„Integrale Planung im Zusammenspiel von Architekt und Fassadenbauer“
Dipl-Ing. Klaus Lother zum Thema „Fassade“

Im nachhaltigen Bauen übernimmt die Gebäudehülle eine Schlüsselfunktion. Über die Fassade werden Tageslicht, Wärmeeintrag, Sonnenschutz und Klimatisierung gesteuert. Neben vielfältigen technischen Funktionen erfüllen moderne Fassaden komplexe gestalterische Anforderungen wie freie Formen und verwenden neue Materialien. Diese Entwicklung berührt auch die Planung von Gebäuden. Wie können Wissen und Erfahrung von Fassadenbauern optimal genutzt werden? Welche Rolle spielen Bauherren, Architekten, Planer und Ausführende in der Planung?

In Deutschland werden Fassadenbauer in der Regel als ausführendes Gewerk und weniger als Partner gesehen. Architekten fragen im Vorfeld häufig nach Machbarkeit und Kosten einer Fassade. Aber bis zur Ausschreibung erfolgt wenig Feedback und selten eine gemeinsame Planung. Bauherrn vertrauen vielmehr auf das theoretische Wissen der Fassadenplaner und scheuen sich, mit ausführenden Unternehmen frühzeitig zu reden. Die Erfahrungen von Herstellern wie Fassadenbauern bleiben bei diesem additiven Planungsprozeß meist ungenutzt.

Vor allem im Ausland ist man dagegen offener und nutzt frühzeitig das Know-how erfahrener Fassadenbauer. Denn deren Kompetenz lebt davon, dass sie auch selber bauen. In England wird meist länger und intensiver geplant, in den USA ist dieser Prozeß meist unbestimmter. Und Fassadenbauer werden für diese Planungsarbeiten auch bezahlt. Neben dem Bauherren, dem Generalunternehmen und dem Architekten sitzen Planer und Ausführende mit am Tisch. Der Planungsprozess wird vom Architekten stärker gelenkt, der auch gerne Impulse des Fassadenbauers aufgreift – selbst wenn sie architektonische Fragen berühren. Über diese offene, direkte und konstruktive Zusammenarbeit in einer frühen Phase wird Vertrauen aufgebaut. Viele Probleme am Bau lassen sich deshalb später vermeiden oder zumindest schneller lösen.

Für die integrale Planung müssen Rahmenbedingungen, Nutzungserwartungen, Budgets und Zeitpläne klar definiert und kommuniziert werden. Alternative und nachhaltige Fassadentechnologien, der Einsatz neuer Materialien wie Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) oder komplexer Siebdruck erfordert meist frühe und schnelle Muster und Tests. In England wird im Integrierten Design Prozess sehr auf die aktive Einbindung aller Teammitglieder bei allen Phasen des Projekts geachtet, um die besten Detaillösungen zu finden. So wird ein Miteinander der am Bau Beteiligten gefördert.

Warum nutzen wir eigentlich in Deutschland solche positiven Erfahrungen kaum? Neben Fassadenplanern wären beispielsweise Fassadenbauer frühzeitig und kontinuierlich in die Planung einzubeziehen. Weder die Vergabehoheit noch die Vergabeentscheidung würden dadurch eingeschränkt, und es würde ziel- beziehungsweise praxis-orientierter geplant. In einem konstruktiven Ideenwettbewerb lassen sich meist die besten gestalterischen und technischen Lösungen finden, um die Konstruktion zu optimieren, Material einzusparen oder die energetischen Werte zu optimieren. Auch Kostensicherheit, Termintreue und Qualität würden verbessert.

Gerade im nachhaltigen und wirtschaftlichen Bauen bietet der Fassadenbau viele neue Technologien wie die Closed Cavity Façade (CCF) als geschlossener zweischaliger Fassade, von Photovoltaik, Lüftungsgeräten und neuen Materialien. Schließlich beeinflusst die Gebäudehülle wesentlicht die Frage, ob Menschen in einem Gebäude komfortal leben und effizient arbeiten können. Logistik, Montage, Wartung und Service können beispielsweise mit radio-frequency identification (RFID) wesentlich verbessert werden. Um solche Vorteile des modernen Fassadenbaus zu nutzen, sollte integriert geplant und der Fassadenbauer in einer frühen Planungsphase einbezogen werden.

Der Fassadenbauer

Dipl-Ing. Klaus Lother, geb. 1966 in Würzburg, ist seit 2003 Geschäftsführer der Josef Gartner GmbH. An der TU München studierte Lother Maschinenbau. Bei Gartner begann er seine Karriere 1993 in der Technik. Seit 2012 ist Lother außerdem CEO HUB Europe der Permasteelisa-Gruppe und damit für alle Aktivitäten der Gruppe in Europa zuständig. In seiner Zeit als Geschäftsführer hat Gartner u. a. das 508 Meter hohe Taipeh 101, das Museum of Modern Art in New York, die BMW-Welt in München oder den Opernturm in Frankfurt a. M. mit einer Fassade bekleidet. Aktuelle Projekte sind beispielsweise die Elbphilharmonie in Hamburg, die Atriumfassaden des EZB-Neubaus in Frankfurt, das neue Apple-Headquarter in Cupertino und die neue Europa-Zentrale von Bloomberg in London.

www.josef-gartner.de

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