Ingenieurbaukunst im
Holzbau
Neue Aufgaben und Trends
Der Holzbau empfiehlt sich für viele neue Aufgabenfelder, die bisher Bastionen anderer Konstruktionsformen waren. So entstehen derzeit Objekte, die in ihren Bautypologien Wegweiser für die Zukunft werden dürften. Neben den wesentlichen Entwicklungen, die durch das nachhaltige Bauen angetrieben sind, gibt es spannende Aufgaben im Bereich des mehrgeschossigen Bauens mit Holz und in der technischen Umsetzung bionischer Architekturentwürfe.
Das Konstruktionsmaterial Holz hat viele positive Eigenschaften - das ist schon lange bekannt. Die sich aus den Weltklimakonferenzen entwickelnden Klimaziele der EU formulieren einen absehbaren Trend zu „Zero-Emission-Gebäuden“ bis zum Jahr 2019. Zero = Null bezieht sich hier sowohl auf die entstehenden Emissionen aus dem Gebäudebetrieb als auch auf die Emissionen der gewählten Materialien für die Gebäudeerstellung. In beiden Bereichen empfiehlt sich Holz bestens. Sehr gute Wärmedämmeigenschaften bereits in der Primärkonstruktion und die Gewinnung des Rohmaterials aus nachhaltiger Forstwirtschaft bescheren eine durchweg positive Umweltbilanz.
Mehrgeschossiges Wohnen in Verdichtungsräumen in Holzgebäuden wäre bis vor nicht all zu langer Zeit noch undenkbar gewesen. Besonders Baugruppen empfinden die Wohnraumqualitäten von Holzgebäuden überzeugend und sehen die energetischen Eigenschaften und den CO2- Footprint dieser Gebäude als klaren Vorteil gegenüber herkömmlichen Massivbauten. Gerade in Berlin, der „steinernen Stadt“, ist jetzt der Durchbruch geschafft worden. Derzeit befinden sich in Berlin ein vier- und ein fünfgeschossiger Wohnbau in der Realisierungsphase, während das große Ausrufezeichen mit Kurznamen „C13“ in naher Zukunft starten wird: In einer Baulücke entstehen dann 2 500 m² Netto-Nutzfläche, auf sieben Geschossen im Vorderhaus und fünf Geschossen im Hinterhaus. Zur Realisierung dieser Gebäudetypologie hat die Ochs GmbH mit dem Berliner Architekturbüro Kaden & Klingbeil eine Arbeitsgemeinschaft gegründet.
Außen liegende Betontreppenhäuser und Holzkapselungen bis K60 mit Gipsbauplatten sind im mehrgeschossigen Holzbau dem Brandschutz geschuldet, der nach wie vor zu den großen Herausforderungen im Holzbau zählt. Die gemischte Nutzung von C 13 mit Lehrräumen, Arztpraxen und Wohnräumen stellt eine zusätzliche Erschwernis für die komplexe Aufgabe dar. Als optimale Materialkombination werden Holzbetonverbunddecken eingesetzt, bei denen sich die Material-
eigenschaften von Holz und Beton ergänzen und somit geringe Aufbauhöhen zulassen. Im Holzbausystem wird den jeweiligen statischen Anforderungen entsprechend kombiniert. So wird im siebengeschossigen Vorderhaus mit Dickholzelementen konstruiert, während im Gartenflügel auf eine Rahmenkonstruktion zurückgegriffen wurde.
Wie im Wohnungsbau werden auch beim Bau von Bildungseinrichtungen die Eigenschaften des Werkstoffes Holz geschätzt. Holz als oberflächenwarmer Baustoff vermittelt eine einzigartige Wohlfühlatmosphäre, auf die besonders Kinder nachweislich positiv reagieren. Neben Kindertagesstätten, Jugendzentren, Kindergärten und Schulgebäuden/Erweiterungen hat sich besonders das Segment der betrieblichen Kindertagesstätten als Geschäftsfeld etabliert. Wo bei vielgeschossigen Wohngebäuden statische Feinheiten zu einer differenzierten Wahl der Konstruktionsmethoden führen müssen, sind gerade im Bildungsstättenbereich energetische Aspekte und die Nutzersicherheit von großer Bedeutung. So können diese Gebäudeformen effizient im gewöhnlichen Holzrahmenbau, mit Holzbalkendecken und einem Materialmix in den Fassaden erstellt werden. Besonders in den Deckensystemen kommen vermehrt Vollholzvarianten zum Einsatz, da hier eine gute Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann.
