Verwaltungsbau der Firma Küng, Alpnach/CH
Die Lust auf Holz im Hochbau ist groß. Immer neue Rekorde werden vermeldet, ob hinsichtlich der Art des verwendeten Holzes oder bezogen auf die erreichten Höhen im Neubau mit vorgefertigten Elementbau-Teilen. Über lange Zeit ist Holz dabei besonders als rahmendes Material genutzt worden, ausgefacht, oder im Holz-Hybrid-Bau statisch ertüchtigt im Verbund. Dass Holzbau auch äußerst massiv geht, beweist der firmeneigene Neubau der Alpnacher Küng Holzbau AG, wenige Kilometer südlich von Luzern.
Text: Katinka Corts
Die Solaranlage auf dem Dach der Werkstatt versorgt die Maschinen, Wärme wird aus der benachbarten Holzverbrennung bezogen, in die Küng auch das Restholz gibt
Foto: Rasmus Norlander
Im Kanton Obwalden sind die Holzbauer Küng seit zwei Generationen ansässig. Vom Vater Walter übernahm der Sohn Stephan 2017 die Geschäftsführung. Bis dahin hatte sich das Unternehmen bereits einen Namen gemacht, doch die Pläne des Sohnes zielten noch in eine andere Richtung: Er begeisterte sich für den massiven Holzbau und entwickelte, angelehnt an ein ähnliches Verfahren aus Österreich, ein tragendes Vollholz-Wandsystem. Dieses kann in seiner Erscheinung nach Kundenwunsch gefertigt werden und erlaubt Bauten mit bis zu fünf Geschossen. Um diese Vollholzelemente herstellen zu können, beauftragte Stephan Küng 2013 das Luzerner Architekturbüro Seiler Linhart mit dem Bau einer entsprechenden Werkhalle gegenüber dem ursprünglichen Firmensitz.
Für einen guten Energiehaushalt und angepasst an den Ort ist der Baukörper kompakt und fast quadratisch gehalten. Französische Fens-terformate lassen viel Wandfläche, die als thermisch träge Masse wirkt
Foto: Rasmus Norlander
Mit dem Erfolg des Bausystems wuchs auch das Unternehmen und neue Räumlichkeiten wurden benötigt. Erneut kamen Seiler Linhart zum Zug und Stefan Küng beauftragte die Architekten mit dem Bau eines mehrgeschossigen Verwaltungsbaus auf dem Firmengelände. Umgeben von klassischen Gewerbebauten fallen Werk- und Verwaltungsbau heute aus der Reihe. Nicht nur rein auf die Funktion geplant, stellen sie vielmehr die Architektur und die detailgenaue Verwendung des Materials Holz, orientiert an klassisch ländlichen Bauweisen, in den Vordergrund.
Der Laubengang ist lediglich mit 7 cm starken Eichenbrettern gebaut, er schützt die dahinterliegende Fassade aus Fichtenholz vor der Witterung und reduziert zugleich den Hitzeeintrag in die Räume
Foto: Rasmus Norlander
Zweites Leben für Sekundärholz
Dass der Verwaltungs- und Repräsentationsbau mit eben jenem Vollholzsystem gebaut werden sollte, verstand sich von selbst. Doch wie ist dieses konstruiert? Sieben Lagen von 30 x 120 mm messenden und unterschiedlich langen Brettern werden dafür kreuzweise zum Gitterträger geschichtet. Alles verwendete Holz stammt aus der Region. Die äußeren Lagen bestehen aus hochwertigem Bauholz, die inneren aus Sekundärholz. Das macht die Methode einzigartig: Ast- und Fraßlöcher sowie Unebenheiten im minderwertigen Holz werden zur willkommenen zusätzlichen, lufthaltigen Dämmung.
