Maßstabssprung
Kita Troplo-Kids Beiersdorf AG, Hamburg

Im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel baute das Büro kadawittfeldarchitektur die Kindertagesstätte Troplo-Kids für die Beiersdorf AG. Die Architekten haben durch Maßstabssprünge spannende Perspektivwechsel erzeugt und mit der gewählten Farbigkeit das spielerische Moment kindlicher Nutzer einbezogen.

Die Kita Troplo-Kids, Betriebskindergarten der Beiersdorf AG in Hamburg, gehört zu den Architekturprojekten, die direkt und auf Anhieb auf den Betrachter wirken. Das Gebäude hat eine wohl dosierte Präsenz, ohne mächtig zu wirken. Im Gegenteil – eher fordert es gerade seine kleinen Nutzer dazu auf, es in Benutzung zu nehmen. Das Büro kadawittfeldarchitekur aus Aachen entschied sich für einen schlichten, zweigeschossigen, kompakten Baukörper mit einer Fassade aus dunkelgrauen Aluminiumpaneelen, die an ihren Längsseiten durch ein unregelmäßiges Raster aufgegliedert wird. Wie in einem Regalsystem sind darin farbige Fassadenboxen in Grün, Gelb, Blau und Lila eingeschoben, die mit einer Tiefe von 60 cm, mal von innen, mal von außen als Rückzugsnische oder auch als Präsentationsvitrine genutzt werden können. Sie verleihen dem Gebäude eine besondere Ausstrahlung und schaffen Identifikation für die Kinder, denn die Farbe der Fassadenbox wiederholt sich jeweils in den Gruppenräumen, an den Eingangstüren sowie den dazugehörigen Garderoben.

Dem Fassaden-Entwurf lag dabei die Idee eines überdimensionalen Apothekerschranks zu Grunde. Das Thema Maßstabssprung war insgesamt wichtig und taucht in unterschiedlicher Weise im und am Gebäude auf. „Die Fassade war für uns ein besonderes Thema“, betont Arno Schleicher, Architekt und Projektleiter bei kadawittfeldarchitektur. „Spannend ist, dass durch diese Art der Fassadengestaltung der Maßstab des Gebäudes aufgebrochen wird. Sowohl durch ihre Farbigkeit als auch durch ihre Gliederung und Skulpturhaftigkeit bekommt das Gebäude ein ganz eigenes Maß. So lässt sich auf den ersten Blick nicht sagen, über wie viele Geschosse es eigentlich verfügt.“

Ein weiterer Maßstabssprung findet im Inneren des Gebäudes statt: In dem zweigeschossigen Mehrzweckraum, dem Herzstück der Kita, lädt eine große Freitreppe mit knapp 35 cm hohen Sitzstufen die Kinder nicht nur zum Hinsetzen, sondern auch zum Klettern und Erkunden ein. Neben der Freitreppe verläuft eine normale Treppe im üblichen Steigungsmaß, die die Überdimensionalität der Sitzstufen deutlich macht.

Auch dieser zentrale Kommunikationsraum präsentiert sich, ähnlich wie die Fassade, in einer starken Farbigkeit, die etwas angenehm Selbstbewusstes ausstrahlt. „Wir hatten eigentlich einen etwas dezenteren Grünton vorgeschlagen, aber das ausgeführte Frühlingsgrün wurde von den Betreibern des Kindergartens ausdrücklich gewünscht“, erklärt Arno Schleicher das Farbkonzept. „Die Farben sind sehr kräftig, wurden aber immer in Maßen eingesetzt.“ So ist im Mehrzweckraum zwar sehr intensiv mit Farbe gearbeitet worden, die angrenzenden Flure sind hingegen sehr zurückhaltend mit weißen Wänden und einem Holzfußboden gestaltet.

Farbigkeit kommt dann wieder in den Gruppenräumen ins Spiel. Die Architekten haben hier nicht nur die Räume, sondern auch Spiellandschaften, die wiederum an überdimensionale Bauklötze erinnern, mit Rutschen, Puppenküchen und Snoozle-Höhlen entworfen, die den Farbkanon der Fassade aufgreifen.

