Ist Wohnen noch bezahlbar, macht Sozialer Wohnungsbau noch Sinn?
Ein Gespräch mit Dipl.-Ing. Architekt BDB Hartmut Miksch, Präsident der Architektenkammer NRW

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Deutschland hat in allen Ballungsgebieten zu wenig bezahlbaren Wohnungsraum. Im Jahr 1990 gab es noch rund 3,6 Mio. Sozialwohnungen mit Mietpreisbindung, inzwischen sind es nur noch ca. 1,6 Mio. Sozialwohnungen. Einkommensschwache Familien, ältere Menschen wie solche mit Migrationshintergrund, selbst vermeintliche Normalverdiener, können sich das Gut Wohnen nicht oder fast nicht mehr leisten. Was ist zu tun? Hartmut Miksch erläutert seine Einschätzung dazu und zeigt Maßnahmen zur Lösung des derzeitigen Wohnungsbau-Problems in Ballungszentren auf.

Herr Miksch, wie kann man aus Ihrer Sicht bezahlbaren Wohnraum erstellen? Oder sind wir schon soweit, dass das gar nicht mehr geht und nur noch hochpreisige Wohnungen den Markt bestimmen?

Zum Glück geht es doch noch, bezahlbaren Wohnungsbau zu erstellen. Wir haben aber eine ganz verrückte Situation. In Ballungszentren haben wir zu wenig bezahlbaren Wohnraum für Normalverdiener, wir reden noch gar nicht über die Sozialhilfeempfänger. Man muss sich vor Augen führen: In einer Stadt wie Düsseldorf, in der man wirklich nicht schlecht verdient, hätte die Hälfte der Bewohner Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Polizisten, Krankenschwestern oder Serviererinnen und viele andere mehr finden in der Rheinschiene, das gilt aber auch woanders, keine Wohnungen mehr. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite kommt hinzu, dass Wohnraum für alte Menschen fehlt. Wir sind eine alternde Gesellschaft, wir brauchen also barrierearme oder barrierefreie Wohnungen. Menschen wollen in ihrem Wohnumfeld alt werden. Damit gibt es ein doppeltes Problem.

In Ballungszentren ist Wohnen teuer geworden. Heißt das, sozialer oder preiswerter Wohnraum lohnt sich nicht mehr für Investoren?

Man muss erkennen, dass wir da ein Grundstücksproblem haben, wo der Druck auf den Wohnungsmarkt groß ist. Und da wo gebaut wird, ist es eher der hochpreisige Bereich. Wer will das Investoren verdenken, die hier mehr verdienen als mit dem Sozialen Wohnungsbau. Die Länder, die zum Glück noch eine Wohnungsbauförderung wie NRW haben, haben zugleich ein Problem. Die Rahmenbedingungen sind derzeit so schlecht, weil das, was viele Jahre funktioniert hat, dass man nämlich verbilligte Kredite/Darlehen bekommen hat, heute kaum mehr eine Rolle spielt. Auf dem freien Markt sind die Bauzinsen so niedrig, dass die Differenz zwischen dem was es an Förderung an günstigeren Krediten gibt kaum noch ins Gewicht fällt. Das heißt, es gibt wenig Interesse, an diesen Stellen zu bauen. Die Grundstücke, die in den Ballungszentren noch vorhanden sind, auch öffentliche, werden meist hochpreisig veräußert, was bedeutet, dass kein Sozialer Wohnraum entstehen kann, denn das rechnet sich dann nicht mehr.

Das hört sich so an, als wenn wir doch nur noch, wenn nicht Luxuswohnungen, dann aber hochpreisige Wohnungen bauen, die normal nicht zu bezahlen sind?

Auf den ersten Blick scheint es so. Ich meine aber, es gibt mehrere Möglichkeiten des Handelns. Als erstes sei genannt, dass die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften gestärkt werden müssen, die es zum Glück in Teilen noch gibt.

Es sind in den vergangenen Jahren viel zu viele verkauft worden weil man glaubte, man braucht sie nicht mehr. Das war ein riesiger Fehler. Heute braucht man diese kommunalen Unternehmen dringend, denn die können, wenn sie entsprechend finanziell ausgestattet werden, Sozialen und damit preisgebundenen Wohnungsbau erstellen. Sie können das auch auf städtischen Grundstücken realisieren, bei dem es nicht darum geht, den höchsten Peis für das Grundstück zu erzielen.

Die Kommunen haben in dieser Frage eine Riesenaufgabe und sie können sich aus meiner Sicht nicht aus ihrer Verantwortung stehlen.

Können wir nicht auf den noch verfügbaren Grundstücken oder da, wo man neue Wohnungsgebiete aufschließt, die Auflage machen, es muss ein bestimmter Prozentsatz Sozialer Wohnraum entstehen?

Ja, das ist eine weitere Notwendigkeit, um bezahlbaren und geförderten Wohnraum zu schaffen. Da schwanken die Zahlen zwischen 20 und 30 Prozent-Anteil für diesen Bereich. Es gibt da eine alte Studienweisheit die da sagt, dass erstrebenswerte Quartier ist ein Quartier in dem 30 Prozent geförderter Wohnungsbau, 30 Prozent normaler Mietwohnungsbau und ein weiteres Drittel dort Eigentum realisiert wird. Beispiele dafür gibt es in München und Hamburg, ähnliches in Düsseldorf nun auch, wo solche Ansätze verfolgt werden.

