Klimakonzept für  ein Hotel

TRANSSOLAR hat in Abstimmung mit arch22 Architekten, der Ingenieurgesellschaft ZWP (Haustechnik), CAPE Ingenieurbüro für Bauphysik sowie dem Büro GEPLAN für den Neubau des Hotels am Rathaus das Konzept für Energie, Klima und Lüftung erarbeitet und mittels detaillierter Simulationen (thermischer Komfort, Energie und Tageslicht) verifiziert und optimiert.

Das Vilotel in Oberkochen hat eine Gesamtfläche von ca. 3 850 m², verteilt auf fünf Geschosse plus Tiefgarage im Untergeschoss. Die Hauptnutzungen im Erdgeschoss sind geprägt durch Lobby und Restaurant, Lagerräume, Büro, Aufenthaltsraum Mitarbeiter, Umkleide und Technikräume. Die 72 Hotelzimmer befinden sich mit jeweils gleichem Grundriss im 1. bis 3. Obergeschoss mit einer lichten Raumhöhe von ca. 2,64 m. Das Penthouse beherbergt zwei Suiten, den Wellnessbereich mit Fitness, Sauna, Ruhebereich und Duschen, sowie eine Terrasse.

Ziel war die Entwicklung eines zukunftsweisenden Energie- und Komfortkonzepts, das möglichst niedrige Energiebedarfskennwerte aufweist und lokale Energieressourcen nutzt. Neben dem Anspruch an einen angemessenen thermischen Raumkomfort, wurde besonderer Wert auf einer einfachen, schlanken und kostengünstigen Umsetzung gelegt. Stets im Vordergrund standen die persönlichen Bedürfnisse der Nutzer und der Notwenigkeit ihrem Bedarf an Behaglichkeit gerecht zu werden, was wiederum eng damit verknüpft ist, dass ihnen die Möglichkeit zur individuellen Einflussnahme gegeben wird.

Als Grundlage des Komfortkonzepts dienten folgende Festlegungen:

– Ein individueller Nutzereingriff in den Hotelzimmern auf die Komfortbedingungen mittels öffenbarer Fensterflügel, beweglicher Sonnen- / Blendschutzvorrichtungen, sowie der Möglichkeit, in sinnvollen Grenzen auf Heiz- und Kühlfunktionen im Raum Einfluss zu nehmen.

– Die Heizung und Kühlung der Hotelzimmer sollte möglichst geräuscharm und ohne Zug­erscheinungen erfolgen.

– Der sommerliche Wärmeschutz wurde nach der aktuell gültigen Norm DIN 4108-2:2013-02 bewertet. Die Anforderungen an den thermischen Raumkomfort basieren auf dem nationalen Anhang NA der Norm DIN EN 15251.

– Der Komforttemperatur-Korridor ist in Abhängigkeit von der aktuellen Außentemperatur definiert. Danach ist im Heizmodus von einer idealen operativen Raumtemperatur von 22 °C bzw. im Kühlmodus von einer idealen operativen Raumtemperatur von 26 °C auszugehen. Nach oben und unten sind Abweichungen von maximal 2 K zulässig.

– Während der Heizperiode muss die Möglichkeit der Temperaturabsenkung außerhalb der Gebäudenutzungszeiten gegeben sein.

– Auf die Raumluftfeuchte wird auch bei den mechanisch belüfteten Räumen kein kontrollierter Einfluss genommen.

Energetisches Gesamtkonzept

Das Energiekonzept hat einen bivalenten Ansatz. Ein geothermisches System mit Erdsonden unter der Bodenplatte der Tiefgarage deckt mit seiner Wärmepumpe den Heizwärmebedarf zum Großteil (>90%) ab. Spitzenlasten decken der Gasbrennwertkessel bzw. das BHKW im Gebäudebestand ab, diese stehen in der Heizzentrale des benachbarten Rathauses. Das Brauchwarmwasser wird über drei zentrale Frischwasserstationen erzeugt, ebenfalls gespeist aus der Heizzentrale.

