Keep it simple
and stupid
Bürogebäude, Augsburg

Eine gründliche Planungsphase mit intensiver

Kommunikation, starke, natürliche Materialien, eine schlichte Konstruktion, kurze Bauzeit: So lauten die
Zutaten für einen Büroneubau im Sheridan-Park
Augsburg. Das Ergebnis überzeugt.

Eine grüne Lunge, Gewerbeflächen und Wohnungsbauten: Der rund 96 ha große Sheridan-Park ist die größte Konversionsfläche der Stadt Augsburg. Seit 2006 füllt sich das von den US-Streitkräften angelegte Areal nach und nach mit Anwohnern und Unternehmen, die hier ihre Büros und Gewerbeflächen eröffnen. Nach seiner Fertigstellung sollen auf dem Areal im Stadtteil Pfersee einmal 2 000 Menschen leben und 4 000 arbeiten.

Auch die Steuerberater Förschner & Partner sowie die Anwaltskanzlei Sethmacher & Kollegen gehören zu denjenigen, die das Gelände als Standort gewählt haben. Ihr neues Bürogebäude grenzt direkt an die grüne Lunge des Parks, mit unverbaubarem Blick über Grasflächen und Bäume. Das Zuhause der 45 Mitarbeiter: Ein großflächig verglaster Holzbau aus der Feder von lattkearchitekten, nachhaltig, energieeffizient und weitestgehend aus Naturmaterialien errichtet. Glas und Holz prägen den Gebäudeeindruck außen, drinnen gesellen sich noch Vinylteppich, Kupfer und Filz zur Materialpalette des Neubaus hinzu. Die Energiezufuhr sichert eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes. Sie produziert mehr Strom als das Haus benötigt. Ein Grundwasserbrunnen speist das im Estrich verlegte Heiz- und Kühlsystem. Ein Fernwärmeanschluss sichert den Restwärmebedarf.

Ziel: ein Bauwerk, das Kommunikation fördert

Die beiden Gemeinschaftsbüros hatten sich schon zuvor ein Gebäude geteilt, „doch wir waren an den Kapazitätsgrenzen angekommen und fanden keine adäquate Bestandsfläche in Augsburg, sodass wir uns entschlossen, selbst zu bauen“, erinnert sich Florian Grashei, einer der Partner von Förschner & Partner. Der Auftrag der drei Bauherren, Förschner, Grashei und Sethmacher an die Architekten: mit dem Bauwerk späteren Generationen keinen Sondermüll zu hinterlassen und dabei ein Gebäude zu realisieren, das offene Kommunikation zwischen allen Mitarbeitern nicht nur erlaubt, sondern fördert und trotzdem Türen hat. „Ein Gebäude also, in dem der Kollege von links unten hinten mit dem Kollegen rechts oben vorne problemlos kommunizieren kann“, drückt es Steuerberater Grashei aus.

„Wir verstehen uns als ein Unternehmen und wir wollen dies auch leben.“ Mit diesen Worten seien die drei zu ihm gekommen, fasst Frank Lattke seine Erinnerung an die deutliche Forderung der Bauherren zusammen. Er übersetzte sie in einen zweigeschossigen Massivholzbau mit einer großzügigen Mittelzone, in der eine einläufige Treppe Platz findet. Neben dem Treppenauge ziehen sich ein breiter Umgang respektive eine breite Galerie durch das Gebäude: die Kommunikationszone der Büromitarbeiter. Von hier aus gelangen die Angestellten in ihre Einer-, Zweier- und Dreierbüros. Die Trennwand zwischen den Büros und jener Mittelzone dient gleichzeitig als Archiv: Tiefe Schranknischen aus Brettsperrholz – die gleichzeitig tragende Wände sind – verbergen Aktenmaterial unsichtbar hinter kupferbeschlagenen Türen. Die in regelmäßigen Abständen dazwischen angeordneten Glastüren zu den einzelnen Büros erlauben es den dahinter sitzenden Mitarbeitern, Blicke quer durchs Gebäude hindurch nach oben, unten und nach draußen in den Park zu werfen.

Dem offenen Eingangsbereich mit dem dort angesiedelten Empfang liegt im Grundriss diagonal gegenüber der Aufenthaltsbereich der Anwälte und Steuerberater. Türen finden sich hier keine. Auf der zur Mittelzone hin offenen Eckfläche sind die Teeküche, Tische und Stühle angeordnet, die den Mitarbeitern einen Treffpunkt bieten.