Auf dem Gelände gibt es bereits eine Werkhalle von Seiler Linhart Architekten. Der neue Verwaltungsbau ergänzt das Ensemble
Foto: Rasmus Norlander
Ganz ohne Leim erfolgt die Verbindung: Durch alle Schichten hindurch werden an den Kreuzpunkten 12 mm starke Löcher gebohrt, in die im Anschluss wenige Millimeter dickere und angefeuchtete Buchendübel geschossen werden. Die so entstandene Verbindung steift das 21 cm starke Bauteil auf große Längen aus, ist dauerhaft und das gesamte Element bleibt sortenrein. „Die Holzelemente kann man später problemlos demontieren und als Bauholz wiederverwenden. Schlimmstenfalls wird es als Brennholz genutzt“, erklärt Architekt Søren Linhart. „Auf jeden Fall ist es kein Verbundelement oder chemisch behandelt und führt so nicht zu Schwierigkeiten bei der Entsorgung.“ Anschließend werden Türen und Fenster aus den Elementen ausgeschnitten, Leitungskanäle eingefräst und Oberflächen veredelt. Gegenüber dem leichten Rahmenbau wartet das Vollholzelement mit einer hohen natürlichen Dämmfähigkeit auf und verlangsamt den Energieaustausch durch die Gebäudehülle. Im Inneren des Verwaltungsbaus herrscht so ein gutes und konstantes Klima, ganz ohne technische Lüftungsanlagen.
Der Knotenpunkt von Zugbalken und den auskragenden Stichbalken ist so konstruiert, dass die Balkenköpfe witterungsgeschützt sind
Foto: Rasmus Norlander
Gegenwelten
Auf der Seite des Werkhofs befindet sich der Haupteingang in das Gebäude, durch den man in einen doppelgeschossigen Luftraum mit Empfang rechts und Besprechungstisch links gelangt. Auch die Mitarbeitenden wurden bedacht und erhielten im Erdgeschoss einen großzügigen Raum für Pausen, der künftig noch um einen beschatteten und begrünten Außenbereich ergänzt wird.
Die Mitte des sonst vollständigen Holzbaus mit sägerauen Wänden aus Weißtanne dominiert ein Kern aus sandgestrahltem Beton, der sich wie eine Skulptur durch die Geschosse zieht. In ihm eröffnet sich eine atmosphärische Gegenwelt zum hellen Holzbau: Fast kein rechter Winkel findet sich hier, die steile Betontreppe variiert in der Breite. Beton ist gießbar, und das sollte hier sichtbar werden. Treppenaugen, die sich auf die Lichtachsen beziehen, lassen Auf- und Durchblicke zu.
Die detailgenaue Verwendung des Materials Holz, orientiert an klassisch ländlichen Bauweisen und tritt deutlich in den Vordergrund.
Foto: Rasmus Norlander
Insgesamt ist das Gebäude einfach aufgebaut – und doch bis ins Detail geschickt ausformuliert: Der thermisch wirksame Ortbeton-Kern nimmt in den Geschossen die Treppen sowie die Sanitär- und Technikräume auf. Um ihn herum befindet sich der in alle Richtungen 4,20 m breite Kranz, in dem die Büro- und Besprechungsräume mit nicht tragenden Wänden voneinander getrennt sind.
Mehrfeldträger ab Werk
Die Geschossdecken sind Mehrfeldträger aus Buchenholz. Über Eck ruhen pro Etage jeweils vier von ihnen wie ein Winkel auf den tragenden, 42 cm starken Doppelwänden außen und innen auf Gesimsen, die beim Guss des Betonkerns bereits geschalt wurden. Dass hier mit derlei massiven Platten gebaut werden konnte, ist ein Glücksfall und dem Umstand geschuldet, dass Werkhalle und Baustelle direkt nebeneinander liegen. „Die Deckenelemente hätten wir aufgrund Ihrer Größe nicht auf einer öffentlichen Straße transportieren können, mit dem Kran hingegen konnten sie etagenweise vom Werk auf die Baustelle gehoben und an den richtigen Stellen platziert werden“, so Søren Linhart. Sobald die nächste Außenwandschicht aufgerichtet war, wiederholte sich das Verfahren bis hoch zum Dach.
