Einfach raffiniert
Werkhalle Walter Küng AG, Alpnach OW/CH

Von 2009 bis 2013 plante und realisierte das Luzerner Architekturbüro Seiler Linhart in Alpnach in der Zentral­schweiz eine Werkhalle für das Holzbauunternehmen Walter Küng. Der Bau entstand in enger Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft und Architekten und ist eine stimmige Symbiose von Handwerk und Hightech.

Hört man den Begriff „Industriearchitektur“ erscheinen unweigerlich lieblos oder gar nicht gestaltete Kisten vor dem inneren Auge. Kommt dann noch das inflationär gebrauchte Label „corporate architecture“ dazu, wird es oftmals auch noch grell. Dass es auch anders geht, zeigt die 2013 fertiggestellte Werkhalle der Walter Küng AG in Alpnach im Kanton Obwalden.

Das Unternehmen begann 1977 als Schreinerei und wird in der dritten Generation von Stephan Küng geführt. Für die Produktion eines neuen Vollholzelementsystems benötigte man eine neue Halle. Das Elementsystem verwendet regionales Sekundärholz aus Schweizer Nadelwäldern und verbindet sie mittels Dübeln aus Buchenholz zu Blockholzplatten, die als Wand-, Boden- oder Deckenelemente eingesetzt werden können – ohne Metalle, Klebstoffe oder andere chemische Zusätze. Die neue Produktionshalle sollte diesen Aspekt der Nachhaltigkeit – regionales Material, kurze Wege, keine zusätzliche graue Energie in der Produktion –
widerspiegeln. „Wir wünschten uns eine hochstehende Architektur als Werbung für unsere Firma. Die Kunden sollen spüren können, wie wir arbeiten“, so Küng.

Lange Planungszeit zahlte sich aus

Der Auftrag für die Planung der Halle „Werk3“ ging 2009 an Seiler Linhart Architekten aus Luzern. In der Vergangenheit hatten die beiden Firmen bei verschiedenen Projekten zusammengearbeitet; man kennt und schätzt sich und teilt dieselbe Auffassung von Konstruktion.

Dem eigentlichen Bau ging eine lange Planungsgeschichte voraus: Das vorgesehene rechteckige, leicht abfallende Grundstück liegt in Ost-West-Ausrichtung gegenüber dem bestehenden Firmensitz in einem kleinen Gewerbegebiet, inmitten von Wiesen und Weiden. Um das Grundstück bebauen zu dürfen, mussten die Planer zunächst einen Quartiersplan entwickeln, der in einem langwierigen politischen Prozess 2011 genehmigt wurde. Der ausgedehnte Vorlauf erwies sich letztlich aber als positiv: Bauherrschaft und Architekten konnten Funktionen, Organisation und Ausführung bereits weit ins Detail definieren. Und das sieht man: Das Gebäude ist äußerst durchdacht, aber nicht aufdringlich gestaltet – wie raffiniert, offenbart sich oftmals erst auf den zweiten Blick.

Material- und produktionsgerechte Gestaltung

Mit einem Holzbauunternehmen als Bauherrschaft stand das Konstruktionsmaterial der Halle von vornherein fest. Tragstruktur, Wand- und Deckenverkleidungen des eingeschossigen Skelettbaus bestehen aus massivem Tannen- und Fichtenholz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern rund um den Vierwaldstättersee. Fachwerkträger aus Brettschichtholz tragen das Dach, rhythmisch angeordnete Stützen an den Außenwänden fangen die Lasten ab. Gedämmt wurde, wo nötig, mit Steinwolle.

Die Maschinen gaben die Dimensionen des Baus vor: Um die Produktionsstraße für das neue Elementsystem sowie die weitere Herstellung unterzubringen, benötigte es eine Grundfläche von 38 x 78 m.

Die Zufahrt erfolgt auf der Südseite. Drei Tore erlauben einen effizienten An- und Abtransport, eine Raumschicht aus seitlich über die gesamte Breite zugänglichen Lagerräumen bietet Witterungsschutz. Die Öffnungen nutzen das natürliche Gefälle: Das größte Tor liegt an der niedrigsten Stelle, so können die geschosshohen Holzelemente abtransportiert werden, ohne dass es einen Höhenversatz im Dach gibt. Das Dach selber ist ein Hybrid aus Shed- und Pultdach und Blickfang des Baus: Mit einer fächerförmigen Lattung vor dunklem Windpapier erinnert die Dachuntersicht an die Lamellen von Pilzen. Und wie ein Pilz behütet das Dach den Sockel: Die Auskragung von über 2 m dient als konstruktiver Holzschutz für die Fassade aus Holzschindeln. Als gestalterischer Kniff bricht es die Mächtigkeit der im First 12 m hohen eingeschossigen Halle und gibt ihr eine dem Gewerbegebiet angepasste Maßstäblichkeit.

