Im Gespräch: Axel Kaufmann, CFOO & Vorstandssprecher der Nemetschek SE
Stimmungsbarometer Digitalisierung in Deutschland / im europäischen Umfeld:
Im Gespräch mit Axel Kaufmann, CFOO & Vorstandssprecher der Nemetschek SE
DBZ: Herr Kaufmann, es wird aktuell viel über die Digitalisierung des Bauwesens gesprochen und geschrieben. Woran arbeiten Sie in diesem Bereich?
Axel Kaufmann: Die Nemetschek Group ist seit ihren Gründungsjahren in den 1960er Jahren einer der großen Digitalisierungstreiber unserer Branche. Unsere vier Divisonen mit 16 Marken entwickeln Softwarelösungen entlang des gesamten Baulebenszyklus – von Planung und Design über den Bau bis hin in die Nutzungsphase. Mit unseren Produkten helfen wir unseren Kunden, ihre immer komplexer und anspruchsvoller werdenden Bauprojekte effizienter, nachhaltiger und vor allem im vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmen umsetzen zu können. Eins unserer Kernanliegen ist derzeit die Verbesserung der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gewerke entlang der gesamten Wertschöpfungskette. An den Übergabepunkten entstehen traditionell die größten „Reibungsverluste“. Diese wollen wir minimieren. Durch verbesserte Workflows, lösungs- und nutzerorientierte Produktverbesserungen und unser Engagement für die Definition, Etablierung und Nutzung offener BIM-Standards, die die Grundlage für eine barrierefreie Zusammenarbeit bildet.“
DBZ: Zukunftsfähig Bauen ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Was sind nach Ihrer Meinung die größten Herausforderungen für die Digitalisierung des Bauwesens und ist die Pandemie Beschleuniger oder Bremsschuh für Ihre persönliche Arbeit (im Bezug auf die Digitalisierung)?
Axel Kaufmann: Die größte Herausforderung ist, dass die Digitalisierung ein generelles Umdenken der Branche erfordert. Die Branche ist sehr heterogen und anders als in den USA planen deutsche Unternehmer eher konservativ als visionär. In Deutschland haben derzeit beispielsweise nur 18% der AEC-Unternehmen eine BIM-Strategie. Ein Umdenken kann oftmals nur dann erfolgen, wenn der konsequente Einsatz der digitalen Arbeitsmethode BIM (Building Information Modeling) von allen großen Auftraggebern – öffentlich wie privat – zwingend vorausgesetzt und verlangt wird. Dann idealerweise auf Basis offener Standards (Open BIM) um fairen Wettbewerb und reibungslose Zusammenarbeit zu garantieren. Die Corona-Krise hat die Digitalisierung insofern beschleunigt, da viele Unternehmen gezwungen waren, zumindest die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um digital zu arbeiten. Das ist ein guter Anfang, aber für ein generelles Umdenken natürlich nicht ausreichend, weil man nach der Krise auch schnell wieder in die „Normalität“ und damit verbunden die bekannten Arbeitsmuster zurückgekehrt ist.
DBZ: Die Digitalisierung des Bauens bedingt umfassende Umwälzungen und die Neuorganisation von Büros- und Arbeitsprozessen. Welche Unterstützung wünschen Sie sich, um die bei Ihnen anstehenden Aufgaben zu meistern?
Axel Kaufmann: Die Nemetschek Group ist seit mittlerweile sechs Jahrzehnten einer der großen Digitalisierungstreiber der Branche. Wünschenswert wäre, dass die öffentliche Hand, für viele private Bauherren und Auftraggeber ein wichtiger Gradmesser, den benötigten Kulturwandel vorleben und einfordern – durch die Verankerung von BIM auf Grundlage offener Standards bei der Ausschreibung öffentlicher Großprojekte. Das wäre ein sehr wichtiger Impuls für die Branche, die auch für einen entsprechenden „Trickle-down-Effekt sorgen würde.“ Und alle Anbieter können gemeinsam für mehr Transparenz sorgen, indem sie anhand konkreter Beispiele den Nutzen deutlicher aufzeigen. Dann würden die Hemmschwellen sinken.
Das Gespräch mit Axel Kaufmann führte Tim Westphal für die DBZ.