Hinter dem Haupteingang befindet sich ein doppelgeschossiger Luftraum mit Empfang rechts und Besprechungstisch links
Foto: Rasmus Norlander
Dort krönt das Treppenhaus eine Laterne aus dunkel lackiertem Holz (der einzige Ort im Gebäude, an dem Holz lackiert wurde) und mit transluzenten Gläsern. Auf einer Seite ist die verglaste Wand der Laterne gedoppelt. Im entstandenen Zwischenraum gelangt die Abluft der Küchen- und Sanitärbereiche aus dem Gebäude. Gleichzeitig bringt der doppelte Laternenkranz indirektes Licht in Treppenhaus und Ausstellungsraum. Dieser umläuft in der vierten Etage den Betonkern komplett und ist mit Holzboden und Kamin wohnlich gestaltet. Große Tische stehen bereit für den Austausch mit Kunden, außerdem sind hier zahlreiche Modelle und Muster zu sehen. Eines Tages werden hier Seminare und Veranstaltungen stattfinden, bei denen Interessierte nachhaltige und wohngesunde Materialien und Bautechniken kennen- und schätzen lernen. Viele Proben und Modelle sind heute schon da und zeigen, dass Holzbau bis ins Detail massiv und ohne Verleimungen möglich ist.
Von der Freude am gut
gelösten Detail zeugen
die skulpturale Form des
Betonkerns genauso wie
die im Modell überlegte Gestaltung der gegossenen Betonkamine
Foto: Rasmus Norlander
Die zwei darunter liegenden Geschosse sind als reine Büro-etagen mit Einzel- und Besprechungszimmern konzipiert. Die kompakten Büros können mit einer Schiebetür vom Gang getrennt werden, der um den Betonkern herum verläuft. Die Arbeitsräume haben Seiler Linhart jeweils mit einem höhenverstellbaren Tisch – ein eigens entwickelter Low-Tech Mechanismus – auf der einen und einem individuellem Steckschrank-System auf der anderen Seite versehen. Gegenüber der Tür gelangt man durch die bodentiefe Glastür auf den vorgelagerten Laubengang, der auf den drei oberen Etagen das Gebäude umläuft.
Diverse Öffnungen inszenieren den Weg nach oben. Hier der Blick aus dem Treppenhaus im Gebäudekern in den Luftraum des Empfangsbereichs
Foto: Rasmus Norlander
Schützende Konstruktion
Der Laubengang ist lediglich mit 7 cm starken Eichenbrettern gebaut, er schützt die dahinter liegende Fassade aus Fichtenholz vor der Witterung und reduziert zugleich den Hitzeeintrag in die Räume. Leichte Vorhänge an den Fenstern müssen daher nur noch für den Blendschutz sorgen. Angepasst an den benötigten Witterungs- und Sonnenschutz verjüngen sich die Laubengänge vom Dachgeschoss abwärts. Auch für deren Tragkonstruktion wählten die Architekten robustes Eichenholz.
Die Holzeinbauten am Betonkern sind aus schwarz geöltem Eichenholz gefertigt. Für alle anderen Möbel und
Einbauten wird naturbelassenes und astfreies Weißtannenholz verwendet
Foto: Rasmus Norlander
Der Knotenpunkt von Zugbalken und den auskragenden Stichbalken ist so konstruiert, dass die Balkenköpfe witterungsgeschützt sind. Nach etwas mehr als zwei Jahren Standzeit zeigt sich ein sehr schönes Alterungsbild: Die Eichenkonstruktion wird gleichmäßig dunkler, während das Holz der Fassade durchgängig in hellem Ton geblieben ist. „Für uns Architekten war es eine ideale Ausgangslage, mit der Firma Küng als Bauherrschaft und Holzbauer zu arbeiten und so z. B. die Laube ausschließlich mit Eiche konstruieren zu können und nicht konventionell mit Holzrost, Distanzhalter, Abdichtungsbahnen und Gefälledämmung planen zu müssen“, erinnert sich Linhart.