Die Kommunen haben also Handlungsbedarf, denn sie laufen in eine Situation hinein, die teuer und für die Menschen, die es betrifft, auch unerträglich wird. Das kann keine Kommune ernsthaft wollen.

Und die Länder? Wie sieht es mit deren Verantwortung aus?

Richtig, auch die kommen aus dieser Frage nicht heraus. Die haben es im Moment schwer, weil, wie schon erwähnt, die Gelder für den sozialen Wohnungsbau als Darlehen derzeit nicht abgefragt werden. Hier muss man mit den entsprechenden Förderrichtlinien reagieren, man muss diesen Bereich interessant halten, auch wenn es schwer ist, aber es geht. Man kann über geringere Eigenbeteiligung nachdenken. Es gibt auch andere Möglichkeiten, an denen man noch etwas verändern kann, damit auch Landesmittel in diesen Bereich fließen.

Kommen wir über die Kommunen und die Länder zum Bund. Wie verhält sich der in der Frage zum bezahlbaren Wohnungsbau?

Ich sage ganz klar dazu: Der Bund glaubte ja vor einigen Jahren, sich aus der Frage des Wohnungsbaus verabschieden zu können, in dem er das auf die Länder delegiert hat. Es müsste mittlerweile die Erkenntnis gereift sein, dass das so nicht funktionieren wird. Der Bund muss weiter mit Mitteln in den Sozialen Wohnungsbau gehen. Denn der Bund muss auch ein Interesse daran haben, dass die Menschen, und das ist für uns Architektinnen und Architekten das Wichtigste, ein Zuhause haben, in dem sie vernünftig und preislich angemessen leben und alt werden können.

Was nützt es aber, wenn Erkenntnis da ist, aber keine Taten folgen?

Ganz tatenlos muss man nicht sein. Ich bin der Meinung, dass wir unterhalb der wertseitigen Modelle ein Modell brauchen, und da muss man eben mehr Geld investieren, bei dem die Miete bei 5 € oder 4,50 € liegt. Denn die Gruppe die das bezahlen kann ist um ein Vielfaches größer als die, die 7,50 € oder 8 € bezahlen kann. Dafür wird man was tun müssen. Aber man muss auch ganz klar sagen, ohne bezahlbare Grundstücke in den Städten, in denen der Druck groß ist, wird kein Sozialer Wohnungsbau möglich sein.

Die Architektenkammer NRW ist Mitglied der Initiative „Impulse für den Wohnungsbau“, die schon lange die Probleme des Wohnungsbaus offengelegt hat. Ist die Zeit gekommen, dass die Aktivitäten und Mahnungen zum Erfolg führen?

Wir waren lange Jahre der einsame Rufer in der Wüste. Die Wohnsituation ist jetzt ja nicht durch Zufall entstanden, sondern sie war absehbar. Das hat die Architektenkammer NRW schon vor vielen Jahren angeprangert. Wir haben sehr dafür gestritten, dass die Mittel für den sozialen Wohnungsbau im Landeshausalt erhalten bleiben. Wir waren schon mal bei 1 Mrd. €, jetzt sind wir bei 850 Mio. €. Ich glaube, dass die Initiative überfällig war. Das Gute ist, dass alle gesellschaftlich relevanten Gruppen, Verbände und Institutionen hier vertreten sind und aufzeigen, dass man gemeinsam für ein gesamtgesellschaftliches Problem kämpft, was vor allem auf politischer Ebene mehr als nur wahrgenommen wird. Es ist in der öffentlichen Diskussion, in der Presse und bei den Parteien angekommen und wird diskutiert.

In der nächsten Legislaturperiode wird in Berlin kein Weg an dem Thema Wohnungsbau vorbeiführen. Wir können es uns einfach nicht leisten, dass dieses Thema nicht zufriedenstellend gelöst wird. Denn Menschen können vieles vertragen, aber kein vernünftiges Zuhause zu haben, nicht zu wissen wie man wohnen kann, oder in Behausungen zu kommen, die eben nicht lebenswert sind, das zahlt sich letztlich für unsere Gesellschaft negativ aus.

Gibt es einen Wunsch oder eine Empfehlung von Hartmut Miksch, dem Präsidenten der Architektenkammer NRW, zum Thema Wohnungsbau?

Städte wie Düsseldorf, Köln, Münster und Bonn, was auch für alle Ballungszentren in Deutschland gilt, können es sich in der derzeitig angespannten Situation eigentlich nicht leisten, nicht konsequent auf neu ausgewiesenen Flächen keinen sozialen Wohnungsbau zu errichten. Ich glaube, es gibt keine Alternative, und ich kann mir nur sehr wünschen, dass alle politischen Verantwortlichen auf allen Ebenen, der kommunalen, auf Landes- wie auf Bundesebene, sich nicht vor diesem Problem davonstehlen, weil es sehr teuer auf uns ale zurückfällt. Ich will aber an dieser Stelle betonen, dass Architekten bundesweit nicht das Problem sind. Wir sind auch nach wie vor in der Lage, preiswerten Wohnungsbau zu bauen. Wir Architekten, und das gilt auch für die Ingenieure, sind bereit, wo auch immer Probleme sind, sie zu lösen oder an deren Lösung mitzuwirken.

Das Gespräch mit Hartmut Miksch führte DBZ-Chefredakteur Burkhard Fröhlich am 30. Juli 2013 in der Architektenkammer NRW,  Düsseldorf

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