Die Kälteerzeugung für die Raumkühlung – also für die thermisch aktivierten Fußbodenflächen der Lobby, die Kühlung der Hotelzimmer über Schwerkraftkühlung (Gravivent-System s.u.), die Kühlung der Fitness und EDV-Räume über Umluftkühler, sowie die Luftaufbereitung der mechanisch belüfteten Zonen (Küche und Wellnessbereich) – erfolgt maßgeblich aus der freien Kühlung über die Erdwärmesonden. Steigt das Temperaturniveau des Erdreiches, wird die reversibel verschaltete Wärmepumpe aktiviert. Diese übernimmt dann die Kühlfunktion und speist die Abwärme in das Erdreich. Die Umschaltung zwischen den Modi „Heizen“ und „Kühlen“ erfolgt saisonal gebäudezentral (Change-Over System) in Abhängigkeit von der gemittelten Außentemperatur. Damit kann pro Verbraucherkreis entweder gekühlt oder geheizt werden – ein paralleler Betrieb von Heizen und Kühlen in unterschiedlichen Gebäudezonen ist möglich.

Behaglichkeit

Für die Behaglichkeit der Nutzer baut das Klimakonzept auf eine hochwertige Gebäudehülle, eine bedarfsgerechte hybride Raumluftstrategie mit effizienter Heizung und Kühlung.

Gebäudehülle

Die opaken Bauteile bieten durch hohen Dämmstandard einen guten Wärmeschutz. Eine luftdichte Bauweise verringert unbeabsichtigte Lüftungsverluste und verhindert Zugerscheinungen. Als effizientes Verschattungssystem der Hotelzimmer dienen außenliegende Lamellenraffstore und alle Fenster sind komfort- und energiegerecht dreifachverglast.

Raumlufttechnik

Das dezentrale hybride Lüftungssystem für die Hotelzimmer arbeitet mit bedarfsgerecht gesteuerten Badabluftventilatoren und natürlicher Fassadennachströmung. Eine effiziente zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung für die Funktionen im Erdgeschoss reduziert den Wärmebedarf für die Lüftung.

Heizug/Kühlung

Die Hotelzimmer sind mit individueller saisonaler Raumtemperaturregelung versehen; (Winter – Heizen / Sommer – Kühlen). Ein hoher thermischer Komfort wird durch geräuschlose Kühlung/Heizung gewährleistet die Kombination von Konvektoren und Schwerkraftheizung und -kühlung (Gravivent-System s.u.). Um die Energieversorgung über Geothermie optimal zu nutzen sind alle Heizsysteme mit 50/35 °C bzw. 35/28 °C auf Niedertemperatur ausgelegt (inkl. Lüftungsanlagen),  sowie alle Kühlsysteme mit 14/19 °C auf Hochtemperatur ausgelegt (inkl. Lüftungsanlagen).

Monitoring

Ein Monitoring der klimatischen Bedingungen der Zonen, der Luftzustände, sowie der Energieverbräuche dient der Identifikation eventueller Fehler sowie der Optimierung des Gebäudebetriebs, insbesondere in den ersten Betriebsjahren. Langfristig dient es dem Facility Management zur Überwachung und Optimierung des Gebäudebetriebs und Energieverbrauchs.

Komfortkonzept

Heizperiode: Die Hotelzimmer werden über an der Fassade gelegene Konvektoren beheizt, die individuell durch den Gast regelbar sind. Das Gravivent-System unterstützt die Fassadenkonvektoren, um die Spitzenlast abzudecken und damit die Heizlast der Konvektoren und damit deren Vorlauftemperatur zu begrenzen. Die Reduzierung der Vor- und Rücklauftemperatur des Heizkreises erhöht die Effizienz der Wärmeerzeugung über die geothermische Wärmepumpe. Der Konvektor und das Gravivent sind über Motorventile an das jeweilige 2-Leiter Netz angeschlossen.

Übergangszeit: In der Übergangszeit kann das 2-Leiter Netz des Gravivent mit Kaltwasser und der Konvektor mit Warmwasser betrieben werden. Ein Heizen oder Kühlen je nach Nutzerwunsch ist in dieser Zeit möglich. Der Gast kann die Raumtemperatur individuell über den Raumthermostat einstellen. Das gleichzeitige Kühlen (Gravivent-System) und Heizen (Konvektor) ist nicht möglich, dies wird über die Regelung unterbunden.

