartner für Ideen und Lösungen bei Energiesystemen und deren Umsetzung im architektonischen Diskurs. Der Durchbruch des jungen Planungsbüros gelang gleich mit dem ersten Projekt, einem Bürohaus in Gniebel (Architekten mit den Kauffmann Theilig & Partner) gelegen an der stark befahrenen B27 von Stuttgart nach
Tübingen. Somit – und allein schon wegen des runden Grundrisses und der offenen Bauweise – viel beachtet und auch in der Fachpresse präsent.
Schon bei diesem Projekt wurde deutlich, welche Philosophie hinter dem jungen Unternehmen steckt. Die Nutzer des Gebäudes erwarteten sich von dem Neubau einen positiven Einfluss auf ihre Arbeitsweise. In emotionaler Hinsicht wurde das mit dem architektonischen Prinzip eines runden Gebäudes mit Atrium (Kommunikationsmöglichkeiten / Offenheit / Fokus auf den Mittelpunkt) bedient, in bautechnischer Hinsicht durch die Öffnung der Glasfassade nach Süden und mit Terrassen auf zwei Ebenen, die sich
wie ein Ring um das Gebäude legt und so gleichzeitig die Glasfronten des runden Hauses bei hohem Sonnenstand beschatten. Eine weitere konstruktive Lösung im Sinne der Menschen, die dort arbeiten, wurde mit dem Glasdach über dem Atrium geschaffen. Der Rundling erhält so ein Zentrum, in dem sich alle Blicke und Wege treffen.
Das Projekt war damals zukunftswei-
send und ist es auch heute noch. Mit im Boot war der Bauherr „ein sparsamer und inno-
vativer Schwabe“ wie Volkmar Bleicher ver-
sichert und ein Architekturbüro, das sich mit Transsolar einen Partner gesucht hatte, der im ständigen Austausch eine energetische Lösung anstrebt und der die Probleme an der Wurzel packt. Eine ideale Kombination, um eine ganzheitliche Energieplanung zu
erarbeiten. „Technisch möglich ist heute ja
alles“, sagt Volkmar Bleicher, „aber“, fügt er kritisch hinzu, „ob alle Lösungen sinnvoll sind, das steht auf einem ganz anderen
Papier.“ Transsolar aber, das wird schnell
klar, möchte sinnvolle Lösungen anbieten.
In diesem Spannungsverhältnis – was sinnvoll ist oder nicht – läuft auch das Gespräch an diesem Tag ab, bei dem der Beobachter staunen kann, welche unterschiedlichen Perspektiven und Positionen Auer, Bleicher und die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Monika Lauster, einnehmen und beleuchten. „Bei uns wird diskutiert“, sagt Thomas Auer, der noch schnell die Geschichte von den schwersten Präsentationen von Projekten preisgibt. „Das sind die, die du im eigenen Team vorstellen musst und ständig kritisiert und gefragt wirst: Was hast du dir denn dabei gedacht?“ Offenheit ist Pflicht und deshalb wird im Team ständig über die Sinnhaftigkeit und über die ethische Korrektheit von Projekten gesprochen. Führt das denn zu einem Ziel? „Muss es das?“, kommt unisono als Antwort. Doch es scheint nicht so, dass hier eine Diskussion um der Diskussion willen geführt wird, sondern es sollen – immer wieder von neuem – Grenzen abgesteckt werden. „Wir haben lange über die Reali-
sierung einer Skihalle in Arabien mit diskutiert“, erinnert sich Volkmar Bleicher. „Grundsätzlich ja eine Perversion und eine unge-
heure Energieverschwendung“, gibt er zu bedenken. „Aber haben wir das Recht, über die Menschen, die dort leben wollen, zu ur-
teilen? Wir verbrauchen Unmengen an Energie, um im Winter Hallenbäder oder Sporthallen zu beheizen, nur um unseren Hobby nachzugehen.“ Eine Diskussion, die man führen kann, „ja führen muss“, sagt Auer. Am Ende hat Bleicher schließlich das Skihallen-Projekt in seinem Team geplant. Er hat sich dafür entschieden, weil die komplette Energieversorgung über Solarthermie und Photovoltaik realisiert werden kann. „Wenn wir mit Sonne Schnee produzieren können, dann lassen sich dort alle Energieprobleme lösen“, sagt Bleicher. Das war sein Antrieb.
Die Philosophie des Ingenieurbüros wird in Englisch definiert: „High Comfort – Low Impact“, was so viel heißt wie den maximalen Komfort mit dem minimalen Einsatz von Energie zu erreichen, also die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Englisch wurde auch mehr und mehr die Sprache, die es bei weltweiten Projekten zu sprechen galt. Mit Büros in München, New York und Baustellen europaweit und in Übersee, machte Trans-
solar ab 2006 einen gehörigen Sprung vorwärts, was sich in den Mitarbeiterzahlen und den Umsätzen spiegelt. Das Unternehmen beschäftigt derzeit 45 Mitarbeiter. Jeder Geschäftsführer hat ein Team unter sich und arbeitet eigenständig an unterschiedlichen Projekten. „Das ist auch unser Erfolgsgeheimnis, denn mit unseren unterschiedlichen Sichtweisen sind wir breit aufgestellt“, sagt Geschäftsführer Auer.
