Licht für lebenswerte Städte
Strategien und Ansätze für nachhaltige Beleuchtung im öffentlichen Raum
Lebensqualität wird ein immer stärkeres Argument im globalen Wettbewerb von Städten und Metropolen. Der Rhythmus des modernen Lebens hält sich nicht an die Tageszeiten, deswegen rückt die nächtliche Beleuchtung öffentlicher Räume in den Fokus von Architekten, Städte- und Lichtplanern: Gut geplantes Licht fördert die Attraktivität von Städten wie auch die Identifikation ihrer Bewohner; kurz: es macht Städte lebenswerter. Notwendig für den nachhaltigen Einsatz von Licht in der Stadt sind strategisches Vorgehen, konkrete Ansätze und eine zuverlässige technische Umsetzung.
New York, Rio, Tokyo: Selbst wer noch nicht dort war, kennt die charakteristischen Ansichten der Skylines und Topographien solcher Weltmetropolen durch die millionenfache Multiplikation in den Medien. Am eindrücklichsten jedoch sind häufig die nächtlichen Ansichten der Städte, wenn Tausende von Lichtpunkten Straßenzüge nachzeichnen, das flirrende Bunt der Leuchtreklamen ins Nachtleben lockt und wichtige Gebäude als leuchtende Wahrzeichen aus dem Dunkel herausragen. In jüngerer Zeit sind bei der Beleuchtung von Städten einige Strömungen zu beobachten, die für Planer große Chancen, aber auch viel Verantwortung mit sich bringen: Immer mehr und auch kleinere Städte oder Kommunen entdecken das Thema Beleuchtung für sich, angesichts der steigenden Energiekosten werden bestehende Systeme und Installationen kritisch überdacht und der Wettbewerb verlagert sich von einem quantitativ orientierten „immer mehr“ zu intelligenteren, qualitativ hochwertigen Lichtkonzepten. Auch der Design- und Zukunftsforscher John Thackara beschreibt diesen Trend: „Wir befinden uns mitten in einem tiefgreifenden Wandel weg von der Vorstellung, dass hell erleuchtete Städte ein Zeichen für Erfolg, Macht und Kreativität wären. Heute schaut man auf eine hell erleuchtete Stadt und denkt: »Diese Stadt hat keine Zukunft. Sie verschwendet eine gigantische Menge an Energie.« Die Städte der Zukunft werden nicht hell sein, sondern subtil und moduliert.“
Der Blick aufs große Ganze
Solche modulierten, subtilen Stadtbilder verlangen nach einem ganzheitlichen Planungsansatz. Waren Lichtmasterpläne vor wenigen Jahren noch das Privileg weniger Großstädte, gehören sie inzwischen beinahe zum guten Ton in der Stadtplanung. Die Entwicklung eines Lichtmasterplans ist eine komplexe Aufgabe, an der professionelle Lichtplaner interdisziplinär mit unterschiedlichen Fachgruppen etwa aus Baubehörden und Politik gemeinsam arbeiten. Mehr und mehr gewinnen dabei auch partizipative Entscheidungsprozesse an Boden, bei denen die Bürger einbezogen werden.
Licht steuert die Wahrnehmung der Stadt
Eine – wie von Thackara geforderte – subtile, modulierte Beleuchtung der Stadt ist in der Lage, vielfältige Informationen zu transportieren. Sie erfüllt einerseits funktionale Aspekte: Vor allem Sicherheit für Fahrzeuge auf den Straßen, für Fußgänger auf Plätzen, auf Wegen oder in Parks. Gut beleuchtete Rad- und Fußwege bieten ebenso wie attraktive Nahverkehrs-Haltestellen und Bahnhöfe Anreize für ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten der Bürger. Die Beleuchtung schafft visuelle Hierarchien und ermöglicht so die Orientierung: Straßen verschiedener Ordnung lassen sich mit Licht differenzieren, Gebäude werden unterschiedlich stark betont, Fluchten und Achsen im Stadtbild herausgearbeitet. Aber eine an der menschlichen Wahrnehmung orientierte Beleuchtung befriedigt darüber hinaus auch emotionale Bedürfnisse: Sie erzeugt charakteristische Atmosphären, bietet ästhetische Reize, sie schafft Bilder, die sich einprägen und bleibende Erinnerungen hinterlassen, sie schafft Wahrzeichen und stiftet Identität. Dabei kann ein Licht-Masterplan mit einer durchgängigen, wiedererkennbaren Gestaltungssprache den Rahmen vorgeben.