Kühlperiode: In der Kühlperiode wird das 2-Leiter Netz mit Kaltwasser betrieben. Ein Heizen ist in dieser Zeit nicht möglich. Der Gast kann die Raumtemperatur individuell über den Raumthermostat einstellen. Das Gravivent-System bietet eine lautlose und zugfreie Möglichkeit der Kühlung.

Hybride Lüftung: Für die Sicherung der Luftqualität wird über einen dezentralen Abluftventilator im Bad Frischluft über ein Nachströmelement in der Fassade angesaugt; d.h. die Raumluftqualität ist ohne geöffnete Fenster zu jederzeit garantiert. Die nachströmende Außenluft wird über den Fassadenkonvektor passiv vorgewärmt. Die passiven Nachströmelemente in der Fassade haben zudem eine schalldämpfende Funktion.

Die Grundlüftung bei Zimmerbelegung ist auf 20 m³/h pro Gast ausgelegt. Der maximale Volumenstrom bei Badnutzung liegt bei 60 m³/h (aktiviert durch den Lichtschalter Bad). Außerdem hat der Gast die Möglichkeit über einen Schalter die Komfort- (bzw. Grund-) Lüftung zu deaktivieren.

Die bedarfsgerechte Regelung der Zimmer und die damit reduzierte Laufzeit für Lüftung verringern den Energiebedarf (Wärme und Strom) für die Belüftung der Hotelzimmer. Ein weiterer Vorteil dieses hybriden, dezentralen Lüftungssystems ist die Vermeidung von Zuluftkanälen und aufwendiger Regelung der Zuluft, sowie der Entfall von Brandschutzklappen und der damit verbundenen Wartung.

Natürliche Lüftung: Die öffenbaren Fassadenelemente erlauben eine manuelle Intensivlüftung, dabei dient die vorgehängte Umrandung als Sonnen- und Wetterschutz.

Passive Kühlung: Die öffenbaren Fenster in Kombination mit der exponierten thermischen Masse der Betondecke ermöglicht eine passive Temperaturregulierung der Hotelzimmer über weite Strecken der Übergangszeit.

Bedarfsgerechte Regelung: Das Einstecken der „Hotelzimmer-KeyCard“ in den „Kartenhalter“ im Eingangsbereich des Zimmers signalisiert die Anwesenheit des Gastes und schaltet die Raumfunktionen (Lüften, Licht, etc.) frei.

Die hybride Lüftung

Dezentrale Abluftventilatoren im Bad sichern die Grundlüftung der Hotelzimmer. Die Frischluft strömt über ein Fassadenintegriertes passives Nachströmelement in das Hotelzimmer. Der Betrieb des Abluftventilators erfolgt in der Regel in zwei Stufen:

1. Stufe: Grundlüftung des Hotelzimmers zur Sicherung der Luftqualität – max. 40 m³/h in Doppelzimmern, 20 m³/h in Einzelzimmern.

Die Grundlüftung wird aktiviert sobald der Gast seine Anwesenheit über z. B. Keycard signalisiert. Der Gast kann manuell über einen Schalter die Grundlüftung deaktivieren. Diese Möglichkeit dient der Zufriedenheit des Gasts durch individuellen regulierenden Eingriff in das System (z.B. sehr geräuschempfindliche Personen).

2. und 3. Stufe: Gesteigerte Abluftmenge zur Abfuhr von Feuchte- und Geruchslasten bei Nutzung des Bads bzw. der Toilette (getrennte Räume).

Während unbelegter Zeiten des Hotelzimmers sind die Ventilatoren ausgeschaltet. Zur Sicherstellung der Luftqualität können die Ventilatoren in zyklischen Abständen aktiviert werden, z. B. 0,5 Stunden pro Tag als einstellbarer Wert über die Gebäudeleittechnik.

Folgende Komponenten, die der Interaktion mit dem Nutzer unterliegen, sind Teil des Regelungskonzepts:

– Signal „Anwesenheit“ / „Abwesenheit“ über Hotelkartensteckplatz im Hotelzimmer

– Signal „Badnutzung“ über Lichtschalter Bad

– Signal „Lüftung“ über Schalter im Hotelzimmer

Der mechanische Abluftventilator im Bad wird nach folgenden Kriterien betrieben:

Bei temporärer bzw. dauerhafter Nichtnutzung des Hotelzimmers wird ein minimierter Luftwechsel zur Abfuhr der Feuchtelasten sichergestellt. Dazu wird in regelmäßigen Abständen – Voreinstellung: 24 Stunden – für einen Zeitraum von – Voreinstellung 0,5 Stunde – das Hotelzimmer/Bad mit Frischluft gespült.