Digitale 3D-Pläne erlauben durchgängige Fertigung

Um die Kommunikationszone in der Gebäudemitte tagsüber auszuleuchten, integrierten die Architekten ein großzügiges, nach Norden orientiertes Oberlicht in die Dachlandschaft. Bei düsterem Wetter oder bei Dunkelheit sorgen Einbauleuchten in der Decke für Licht. „Um die Auslässe dafür im Zuge unseres CNC-gesteuerten Abbunds gezielt ausfräsen zu können, musste die Lage der Leuchten und auch deren Art bzw. Größe bereits bei der Werkstattplanung feststehen und durfte nicht erst nachträglich festgelegt werden“, informiert Karl-Heinz Roth, technischer Leiter der Merk Timber GmbH, die zur Ed. Züblin gehört. Die Merk Timber GmbH hat sowohl den Holzbau des Büroneubaus im Sheridan-Park erstellt, als auch die vorge­fertigten Fassadenelemente.

Entsprechend mussten die Architekten derartige Details sehr früh festlegen. Die gesamte Planung lieferte Lattke daher in digitaler Form, sodass die Holzbauer die Maße direkt in ihre Fertigungsplanung einlaufen lassen konnten und die Fertigung darauf abstimmen. So etwas sei auch heute noch selten, kommentiert Moser. „Die meisten Architekten liefern 2D-Pläne in Papierform, aus denen wir keine zuverlässigen Daten ziehen können.“

Steckdosen, die Kabelführung, auch die Lage der Fassadenstöße im Zusammenhang mit der Fassadenrhythmik wurden bei diesem Bauvorhaben durch-gehend vor Beginn der Fertigung geklärt. „Um zu dem von uns gewünschten Vorfertigungsgrad zu kommen, waren viele Abstimmungs­gespräche notwendig“, betont Lattke. Der Architekt, die Projektbeteiligten und immer wieder auch die Bauherren arbeiteten sich auf diese Weise Detail für Detail durch das Bauwerk. „Wir haben Visualisierungen des Gebäudes“, erzählt Grashei. „Wenn wir die heute vor das fertige Gebäude halten, erkennen wir kaum einen Unterschied. Alles – in­klusive des Innenausbaus – wurde so gezeichnet, wie es später ausgeführt wurde.“ Mit einem hohen Vorfertigungsgrad konfektionierte Merk Timber den Holzbau im Werk vor und setzte dort die Fenster und hochwertigen Anschlüsse im aufgestellten Zustand ein. Vor Ort wurden die angelieferten Bauteile montiert, die Fassadenplatten eingehängt und das Dach gedeckt. So dauerte es ab Beginn der Holzbauarbeiten nur vier Monate, bis das komplette Büro fertiggestellt war – inklusive der Inneneinrichtung.

Schottenbauweise – einfacher geht es nicht

Zu dieser kurzen Bauzeit beigetragen hat sicher auch die einfache Struktur des Baukörpers. Sämtliche Innen- und Außenwände des in Schottenbauweise erstellten Büros sind tragend, die Fassaden großzügig verglast. „Draußen haben wir nur Brettsperrholz, Holzweichfaserdämmung und silbern lasierte Dreischichtplatten eingesetzt.

„Simpler geht es nicht“, beschreibt Lattke. Im Gebäudeinneren bestimmen mit Ausnahme der Kupfertüren vor den Regalen nur sichtbar belassene, weiß lasierte Brettsperrholzwände das Bild. Und die 16 m lange und in bis zu 4 m breiten Elementen gelieferte Deckenplatte oberhalb des Erdgeschosses ist multifunktional. Sie kragt aus und wird draußen zum Balkon. Jedes Büro verfügt über einen Ausgang ins Freie: Im Erdgeschoss direkt auf die grüne Wiese vor dem Haus, im Obergeschoss auf den umlaufenden Balkon. Dieser ist nicht nur Freisitz, sondern auch Fluchtweg. Rechtlich gesehen der erste, um es genau zu sagen. Diese Finesse ermöglichte es den Architekten, den Bau ohne zusätzliche Brandabschnitte und geschlossene Treppenhäuser realisieren zu dürfen. Der Balkon sowie der weite Dachüberstand oberhalb des Balkons in Kombination mit einem innen liegenden Blendschutz garantieren darüber hinaus, dass das Gebäude selbst an extrem heißen Tagen nicht überhitzt. Eine einfache Lösung, die ganz ohne Technik funktioniert. „Keep it simple and stupid“, for­muliert Lattke das Motto, das er mit dem Neubau im Sheridan-Park umsetzen wollte. Manchmal ist der einfachste Weg einfach der beste. Christine Ryll, München

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