Große Wirkung durch viele kleine Eingriffe
Aber auch ohne einen Masterplan lässt sich durch wohldurchdachte kleine Schritte viel erreichen. John Thackara beschreibt dieses Vorgehen so: „Der gemeinsame Nenner von den erfolgreichen »Alltags-Projekten« überall auf der Welt besteht in der Zusammenarbeit von Menschen im Rahmen einer Reihe von kleinen Schritten. Anstatt zu sagen »Wir müssen das Wassersystem unserer Stadt neu erfinden, oder wir müssen die Stadt neu beleuchten«, kann man auch fragen: »Wie können wir einen übersichtlichen Teil verändern, den wir kontrollieren können? Wo gibt es bestehende Lösungen, die wir für uns nutzen können? Wie die Pixel eines Bildschirms fügen sich die vielen kleinen Veränderungen letztlich zu einem neuen, großen Bild«, so Thackara. Überall, wo beim Umgang mit Licht auf einen wahrnehmungsgerechten Einsatz der Mittel umgeschwenkt wird, entsteht Nachhaltigkeit fast wie von selbst.
Wie können solche Eingriffe für mehr Nachhaltigkeit konkret aussehen? Eine Grundregel der Wahrnehmung ist, dass die hellste Stelle einer Szenerie die größte Aufmerksamkeit
erhält und den Blick auf sich zieht. Davon leitet sich ab, in einer Beleuchtungssituation das hellste Element als Zielpunkt des Auges zu bestimmen und die restlichen Zonen entsprechend geringer zu beleuchten. Geht man umgekehrt vor, gerät der Energieverbrauch oft außer Kontrolle: Denn um eine deutlich wahrnehmbare Kontraststufe zu erzielen, muss die Beleuchtungsstärke auf der Zielfläche und damit auch der Energieverbrauch verdoppelt werden. Ein weiterer Denkansatz ist, bei der Beleuchtung eines Gebäudes oder Monuments ausschliesslich mit Akzentlicht zu arbeiten. So lässt sich Energie einsparen und dabei eine dramaturgische Steigerung erreichen. Auch Blendungsfreiheit ist ein Kriterium für Nachhaltigkeit: Ohne Blendung kann das menschliche Auge optimal adaptieren und auch mit energiesparend abgesenkten Beleuchtungsstärken auskommen.
Die Besonderheiten des Auges nutzen
Diese Adaptation des Auges lässt sich auch nutzen, wenn etwa Wege aus hellerer in dunklere Umgebung führen: Die Beleuchtung kann dann entsprechend graduell abgesenkt werden. Bei der Beleuchtung von Fußwegen und Plätzen sollte überlegt werden: Ist eine Bodenanstrahlung aus niedriger Höhe, etwa mit Pollern, Treppenleuchten oder wandmontierten Orientierungsleuchten möglich? Je näher die Lichtquelle an der beleuchteten Fläche ist, desto weniger Leistung wird benötigt. Die Raumsituation sollte auf Muster und Rhythmen in Architektur oder Vegetation untersucht werden – oft lassen sich dadurch Planungsziele mit weniger Beleuchtungskörpern erreichen.
Um Plätze und geschlossene Straßenzüge auch nachts wirken zu lassen, setzt man in der Regel Flutlicht auf den Fassaden ein. Das Ziel einer nachhaltigen Planung ist hier, nur die nötige Mindestmenge von Leuchten einzusetzen. Für optimale Abstände und Gleichmäßigkeit werden hochwertige Leuchten mit asymmetrischer Abstrahlung, gegebenenfalls mit zusätzlichen Linearlinsen, benötigt. Man kann aber die Frage stellen, ob eine absolut gleichmäßige Lichtverteilung in allen Fällen die beste Lösung ist. Eine Gestaltungslösung mit abnehmender Intensität bei zunehmender Fassadenhöhe kann in bestimmten Fällen der bessere – und energiesparende – Weg sein. Dieser Ansatz lässt sich auch hervorragend mit einer weiteren Methode kombinieren,
der Kantenbeleuchtung. Unser Auge sieht Kanten zuerst – eine leichte Betonung räumlicher Elemente und Kanten von Gebäuden mit Licht reduziert die benötigte Gesamtleistung im Vergleich mit einer Flutlicht-Lösung. Eine weitere Variante im Umgang mit gefluteten Flächen ist die Gestaltung mit Umrissen und Schatten: Hier befinden sich unbeleuchtete Objekte als Silhouette vor einem flächig beleuchteten Hintergrund. Insbesondere Bäume sorgen so für eine Verbindung aus Stadtraum und Natur, indem sich die Szenerie mit den Jahreszeiten und der unterschiedlichen Belaubung verändert.