– Bei „Anwesenheit“ wird die Lüftungsfunktion des Hotelzimmers freigeschaltet:

– Bei Einschalten des Tasters „Lüftung“ wird der Lüfter in Stufe 1 betrieben

– Bei „Badnutzung“ wird der Lüfter in Stufe 2 betrieben (mit zeitlichem Nachlauf)

Bei Verlassen des Hotelzimmers „Abwesenheit“, schaltet der Lüfter direkt bzw. nach zeitlichem Nachlauf für Badnutzung ab.

Der Abluftventilator im Bad darf im Betrieb nicht zu störenden Geräuschen im Hotelzimmer führen, auch nicht bei geöffneter Badezimmertüre. Seine elektrische Stromaufnahme ist auf max. 0,15 W/m³/h begrenzt. Eine natürliche Intensivlüftung ist manuell über die öffenbaren Fensterflügel der Fassade möglich.

Zwei interessante Elemente, einfach und

effektiv:

Passives Nachströmelement

Die dezentralen Badabluftventilatoren führen die Luft ab, frische Luft strömt (passiv) nach durch in die Fassade integrierte Bauteile. Diese passiven Nachströmelemente liegen in der Fassade oberhalb des Fassadenkonvektors. So vermag dieser die nachströmende Außenluft in der Heizperiode vorzuwärmen und beugt Zugerscheinungen vor.

Die Platzierung des Nachströmelements im unteren Fassadenbereich stellt sicher, dass im Sommer keine Übertemperaturen aus dem Bereich des Sonnenschutzes abgesaugt werden. Daher ist der Sonnenschutz auch so ausgelegt, dass eine ausreichende Hinterlüftung sichergestellt ist. Die Nachströmelemente sind mit schalldämmender Funktion versehen, um Geräuschemissionen von z. B. dem Terrassenbetrieb im Erdgeschoss zu dämpfen. Zum Wärmeschutz und zur Reduzierung eines Kondensatrisikos darf der maximale U-Wert ~ 1,5 W/m²K möglichst nicht überschreiten.

Das Nachströmelement fördert den maximalen Nennvolumenstrom des Badabluftventilators bei max. ~50 Pa fördern (Türschließkräfte). Eine Volumenstrombegrenzung bei über dem Druckverlust bei maximalen Nennvolumenstrom anliegenden Druckdifferenzen > x Pa durch das Nachströmelement ist notwendig, um erhöhte ungewünschte Infiltration zu reduzieren.

Gravivent, lüfterlos aktiv

Das Gravivent-System ist ein individuell regelbares Kühlsystem, das ursprünglich in Tonstudios eingesetzt wurde. Es arbeitet ohne Ventilator und geräuschlos und ist daher für ein Hotelzimmer besonders gut geeignet. Hier im Hotel ist es reversibel ausgelegt, d. h. im Sommer kühlt es, in der Heizperiode unterstützt es als zusätzliches Heizelement die Konvektoren und deckt Lastspitzen ab. Ein weiterer Vorteil des Gravivent-Systems ist, dass es ohne Strombedarf und Filterwechsel betrieben wird – d. h. der Wartungs- und Ressourcenaufwand wird erheblich reduziert.

Die Heiz- und Kühlfunktion des Gravivent-Systems nutzt die natürlichen Phänomene des Aufsteigens warmer bzw. Absinken kalter Luft. Die Prinzipien der Schwerkraft nutzend, kühlt es im Sommer aktiv die Räume, jedoch ohne Ventilator und nahezu lautlos: Warme Luft steigt im Raum auf; oben im Raum gelangt sie durch ein Gitter in den Graviventen und kühlt sich dort an den Wärmetauschern ab. Die nun kühle, schwerere Luft fällt durch einen Schacht nach unten und tritt am Boden durch Luftauslässe wieder in den Raum. Durch seinen Kamineffekt erhöht der Schacht den Luftdurchsatz und steigert damit die Leistung des Systems.

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