Neben den eher sachlichen Projekten, die von geraden Linien und klassischer Architektur geprägt sind, zeichnen sich andere Vorhaben durch eine hohe emotionale Komponente aus. Hier beginnen die Linien zu schwingen. Der Entwurf folgt Vorbildern aus der Natur, die keinen rechten Winkel kennt. Blankes Entsetzen beim Holzbauer? Keineswegs!
Das Schwimm- und Erlebnisbad im lu-
xemburgischen Strassen wurde im Frühjahr 2009 nach zweijähriger Planungs- und Bauzeit eröffnet. Zuvor wurden hier unter anderem 570 m³ Brettschichtholzbinder, 4 500 m² vorgefertigte Deckenelemente und drei Brückenkonstruktionen mit Spannweiten von 18 bis 42 m konstruiert und eingebaut. Der Rohbau wurde als elliptischer Paraboloid auf einer Grundfläche von 120 m x 75 m und einer Höhe von 18 m erstellt. Wegen der wechselnden Radien konnte kaum ein Bauteil wie das andere gefertigt werden. Trotz der geometrisch bedingten Formenvielfalt war es also die größte Herausforderung, eine Grundkonstruktionsmethode mit wiederkehrenden Anschlussdetails zu entwickeln und einen intelligenten Montageablauf zu planen. Das Dach wurde auf 4 500 m² als Foliendach mit Photovoltaikmodulen ausgebildet und auf weiteren 5 500 m² mit Aluminiumschindeln eingedeckt. Ein reibungsloser Arbeitsablauf bis zur geschlossenen Gebäudehülle konnte gewährleistet werden, weil auch die konstruktiven Fassadenarbeiten mit 2 600 m² Pfosten- und Riegelkonstruktion, die Verglasungsarbeiten und die Fensterarbeiten aus einer Hand ausgeführt wurden.
Bei derartig anspruchsvollen Projekten ist eine besonders enge Zusammenarbeit von konstruktiv denkenden Ingenieuren und den Form gebenden Architekten von herausragender Bedeutung. Nur wenn es gelingt, durch die Konstruktion mit all ihren Schwierigkeiten den Kern des Entwurfes herauszuarbeiten, wird das Ergebnis exzellent sein. So muss immer wieder geprüft werden, ob Optimierungen oder Alternativideen seitens des Konstrukteurs mit den Gestaltungsabsichten des Architekten harmonieren. Oft ein schwieriger Prozess, der aber besonders dann erfolgreich verläuft, wenn ein gegenseitiges Verständnis aufgebaut werden kann.
Genau diese Prämisse galt auch für das Projekt auf der Rheinspitze in Düsseldorf. Als Pünktchen auf dem i könnte man den Pavillon vor dem neu entstandenen Hyatt-Komplex bezeichnen. Der anspruchsvolle Architektenentwurf von JSK Architekten bezieht seine Formgebung aus der räumlichen Umgebung - nämlich der Mündung eines Hafenarms in den Rhein. Das Pebbles (engl. für Rheinkiesel) wird gastronomisch als Champagner-Lounge genutzt und bietet eine 360° Panorama Ansicht über den gesamten Medienhafen. Seit seiner Fertigstellung glänzt der Pavillon an exponierter Stelle am Rheinufer wie ein Wassertropfen im Sonnenlicht.
Die Konstruktion erinnert an einen umgekehrten Schiffsrumpf, denn die montierten Spanten wurden mit einer aufgebogenen Schalung „überzogen“. Auf eine in zweiter Ebene (Hinterlüftung) aufgebrachte Rauspundschalung sind als Außenhaut polierte Edelstahlschindeln mit R2 Oberfläche aufgebracht worden. Hier musste jede einzelne Schindel in Handarbeit vor Ort angepasst werden. Kontinuierlich wechselnde Radien in allen drei Dimensionen hoben die geometrische Komplexität der Aufgabe auf das höchste Level. Unregelmäßige Binder wurden als Spanten aus Dreischichtplatten angefertigt. Nur mit dem notwendigen Know-how und der dazugehörigen High-Tech-Abbundhardware sind derartige Herausforderungen wirtschaftlich realisierbar.