Interessant sind die beiden Stirnseiten: Während die Latten auf der Westseite einen Giebel bilden, sind sie ostseitig rautenförmig angebracht. Durch die doppelte Schräge ist jede Latte ein Unikat – CAD und CNC machen es möglich. Drei nach Norden ausgerichtete Oberlichter erlauben natürliches Licht im Inneren, eine direkte Sonneneinstrahlung würde die Holzprodukte verfärben. Fensterbänder an Ost- und Westfassade erlauben von außen den Blick in die Produktion. Sie werden ergänzt durch mittig zwischen die Stützen eingepasste Einzelfenster an der Nordseite.

Neben dem Dach ist auch die Fassade aus sägerauen Schindeln ein Hingucker. Sie lehnt sich in ihrer Erscheinung an die benachbarten Landwirtschaftsgebäude an. Aber eben nur „anlehnen“, denn die einzelnen Schuppen sind innerhalb der bestehenden Proportionen auf Länge 800 x 350 x 26 mm vergrößert. Die Breite ist ein Standardmaß – ein weiterer Kunstgriff, der die Dimensionen der Halle auf ein menschliches Maß herunterbricht. Die massiven Schindeln sind gebürstet, was eine gleichmäßige Verwitterung bewirkt. Das funktioniert: Auch drei Jahre nach Inbetriebnahme wirkt der Bau wie frisch gestellt. Geschickt sind die Ecken gelöst: Die Verzahnung ist eine funktionierende konstruktive Lösung und gleichzeitig eine Referenz an die handwerklichen Wurzeln des Unternehmens.

Kluge und sorgfältige Details im Inneren

Die sorgfältige Detaillierung setzt sich im Inneren fort. Für eine Industriehalle wirkt der Raum ruhig, sowohl visuell als auch akus-tisch. Für ersteres sorgt zum einen die Form: Von den äußeren Schrägen ist im Inneren nichts zu sehen. Zum anderen kommt die Reduktion im Material dazu. Fast alles ist aus Holz, sogar die Kranbahn für die Produktionsstraße ist ein horizontaler Holzträger. Der glatte Monobetonboden korrespondiert farblich mit dem Grau der Maschinen. Das in die Fugen der hölzernen Wandverkleidung eingefügte Akustikvlies sorgt für eine angenehme Raumakustik.

Geheizt wird mittels Heizschlaufen in der Bodenplatte – Heizkörper würden in der Holzverarbeitung zu viel Staub produzieren. Die Wärme dafür stammt aus der Holzschnitzelanlage des Wärmeverbunds der Korporation Alpnach auf dem Nachbargrundstück. Die Holzschnitzel wiederum gelangen mittels Gebläse direkt von der Halle ins Heizkraftwerk. Eine auf der Dachfläche installierte Photo­voltaikanlage erzeugt übers Jahr gerechnet ebenso viel Strom, wie im Werk benötigt wird.

Gegenseitige Wertschätzung

So ungewöhnlich wie der Bau selber war auch die Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft und Architekten. Letztere wirkten als Fach­leute für die Gestaltung und Planung, erstere waren, im Hinblick auf die Tragkonstruktion unterstützt durch einen Holzbauingenieur, für die konstruktive Umsetzung zuständig. Außer den Brettschicht-Fachwerkträgern wurde alles im eigenen Betrieb hergestellt. „Das große Fachwissen der Bauherrschaft zum Thema Holz hat im Prozess immer wieder zu innovativen und interessanten gemeinsamen Lösungen geführt“, sagt Architekt Søren Linhart.

Die hohe Eigenleistung schlug sich auch positiv in den Kosten nieder, ebenso wie die lange Planung. So wurde beispielweise auf eine Pfahlgründung verzichtet, weil das Gebäude optimal ins Gelände eingepasst werden konnte.

Längerfristig ist die Expansion der Firma geplant. Sollte es zukünftig so weit sein, wird aber nicht weiter- , sondern neu gebaut werden. Und mit dem Fortschritt der Technik ist dann vielleicht auch schon eine Halle im firmeneigenen Vollholzsystem möglich. Tina Cieslik

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