Im Passepartout 
B&B Hotel in Hamburg Altona

Ein wahrer Hingucker schmückt die Stresemannstraße im Hamburger Westen: NPS Tchoban Voss Architekten schufen den Rahmen für eine günstige Übernachtungsmöglichkeit – im wahrsten Sinne des Wortes

„10 x Leben“ hieß im Jahre 2003 eine Architekturausstellung im 4. Hamburger Architektursommer, die mitten in St. Pauli, in der ehemaligen Lagerhalle der Bavariabrauerei stattfand. Es war die programmatische Ouvertüre für Hamburgs Aufstieg zur wachstumsorientierten Metropole, die ihre Kraft aus Urbanität und hoher Architekturqualität ziehen will. Mit dabei waren mit der Laufnummer „06“ die Kühnehöfe in Hamburg-Bahrenfeld auf dem ehemaligen Fabrikgelände des bekannten Senf- und Essigherstellers und beispielsweise Quartiere am Hafen, in Falkenried und eben auf St. Pauli. Kurz nach der Ausstellung musste der Gewerbebau von den Architekten Silcher und Werner nach nur zehn Jahren Lebensdauer dem neuen Bavariaquartier „03“ weichen. Zusammen mit der „10“ (Falkenried) zählt es zu den Herolden der neuen Stadtquar-
tiersentwicklung Hamburgs. Die Kühnehöfe auf dem ehemaligen Terrain des Essig- und Senf-Herstellers Kühne nahmen nicht so richtig Fahrt auf, obwohl sie in die gleiche Kategorie neuer innerstädtischer Entwicklungsmaßnahmen gehören. Obwohl mit Carsten Roth und NPS Tschoban Voss der Masterplan, der sich an der kleinteili-gen Gewerbehofstruktur von Bahrenfeld orientierte, versierte Ziehväter hatte. Es gab einen klassischen Fehlstart. Erst jetzt, sechs Jahre später, nachdem ein ansehnlicher Wohnungsbau (Architekten: APB) und neben einem Bürohaus von Carsten Roth endlich das Hotel die Front an der Straße schließt, erst jetzt kommt man auf die Idee, dass ja dort ein neues Quartier entstanden ist. Ohne den Blockrandschluss waren die Kühnehöfe lange ein Torso.


Hotel mit zwei Sternen

Die neue Altonaer Dependance der französischen Billighotelkette B&B – was nicht Bed & Breakfast bedeutet, sondern sich aus dem Namen des Gründers François Branellec ableitet – füllt jetzt die lange Zeit nicht besetzte Poolposition an der Stresemannstraße aus. Die planen-den Architekten mussten zwischen zwei Gestaltungspositionen vermitteln: einerseits der Corporate Identity der Hotelkette und andererseits den backsteinernen Patchworks der berühmten Wohnhäuser von Gustav Oelsner sowie den gemischten Gründerzeitensembles Bahrenfelds. Die bisherige CI der Hotelkette war in die Jahre gekommen, da zu viel Dogmatismus der 1980er Jahre in ihr steckte. NPS Tchoban Voss Architekten haben diesen Konflikt gelöst und dabei sehr kostengünstig gebaut.


