Interview mit planW – Organisations- und Projektentwicklungsgesellschaft mbH

Interview mit planW – Organisations- und Projektentwicklungsgesellschaft mbH
„Individuell Wohnen in der Gemeinschaft – Beispiel Südstadtschule“, www.planw-gmbh.de

„Wir überlegen uns genau, ob wir ein Projekt an den Start bringen, wir schauen dabei auf Standort, Konzept und Startergruppe. Man muss schon darauf achten, dass ein Projekt nicht zur Liebhaberei wird.“

DBZ: Wie entstand das Wohnprojekt Südstadtschule?

planW: Die Stadt Hannover wollte in einem Neubau verschiedene Formen von Sonderschulen zusammenfassen, sodass die Sehbehindertenschule in der Südstadt frei wurde. Die Stadt hat diese dann zum Verkauf ausgeschrieben. Wir sind über das Bürgerbüro Stadt­entwicklung Hannover angesprochen worden, mit den Architekten von MOSAIK ein Konzept zu entwickeln, bei dem die Schule unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes umgenutzt wird. Unser ­gemeinsames Nutzungskonzept war ein nachbarschaftliches Wohnprojekt in Kombination mit wohnverträglichem Gewerbe.

Warum haben Sie den Zuschlag erhalten, und was waren dann die besonderen Herausforderungen?

Die Stadt wollte den Gebäudekomplex als Baudenkmal erhalten und nicht dem Abriss frei geben und die vorhandene Stadtteilbücherei sollte am Standort erhalten bleiben. Unser Konzept hatte einen hohen politischen Rückhalt im Stadtteil, aber stellte auch besondere Anforderungen an den Verkäufer – in diesem Fall die Stadt Hannover. Wir benötigen eine Form der Reservierung, eine sogenannte Anhandgabe. Sie dauert in der Regel ein halbes Jahr. In diesem Zeitraum bringen wir Interessenten an einen Tisch, die eine Baugruppe/eine Baugemeinschaft gründen und das Gebäude kaufen, um es nach ihren Vorstellungen umzubauen. Wenn wir 60% der entstehenden Nutzflächen belegt haben, kann das Grundstück/Gebäude gekauft werden. Erst zu diesem Zeitpunkt ist die Baugemeinschaft finanziell in der Lage, das Geld für den Kauf zu überweisen. Denn 1 Mio. € (Anm.: für den Kauf der Südstadtschule) hat nicht jeder mal so parat.

Wie finden Sie die Interessenten für eine Baugruppe?

Wir haben verschiedene Plattformen, die wir nutzen. Wir verfügen über einen Adressverteiler mit ca. 15 000 Adressen in Norddeutschland. Über Mund-zu-Mund-Propaganda kommen hin und wieder auch Süddeutsche in unsere Baugemeinschaften im Norden. Außerdem gibt es verschiedene Netzwerke, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Zum Beispiel das Bürgerbüro Stadtentwicklung Hannover, eine lokale Anlaufstelle für Baugemeinschaften, die Stiftung Trias, ein bundesweites Netzwerk mit der Webplattform „Wohnprojekteportal“, und das Forum für gemeinschaftliches Wohnen, das auch bundesweit agiert und seinen Hauptsitz in Hannover hat.

Wir laden Interessierte zu öffentlichen Veranstaltungen ein, in denen wir über das Projekt berichten. Die Info-Abende bestehen immer aus zwei Teilen: es geht um die Architektur, und es geht um die Gemeinschaft. Bei der Südstadtschule haben wir in die Turnhalle eingeladen. Die Architekten haben das Umnutzungskonzept in Plänen und Visualisierungen vorgestellt und wir haben Wege aufgezeigt, wie eine Planungs- bzw. Baugemeinschaft gegründet wird (Rechtsform wählen, Ziele definieren, Projektentwickler beauftragen, Architekten beauftragen, weitere Projektmitglieder finden etc.).

Was folgt, wenn die ersten Mitglieder der Baugemeinschaft feststehen?

Es wird eine Planungs- später eine Baugemeinschaft als GbR gegründet und dann finden regelmäßig – meistens alle 14 Tage – Gesellschaftsversammlungen statt. Bei der Südstadtschule haben bis zum Einzug über 60 Gesellschaftssitzungen stattgefunden. Am Anfang werden die Rahmenbedingungen in Verträgen festgehalten.