Mehrwehrt Baugesundheit
Das sehr handwerkliche Projekt begeisterte auch die Mitarbeitenden. Jemand schnitzte die Negativschalung für die hölzerne Lilie, die nun als Beton-Positiv die Kamine bekrönt. Andere stampften an einigen Wochenenden mit selbstgebauten Stößeln den 12 cm starken Sumpfkalkboden, der auch in alten Bauernhäusern zu finden ist und nun den Empfangsraum fugenlos durchzieht. Mit dem Alpnacher Verwaltungsbau haben Architekten und Bauherrschaft bewiesen, dass sortenreiner Holzbau ohne Chemie auch auf mehreren Etagen möglich ist. Rund 10 – 15 % sei das teurer als die herkömmliche Rahmenbauweise, mache sich aber hinsichtlich Baugesundheit und angenehm temperierter Innenräume deutlich bezahlt. „Es ist wichtig, bei Holzkonstruktionen genauer zu fragen, was darin verbaut ist und wie man sie später wieder auseinandernehmen kann“, so Linhart. „Diese Fragen werden wir in der Zukunft immer mehr beantworten müssen – es reicht nicht, Holzbau generell als Lösung für Klimafragen zu fordern.“
Die kompakten Büros können mit einer Schiebetür vom Gang getrennt werden, der um den Betonkern herum verläuft
Foto: Rasmus Norlander
Seiler Linhart Architekten
Patrik Seiler, Søren Linhart
www.seilerlinhart.ch
Foto: Christian Helmle
Projektdaten
Objekt: Bürohaus Küng
Standort: Alpnach/CH
Typologie: Bürobau
Bauherrin: Küng Holzbau AG, Alpnach/CH
Nutzerin: Küng Holzbau AG, Alpnach/CH
Architektur: Seiler Linhart Architekten,
Luzern/Sarnen/CH, www.seilerlinhart.ch
Projektleiter: Raphael Wiprächtiger
Bauleitung: Küng Holzbau AG, Alpnach/CH,
www.kueng-holz.ch/de
Bauzeit: 06.2016 – 04.2021
Zertifizierungen: MuKEn 2014
Grundstücksgröße: 7 866 m²
Nutzfläche gesamt: 1 225 m² (Geschossfläche)
Nutzfläche: 1 035 m²
Technikfläche: 50 m²
Verkehrsfläche: 140 m²
Brutto-Rauminhalt: 5 042 m³
Baukosten:
Gesamt brutto: 3,5 Mio. CHF
Fachplanung
Tragwerksplanung: ZEO AG Ingenieurbüro, Alpnach/CH (Massivbau), www.zeo.ch; Küng Holzbau AG, Alpnach/CH (Holzbau), www.kueng-holz.ch
TGA-Planung: Langensand AG, Alpnach/CH,
www.langensand-ag.ch
Fassadentechnik/Akustik/Brandschutz: Küng Holzbau AG, Alpnach/CH (Holzbau), www.kueng-holz.ch
Innenarchitektur/Lichtplanung: Seiler Linhart Architekten, Luzern/Sarnen/CH, www.seilerlinhart.ch
Elektroplanung: Elektro Ettlin, Alpnach/CH,
www.elektro-ettlin.ch
Energie
Jahresheizwärmebedarf: nach PHPP/EnEV
110.9 MJ/m2a
Energiekonzept: Vollholzwände (ohne zusätzliches Dämmmaterial, Vollholzdecken, Betonkern (unverkleidet), Kaminwirkung des Kernes zur Lüftung (Lüftungsklappen in der Laterne über dem Kern).
Haustechnik: Low Tech, keine mechanische Lüftung, kein außenliegender Sonnenschutz. Sonnenschutz über umlaufende Lauben. Öffnungsanteil der Fassade sehr klein, deshalb wenig Energieeintrag im Sommerhalbjahr. Sehr hohe thermisch aktive Masse im Gebäudeinnern (Vollholzwände, Betonkern), daher hohe passive Klimaregulierung.
U-Werte Gebäudehülle:
Außenwand = 0,18 W/(m²K)
Bodenplatte = 0,35 W/(m²K)
Dach = 0,14 W/(m²K)
Fenster (Uw) = 1 W/(m²K)
Herstellerfirmen
Beleuchtung: Eigenbau, www.seilerlinhart.ch
Bodenbeläge: Küng Holzbau AG,
www.kueng-holz.ch/de
Dach: Prefa, www.prefa.ch
Fassade/Außenwand/Wärmedämmung: Küng Holzbau AG, www.kueng-holz.ch/de
Fenster: Gawo Gasser AG, www.gawo.ch
Innenwände/Trockenbau/Möbel: Küng Holzbau AG, www.kueng-holz.ch/de
Sanitär: Laufen, www.laufen.ch
Türen/Tore: Küng Holzbau AG,
www.kueng-holz.ch/de