Konstruktion
Das Gebäude ist als Skelettkonstruktion in Schottenbauweise entstanden, erhielt eine zweigeschossige Tiefgarage und die Option, nach hinten ergänzt zu werden, um dann mit einem neuen Bauteil einen Hof zu bilden, so wie der Masterplan es vorsieht. Die Architekten haben eine Fassade entworfen, die sogar an Architektur minder interessierte Hotelgäste die Digitalkamera hochreißen lässt – so berichtet das Hotelpersonal.
Es ist kein Backstein-Hotel entstanden, kein Oelsner-Vassal. Die Verankerung der Fassadenarchitektur im Quartier geschieht subtiler, auch wenn es nicht in allen Fällen durchsetzbar war. Beispielsweise sollte das Drahtgeflecht der Sockelzone messingfarben gestrichen werden, was eine gelungene Reminiszenz an die Koch-und Gar-Utensilien des Senf- und Gurkenproduzenten gewesen wäre. Jetzt ist sie im Sinne des Bauherrn dezent grau gefärbt und betont das Erdgeschoss mit Eingang, Lobby und Restaurant als Fuge zwischen Boden und Hauptbaukörper. Dort mussten die Architekten alle Gestaltungsschulden einer Wärmedämmfassade auf sich nehmen. Sie haben einen massiven Putzbaukörper mit regelmäßiger Lochfassade generiert. Der Trick ist nur, dass man genau das nicht mehr wahrnimmt, im Gegenteil: Die vorbeifahrenden Autopassanten auf der hochfrequentierten Stresemannstraße können gar nicht alles erfassen, was sich auf der Fassade abspielt. Im Kern ist die Gestaltung einfach und stringent: Die Fensterbänder werden mit Passepartouts aus Aluminium eingefasst. Diese dreidimensionalen Einrahmungen sind unterschiedlich groß und breit. Das erzeugt optische Unordnung in der Struktur der Lochfassade. Und irgendwie mag im Unterbewusstsein die Botschaft herumspuken, dass ein Bild im Passepartout wertiger ist als eines ohne. Dabei ist es nur ein zusätzliches Angebot an die Wahrnehmung zur Konzentration auf den Inhalt, hier das Fenster, das in einem Rahmen steckt.
In den dunkelgrauen Putzflächen der Wärmedämmkonstruktion hat man sich eine weitere Anspielung gegönnt, die an die ehemalige industrielle Nutzung des Geländes erinnert. Es wurden klitzekleine, gläsern schimmernde Silizium-Granulate eingestreut. Wenn die Sonne scheint, entstehen bei der Passage des Gebäudes immer wieder neue Reflexionen. In sommerlichen Abendstunden wird dieser Effekt durch die eingebauten Lichtfugen in den Passepartouts noch verstärkt. Und wenn der Weiterbau der Kühnehöfe planmäßig verläuft, erhält der Hotelbau einen adäquaten „Bruder“ im Rückraum mit Büros und einem Gesundheitszentrum. Beide Baukörper zusammen werden dann das hier prägende Motiv eines öffentlichen Hofes umfassen. Die Rückfassade und baldige Hoffassade des Hotels wurde im Gegenspiel zur Straßenfront farblich umgekehrt, also mit grauen Rahmen auf weißem Grund – der Hof soll schließlich immer licht und hell wirken.

Innenausstattung des Backpacker Hostels

Bleibt ein letztes – ach so bekanntes Dilemma: Der mangelnde Zugriff auf das Interieur. Es wurde wie so häufig vom hauseigenen Innenarchitekten geliefert (hier von den Frankfurter Gruppe Designer´s House). Die Architekten bedauern den Bruch, der damit stattfindet – aber ist es wirklich einer? Design gilt häufig nur als eine nette Zugabe. Auch hier.

Hotels definieren sich durch ihre Sterne und die sind abhängig vom Komfort und der Größe der Zimmer. Die sind hier mit 12 m² so groß, wie für diese Klasse minimal vorgeschrieben. Aber sie wirken geräumiger. Zum andern sind sie preiswert, verglichen mit dem Hamburger Preisniveau, denn das Familienzimmer gibt es unter 80 €, das Doppelzimmer unter 60 €. Zudem bieten sie WLAN und SKY kostenlos. Das sind für viele Gäste wichtige Kriterien.

Man darf das B & B Hotel durchaus als Edeljugendherberge oder Backpacker Hostel betrachten und dann sehen die Zimmer im übertragenen Sinne sehr gut aus: ausgestattet mit einfachen, klar gestalteten Holzmöbeln und kräftigen Farben: Im Frühstückszimmer liegt das Niveau deutlich über so mancher Kantinenausstattung. Die Hotelzimmer leben von dem prägnanten Einfall der Designer, jeweils über dem Betthaupt den Standort des Hotels mit einer Grafik zu skizzieren. Kein Wunder, wenn in Hamburg dort Schiffe auftauchen. „Alles klar auf der Andrea Doria“ wie Udo Lindenberg singen würde. Mit der Innenarchitektur kann man sich arrangieren, die meisten Hotelgäste besuchen die Stadt und verbringen wenig Zeit im Zimmer.

Die Fassade des Hotels hat es geschafft, dass das Quartier der Kühne Höfe jetzt architektonisch wahrgenommen wird. Und haben die Architekten nicht den Beweis gebracht, dass ein Billighotel nicht billig aussehen muss? Das Gebäude von NPS Tchoban Voss zeigt, was man nicht oft genug wiederholen kann: Klimagerechte Architektur, die sich auch noch um die Qualität des Genius Loci kümmert, gibt es doch! Dirk Meyhöfer, Hamburg

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