Bei der Südstadtschule haben die ersten drei bis vier Parteien 2009 eine Planungsgemeinschaft gegründet. Der Umbau begann 2010. Die jeweilige GbR beauftragt die Architekten und uns für Projektentwicklung und -steuerung. Wir arbeiten so, dass alle Vertragspartner ein wirtschaftliches Risiko eingehen, die Mitglieder der Planungs- bzw. Baugemeinschaft und die federführenden Planer und natürlich auch wir als Projektentwickler. Bis zur Baugenehmigung haften alle Planer anteilig mit einem Teil des Honorars und die Gesellschaftsmitglieder mit ihren Einlagen. Wir überlegen uns genau, ob wir ein Projekt an den Start bringen, wir schauen dabei auf Standort, Konzept und Startergruppe. Man muss schon darauf achten, dass ein Projekt nicht zur Liebhaberei wird.

Was ist Ihr Part im Prozess?

Wir sind die Begleitpersonen über alle Gewerke hinweg. Dabei ist der Umgang mit Menschen das A und O. Unsere Hauptaufgabe ist es, alle an einen Tisch zu bringen. Wir sind die Mittler zwischen den Mitgliedern der Baugemeinschaft und zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen. So sortieren wir die Wünsche der Bauherrn und unterstützen beim Formulieren der Rahmenbedingungen. Vertrauen ist da eine wichtige Voraussetzung. Bei uns sollte man sich „aufgehoben“ fühlen. Wir bleiben neutral und bringen verschiedene Kompetenzen zusammen. Die Gemeinschaftssitzungen laufen nach demokratischen Prinzipien ab: Zum Beispiel kommen verschiedene Fachplaner in die Versammlungen und stellen ihre Konzepte vor. Die Gruppe stimmt dann ab und entscheidet, welcher Fachplaner beauftragt wird.

Was waren besondere Herausforderungen bei der Südstadtschule?

Es ging hier nicht nur ums Wohnen sondern auch ums Arbeiten und um die Integration der städtischen Bücherei mit der neuen Ausrichtung für Kinder und Jugendliche. Als wir mit dem Umbau angefangen haben, waren von den 16 Wohneinheiten drei noch nicht belegt. Es war für Interessierte, die nicht aus dem Baufach kommen, sehr schwer, sich vorzustellen, wie es sein kann, die Turnhalle in Wohnraum umzuwandeln. Denn da hing ja noch die Torwand.

Sie haben selbst ihr Büro in der Südstadtschule bezogen und arbeiten jetzt dort. Was ist ihr persönlicher Lieblingsort (auch bezogen auf die Gemeinschaft) in der neuen Südstadtschule?

Der Schulhof. Er ist eine grüne Oase mitten in der Stadt. Ein gutes Beispiel, dass der Hof auch von den Bewohnern gemeinschaftlich ­angenommen wird, ist der große Betontisch, den alle gemeinsam gegossen haben. Und der Keller. Wussten Sie, dass die ganze Schule unterkellert ist? Dort gibt es 400 m2 Fläche mit einer Geschosshöhe von 2,70 m, die sich die Bewohner nach und nach ausbauen und ­gemeinschaftlich nutzen möchten.

Welche Projekte betreuen Sie im Augenblick?

Es laufen gerade zwei Bewerbungsverfahren, über die wir noch nicht sprechen möchten. Wir haben ein Projekt der Generation 60plus „Graue Haare-Buntes Leben“. In Wennigsen bei Hannover entstehen auf einem 5 000 m2 großen Grundstück zwei Neubauten mit 26 Wohneinheiten. Die Baugemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, statt ins Altersheim zu ziehen den dritten Lebensabschnitt aktiv zu nutzen und ihre Erfahrungen z.B. in Form von Schülerhilfe, gemeinsam kochen, musizieren weiterzugeben. Ein anderes aktuelles Projekt ist eine Baugemeinschaft in Limmer. Dort entsteht auf einem ehemaligen Garagenhof ein Neubau mit 18 Wohneinheiten, einer Tiefgarage und gemeinschaftlichem Garten und Gartenhaus.  
Viel Erfolg und vielen Dank!     

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