Ein weiteres Geheimnis des Erfolges, ist die Simulation von Gebäudezuständen, wie sie mit der entwickelten Software aus den Anfängen des Unternehmens hervorgehen. So seien zwar Erfahrungen aus vorausgegangenen Projekten eine wichtige Stellgröße, aus denen resultiert, ob ein Gebäude „funk-
tioniert“, wie Auer sagt. Die Verifizierung erfolgt aber mit den Ergebnissen der Simu-
lation. Die Physik lügt nicht, sagt Auer und ein weiterer Satz bleibt ebenso hängen:
„Die technische Ausstattung eines Gebäu-
des sollte immer nur unterstützend wirken, die eigentlichen Lösungen sind bautech-
nisch zu meistern.“
Eine Philosophie, die zum Erfolg und
Aufträgen führt. So ist es nicht verwunderlich, dass Transsolar ein Projektmitglied der städtebaulichen Planung von Masdar City (Architekten: Foster + Partners) wurde. Der Stadtteil von Abu Dhabi – dessen Name Quelle/Ursprung bedeutet – soll bekanntlich eine CO2-neutrale Wissenschaftsstadt werden. Das Energiekonzept hierzu entwickelte Transsolar. Das Stadtrasterprinzip (City-Grid), angelehnt an den historischen Städtebau
in diesen Breiten, wurde untersucht und berechnet: Schmale Gassen (mit geringer Sonneinstrahlungsmöglichkeit) wechseln mit Plätzen und Grünflächen. So soll zum einen die starke Erhitzung der Gebäude unterdrückt und mit grünen Spots ein natürlicher Temperaturausgleich geschaffen werden.
Das sind Großprojekte, bei denen Trans-
solar in einem Atemzug mit bekannten Architekten genannt und in Verbindung gebracht wird. Wer nun aber glauben mag, dass die Firma deshalb den Bodenkontakt verloren hätte, der irrt. Bodenständig sind sie geblieben: Thomas Auer und Volkmar Bleicher erzählen gerne von den vielen kleineren Projekten in der Region und deutschlandweit. Die Referenzliste ist lang. Angefangen vom Dornier-Museum mit Allmann Sattler Wappner in Friedrichshafen, über ein Schulzentrum in Mössingen mit Harter + Kanzler, der Sanierung und Erweiterung der Hauptverwaltung der Firma Ziemann Group in Ludwigsburg mit Freivogel-Architekten oder dem Ozeaneum in Stralsund mit Behnisch Architekten. „Die Herausforderungen sind immer die gleichen“, sagt Bleicher. „Wir wollen ein Gebäude schaffen, das energetisch funktioniert und den größtmöglichen Nutzen für den Menschen hat. Ohne dass es eine automatisierte Maschine ist.“ Da mag man beim Passivhaus an Grenzen stoßen. Denn dieses hochgedämmte und energetisch hocheffiziente Gebäude braucht z.B. eine intelligente Lüftungsanlage, um zu funktionieren. Ein offenes Fenster braucht es nicht, das wird aber heute ermöglicht. „Denn es ist erwiesen, dass der Mensch sich in einem Gebäude wohler fühlt, in dem sich die Fenster öffnen lassen“, sagt Auer. In diesem Stil wurde auch das neue Bürogebäude der KfW-Bank in Frankfurt mit Sauerbuch Hutton realisiert. Als erstes Hochhaus, das nach der „Solarbaurichtline“ gebaut wurde und unter anderem auch Fenster hat, die sich öffnen lassen. Mit dem neuesten Projekt wagt sich Transsolar ins Web 2.0. „Der Internet-Blog „Green and Sexy“ (http://blog.transsolar.com) ist eine Plattform, um Diskussionen anzuregen“, erklärt Monika Lauster. „Wir wollen einen konstruktiven Austausch mit anderen initiieren“, beschreibt sie die Aufgabe der interaktiven Diskussion im Netz. Und der provokante Titel ist daran angelehnt, dass sich seit geraumer Zeit alle Firmen einen grünen Anstrich verpassen. „Aber sind die damit auch alle ökologisch und nachhaltig?“, fragt die Runde, wenngleich ein wenig suggestiv und mit provokantem Unterton. Da ist sie wieder: Die sympathische und kritisch nachfragende Haltung aus der Zeit der Birkenstock- und Norwegerpullis. Das Unternehmen ist längst aus dieser klischeehaften Nische herausgetreten, wenngleich diese Grundhaltung hier alle in sich tragen. Gleichzeitig arbeiten in diesem Think-Tank Individualisten mit eigener starker Meinung. „Das“, sagt Monika Lauster, die seit den Anfängen mit dabei ist, „ist die größte Qualität, die diese Firma hat.“ Der Eindruck bleibt, dass hier auf den Höhen über dem Stuttgarter Talrand nicht nur bis zum Horizont geschaut und gedacht wird, sondern auch darüber hinaus.
Rüdiger Sinn, Stuttgart