Vom Wassertropfen über den Baum zum Wald. Dies ist die Überleitung zu einem weiteren Beispiel für die gelungene Umsetzung eines bionischen Architekturentwurfes. Der „treehugger“ bildet das Eingangsportal zur Bundesgartenschau 2011 in Koblenz. Es handelt sich hier um ein Projekt der Handwerkskammer Rheinland- Pfalz, das auf Grund seiner herausragenden Signalwirkung den Holzbau befördern wird. Der Pavillon wird mit Ausstellungen und Workshops als Aushängeschild der BUGA 2011 fungieren und so auf die Attraktivität des Formenreichtums im Holzbau aufmerksam machen. Mehrteilige, tordierte, schräg verlaufende Stützen ragen aus einer dem natürlichen Blatt entliehenen Struktur und tragen eine wabenförmig ge
gliederte Dachkonstruktion. Sowohl die Plattform als auch die Deckenstruktur sind aus einem Algorithmus abgeleitet und zeigen, wie das natürliche Vorbild, logische Wiederholungen bzw. Symmetrien. Bereits im CAD-Entwurf wurden räumliche Koordinaten für alle Knotenpunkte entwickelt. Konisch geschnittene Stäbe, aufwändige Knotenpunkte - auch hier ein Entwurf ohne rechten Winkel. Neben dem reinen Holzbau-Know-how erwies sich hier die Kompetenz im Umgang mit Entwurfs-, Konstruktions- und Fertigungssoftware als ein wichtiger Aspekt für die Umsetzung der komplexen Planung. 640 lfm Brettschichtholz werden derzeit in über 480 Knotenpunkten mit 12 300 Stabdübeln erfolgreich verbunden. Der Pavillon lässt bereits jetzt erkennen, dass auch hier der Entwurfsgedanke nachvollziehbar umgesetzt wird - der „abstrahierte, gebaute Wald“ entsteht.
„treehugger“ ist ein gemeinsames Forschungsprojekt des Kompetenzzentrums für Gestaltung, Fertigung und Kommunikation der Handwerkskammer Koblenz und des Lehrgebiets Digitales Konstruieren und Entwerfen des Fachbereichs Gestaltung der FH Trier. Nach der BUGA 2011 soll der Pavillon demontiert und am Neubau des Zentrums für Ernährung und Gesundheit (ZEG) der Handwerkskammer Koblenz wieder errichtet werden, wo er für Ausstellungen und Vorträge genutzt werden wird.
„treehugger“ ist als Holzkonstruktion modular konzipiert, um sowohl den Aufbau unter den Bäumen zu vereinfachen als auch die teilweise komplexe Geometrie vor allem der baumartigen Stützen konzeptionell und konstruktiv schlüssig umsetzen zu können. Dabei ist die sehr rigide punktsymmetrische fünfeckige Kachelung, die gleichzeitig als konstruktives System und räumliches Ornament dient, von großer Bedeutung. Hierbei zeigt sich vor allem das Blätterdach als interessante Referenzebene: der Blick nach oben erscheint für die atmosphärische Qualität des Pavillons interessanter als horizontale Blickbezüge zur Umgebung. Aus diesem Grund werden Raumorganisation, Tragkonstruktion und Baukonstruktion an fünf Stellen durch die dreidimensionale Verformung des Rasters zu einem System verschmolzen. Die dabei entstehenden Stützen eröffnen den Blick in die Bäume und verweben Boden und Decke zu einer Fläche.
Informationen:
Die Fa. Ochs GmbH engagiert sich europaweit in der Entwicklung des nachhaltigen Holzbaus und der Zertifizierung der Umweltverträglichkeit von Holzbauprodukten. Aus diesem Grund beteiligt sie sich in einem österreichisch-deutschen Konsor-tium an dem EU-Projekt „eco2building“. eco²building ist das erste Passivhaus-Modulbausystem für Gewerbe- und Industriebauten in Holzbauweise und wurde im Rahmen des EU-Projekts Holiwood ent-
wickelt. Das modulare Baukonzept wurde auf der BAU 2011 erstmals vorgestellt. eco²building steht für ökologische und ökonomische Hallenlösungen, sowie höchste Gestaltungsfreiheit, Nutzungsflexibilität und eine auf die Corporate Identity des jeweiligen Unternehmens abgestimmte Architektur.
Informationen: www.eco2building.com