Elektronische Intelligenz spart Ressourcen
All diese Ansätze beruhen auf dem Einsatz von differenzierten, präzisen Leuchten. Die folgenden Möglichkeiten für nachhaltige Lichtkonzepte bringen zusätzlich den Aspekt von elektronischem Lichtmanagement ins Spiel: Gezielt gestaltete Licht-Szenen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgerufen werden, um sich den jeweiligen Aktivitäten an den entsprechenden Orten anzupassen, fördern die Vielseitigkeit und sparen Energie. Die nächstliegendste Variante ist hier die Zeitsteuerung – in Form einer Absenkung der Straßenbeleuchtung in den späten Nachtstunden bereits vielfach als Energiesparmaßnahme gefordert. Aber Lichtmanagement lässt sich auch kreativ im Interesse der Nachhaltigkeit nutzen: Bewegtes Licht und Theatereffekte, beispielsweise auch in Form von Lichtkunstfassaden oder -objekten, ziehen die Aufmerksamkeit des Auges mit Farbe und Bewegung auch ohne hohe Beleuchtungspegel auf sich und können auf diese Weise den Energieverbrauch der Beleuchtung senken.
Zweckmäßige, langlebige Werkzeuge wählen
Bei den Lichtquellen wurden wir Zeugen einer technischen Revolution: LEDs haben sich innerhalb weniger Jahre zum alltagstauglichen, universellen und Ressourcen schonenden Leuchtmittel entwickelt. Sie werden in Leuchten für unterschiedlichste Anwendungsbereiche erfolgreich eingesetzt. Die entscheidenden Vorteile von LEDs liegen in der hervorragenden Effizienz, der Robustheit, der Wartungsfreiheit durch ihre extreme Lebensdauer sowie dem unkomplizierten, flexiblen Betrieb: Mit entsprechender Treiberelektronik lassen sich LED-Leuchten beliebig schalten, dimmen und vernetzen. Ihre Lichtverteilung lässt sich mit präzisen optischen Systemen kontrollieren. Da bei LEDs Lichtquelle und Leuchte meist eine wartungsfreie Einheit bilden, legt sich der Planer mit der Spezifizierung auch auf eine Lichtfarbe, in der Regel Neutral- oder Warmweiß, fest. Bei Qualitätsherstellern sind beide LED-Lichtfarben ähnlich hochwertig in Farbwiedergabe und Effizienz, so dass bei der Entscheidung gestalterische Gesichtspunkte leiten dürfen. Für die nach wie vor erhältlichen Hochdruck-Entladungslampen sprechen die breite Auswahl an entsprechenden Leuchten, die bewährte und zuverlässige Technik und der in der Regel geringere Preis der Leuchten.
Das Angebot an Leuchten für den öffentlichen Raum ist unüberschaubar groß und reicht von dekorativen Pollern und Laternen über funktionale Mastleuchten, Scheinwerfer und Fluter bis zu unauffälligen Einbau-Elementen, die sich nahtlos in die Architektur integrieren. Im Interesse einer nachhaltigen Investition ist es grundsätzlich empfehlenswert, bekannte und erfahrene Hersteller zu bevorzugen, die auf das Anwendungsfeld Stadtraum spezialisiert sind und langlebige, gut gestaltete Produkte anbieten. Um die Nachhaltigkeit einer Leuchte zu beurteilen, sollten nicht nur Einzelaspekte wie Anschaffungskosten und Energieverbrauch betrachtet werden: Es bedarf einer vollständigen Lebenszyklus-Analyse. Das ist die Untersuchung und Auswertung der ökologischen Auswirkungen eines bestimmten Produktes während aller Phasen des Lebenszyklus – von der Planung, der Gestaltung, der Herstellung und des Betriebs bis zum Recycling. Auf den ersten Blick preisgünstig erscheinende Angebote stellen sich bei einer solchen Betrachtung oft als weder nachhaltig noch langfristig wirtschaftlich heraus. Natürlich ist eine solche Analyse aufwendig und erfordert ein hohes Maß an Transparenz von den Herstellern. Es ist erfreulich, dass eine Vorhut von Herstellern im Architekturumfeld sich bereits heute an den Vorgaben der ISO-Norm 14025 orientiert und Umweltdeklarationen ihrer Produkte in verständlicher und verbindlicher Weise kommuniziert – unterstützt von Zertifizierern wie dem IBU – Institut Bauen und Umwelt e. V. (www.bau-umwelt.de).
Neue Normen schaffen Transparenz
Es liegt in der Hand der Planer und Spezifizierer, diese Transparenz hinsichtlich der Umwelteigenschaften ihrer Produkte von den Herstellern abzufordern. Mit vielen solchen kleinen Schritten lassen sich große Veränderungen bewirken – echte Nachhaltigkeit bei der Beleuchtung im öffentlichen Raum, und damit eine langfristige Perspektive für lebenswerte Städte, kann letztlich nur von Planern, Behörden, Politik, Bürgern und Herstellern gemeinsam erreicht werden.