Kompakter StahlmantelWohnhaus im Passivhaus-Standard, Ulm
Architektonisches Neuland betraten die Architekten Mühlich, Fink + Partner aus Ulm mit einem Passivhaus im Stahlkleid - ein vorbildlicher Umgang mit der Bauaufgabe.
Ihr neues Haus sollte vor allem eins bieten: ein offenes Raumkonzept und viel Fläche zum Wohlfühlen. Die Außendarstellung dagegen durfte gern experimentell und spektakulär den Rahmen der gewöhnlichen Siedlungsbebauung sprengen. Einig waren sich Bauherren und Architekten bei der Wahl des Materials: die Fassade in Cor-Ten-Stahl überrascht und setzt das Passivhausthema „kompakte Bauweise“ auf ungewöhnliche Weise in Szene.
Der Passivhaus-Standard, für die Wohnbebauung in der Ulmer Expo-Siedlung Sonnenfeld zwingend vorge-geben, war auch für die Bauherren keine Frage; aber ein Haus im Öko-Look wollten sie partout nicht. Das Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen um eine individuelle Bauform war ein schlichter Kubus: konsequent nach Süden geöffnet, ansonsten streng verschlossen, bedeckt von einem Gründach. Das Besondere ist die Hülle aus oxydiertem Cor-Ten Stahl. Dem Wunsch der Bauherren nach einem wirklich außergewöhnlichen „Hauskleid“ kam der je nach Wetterlage mal schimmernd, mal stumpf, mal glänzend oder abweisend rau anmutende Rost am nächsten.
Die konkrete Ausformulierung ihrer Gestaltungsidee stellte die Architekten vor einige technische Herausforderungen. Das Fugenbild wollten sie sich nicht von produktionsbedingten Tafelformaten diktieren lassen, sondern leiteten es ab aus den Fensteröffnungen, nahmen deren Formate und Teilungen auf und ließen es zum integralen Bestandteil der klaren Form werden - kein gesondertes Attikablech, keine Abkantung, kein Überstand - die Fenster in der Fläche oder in die Ecke gerückt, ganz ohne Sims. Zu diesem scharf geschnittenen Gestaltungskonzept passte natürlich auch keine sichtbare Vernietung. Trotz der Auskragtiefe der Aluminium/Edelstahl-Unterkonstruktion und dem Einzelgewicht der Baustahlplatten fiel die Entscheidung für eine Verklebung, wofür in Abstimmung mit dem Passivhausinstitut und dem Fassadenbauer erst eine Sonderlösung entwickelt werden musste. Dank planerischer und handwerklicher Präzision hat sich die Konstruktion auch im vierten Jahre nach Fertigstellung bestens bewährt.
Das Grundrisskonzept entspricht dem Wunsch der Bauherren nach Offenheit und Weitläufigkeit. Ganz im Kontrast zu dem geheimnisvollen Außen zeigt sich das Gebäude drinnen von einer ganz anderen Seite: Auf 230 m² erstrecken sich zwei Wohngeschosse mit offener Raumstruktur. Den Wohnbedürfnissen entsprechend dominiert das Erdgeschoss eine geräumige „Lebensküche“ zum Kochen, für Hausaufgaben und Spielen, Arbeiten und Feiern. Wohn- und Gästebereich umschließen die zentrale Zone, freistehende Wandscheiben bilden flexible Räume. Im Obergeschoss gruppieren sich die Schlafräume um eine Wohlfühlzone mit Dampfbad und großzügiger Badelandschaft für die ganze Familie. Der vorgelagerte Windfang funktioniert als Klimapuffer für die kalte Nordseite.
Technische Anforderungen als Herausforderung für ästhetische Lösungen - so formulieren die Ulmer Architekten ihr Verständnis von Baukunst: Ihr Streben gilt der Vereinigung technischer und energetischer Standards mit individuellen Wohnansprüchen und einer anspruchsvollen Konzeption von Proportion, Licht und Material im Detail - mit Sinnlichkeit und Atmosphäre als höchstem Ziel.
Raffiniert und gleichzeitig schlicht ist das Gebäude eine schlüssige Einheit, der man die Energiesparbauweise nicht ansieht, die jedoch das strenge Passivhauskonzept auf konsequente Weise umsetzt und Maßstäbe setzt.
Mit ihrem Energiekonzept setzten die Architekten den Wunsch der Bauherren nach größtmöglicher Energieeffizienz um: Hoch effiziente Dämmung steht für extrem niedrigen Energieverbrauch, die technische Ausstattung ist wenig aufwendig. Gasbrennwerttherme mit Fußbodenkonvektoren und Einzelraumsteuerung, mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Erdwärmetauscher und ein Kaminofen, der eine Unterdruckabschaltung der Lüftung bewirken kann, ergänzen das Heiz- und Lüftungskonzept.Das Objekt zeigt beispielhaft, wie sich hocheffektives Energiesparen und ästhetische Baukunst verbinden: ein Wohnhaus für das 21. Jahrhundert.