Jetzt sind wir dran

„Die Bodenfrage“, da klingen ideologisch motivierte Politikstrategien und Parteiprogramme vom politischen Randspektrum auf, da werden grundsätzliche Überlegungen zum gesellschaftlichen Miteinander assoziert, die, weil sie so grundsätzlich sind, gerne auf Morgen vertagt werden. Dabei drängt tatsächlich die Zeit, sich dieser Frage – wieder einmal – anzunehmen, und zwar auf den unterschiedlichen Feldern der gesellschaftspoltisch Verantwortlichen: Politik, Wirtschaft, Planung, Verbraucher … Denn tatsächlich, wir alle leben auf und mit dem Boden. Ohne ihn wären wir ortlos, haltlos, vielleicht gar nicht existent?!

Die Frage nach seinem Wesen ist aktuell eine extrem wichtige, denn der Boden, der uns ernährt, uns wohnen und arbeiten lässt, dessen Zugänglichkeit wie selbstverständlich unsere Bilder von Leben insgesamt prägen, ist gefährdet. Von Spekulanten, von Eigentümern, die mit ihm spekulieren, von uns, die wir nicht verstehen, dass wenn bei uns Ackerland entsteht, eine etwa gleich große Fläche Regenwald (?) gerodet wird für Viehfutter. Und: Der Boden kühlt die Atmosphäre. Dabei wuchert er Tag für Tag um rund 56 Hektar zu, er wird von Infrastruktur und Gebäuden geschlossen. Seit 2008, der Weltfinanzmarktkrise, hat sich der ohnehin schon bedrängte Rohstoff Boden zu einer international nachgefragten Anlage entwickelt. Wo Geld keine Zinsen mehr bringt, soll der Boden die Renditen heranschaffen. Und die wachsen mit dem zunehmenden Druck auf die Immobiliennachfrage als verbreitete Anlage- und Altersabsicherungsform.

Was können wir machen? Wie sehen die Szena­rien aus, die einen Ausweg aus der Privatisierungs- und Investmentspirale weisen? Das vorliegende, kleine, aber nicht weniger feine Buch versucht es. Führt in die Begrifflichkeiten ein, erläutert die große ganze Lage, lässt ExpertInnen zu Wort kommen. Und bietet – weil das Thema schwierig und extrem in fast alle Lebensbereiche verwoben ist – ein „Manual“, in dem mit anschaulichen Grafiken 36 Aspekte der Bodenfrage in den Teilbereichen Klima, Ökonomie und Gemeinwohl beleuchtet werden. Zahlen, Grafiken, Stichworte, das ganze noch einmal über Querverweise kontextualisiert (was allerdings – wenn es versucht wird – zu Schwindel und Taumeln in der Wahrnehmung führt!). Hier wird das Thema Bodenfrage zu einem guten alten Bekannten, über den zu streiten man sich wieder traut. Be. K.

Die Bodenfrage. Klima, ­Ökonomie, Gemeinwohl. Hrsg. v. Stefan Rettich / ­Sabine Tastel.
Jovis, Berlin 2020, 144 S., zahlr. Farbabb.16 €, ISBN 978-3-86859-669-4
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