Barrierefreiheit

Die gesamte Planung des Gebäudes erfolgte in enger Abstimmung zwischen Bauherr, Architekt und der Leitung der Kindertagesstätte. Die Einrichtung existiert seit mehr als 75 Jahren und war bis dahin in angemieteten Gebäuden in der Nähe untergebracht. „Es gehört zur langjährigen Unternehmenskultur von Beiersdorf, sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu engagieren. Bereits 1898 richtete der damalige Unternehmensleiter Dr. Oscar Troplowitz eine sogenannte Stillstube ein“, erklärt Heinz Neumann, Projektleiter der Bauherrnseite. „Ende der 1930er-Jahre setzte Beiersdorf einen Meilenstein mit der Eröffnung einer betriebseigenen Kindertagesstätte. Die Idee für einen Neubau entstand jetzt durch die gewachsene Nachfrage, insbesondere nach Krippenplätzen.“

Ein Aspekt des pädagogischen Konzepts war, kein Kind auf Grund von Handicaps auszuschließen. So wurde die Kita wegen ihrer Zweigeschossigkeit durch einen Aufzug barrierefrei gestaltet. Dem Auftraggeber ging es dabei sowohl um die Integration von Kindern mit Behinderung als auch um den uneingeschränkten Zugang von Eltern und anderen Verwandten in das Gebäude, wenn diese grundsätzlich oder vorübergehend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

Barrierefreiheit ist auch ein Prüfkriterium der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Für das DGNB-Nutzungsprofil NBI 2009 – Kindertagesstätten gab es zur Planungszeit allerdings noch kein gebautes Anwendungsbeispiel. „Daher war die Umsetzung der DGNB-Kriterien nicht immer ganz einfach“, so Planer Schleicher. „Dennoch hat sich der Aufwand gelohnt, zum Beispiel durch die Verwendung hochwertiger Materialien gemäß den DGNB-Anforderungen.“ Der Kindergarten wurde als zweite Kita in Deutschland mit dem DGNB-Siegel in Gold (heute Platin) ausgezeichnet und hat somit eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet übernommen. Bereits zu Beginn der Planungsphase war innerhalb des gesamten Planungs- und Projektteams das verbindliche DGNB-Zertifizierungsziel Gold bzw. Platin definiert worden.

Nachhaltigkeit

Die barrierefreie Ausführung der Kita ist natürlich nur ein Aspekt der Anforderungsliste des Siegels. Die Nachhaltigkeit des Gebäudes konnte in sehr vielen Punkten nachgewiesen werden. So wurde beispielsweise auf die Verwendung schadstoff- und emissionsarmer Materialien sowie zertifizierter Hölzer und Holzwerkstoffe geachtet. Das energetische Konzept umfasst unter anderem die Wärmeversorgung über KWK-Nahwärme, Lüftung mit WRG, Strom über eine PV-Anlage sowie eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle. Auf die Qualität der Lüftungsanlage wurde dabei besonders viel Wert gelegt. „Wir stellen grundsätzlich in all unseren Gebäuden sehr hohe Anforderungen an die Lüftungstechnik und die Raumluftqualität. Das Kita-Gebäude sollte dabei im Standard nicht abfallen“, erläutert Heinz Neumann. Gleichzeitig kam diese Anforderung auch den Anforderungen des DGNB-Siegels entgegen.

Der akustische Komfort spielt in einem Kindergarten ebenfalls eine wesentliche Rolle. Entsprechend hoch waren die Anforderungen an die akustische Bedämpfung und Sprachverständlichkeit besonders im Betreuungs-, Kantinen- und Erschließungsbereich. Die Gipskarton-Akustik­decken wurden dementsprechend bis ca. 80 cm an den Wänden heruntergeführt und in die Gestaltung der Schrankwände eingebunden.

Neben dem von der Kita-Leitung definierten Raumprogramm und den Anforderungen des DGNB-Siegels war auch der Wunsch nach Nutzungsflexibilität zu berücksichtigen. Das Gebäude sollte mit geringem Aufwand und ohne große Eingriffe in die Bausubstanz beispielsweise auch in ein Boarding-Haus mit Seminarräumen umgewandelt werden können.

Daran wird deutlich, dass ein Kindergartengebäude sich in seiner Maßstäblichkeit nicht grundsätzlich von einem Gebäude für ausschließlich erwachsene Nutzer unterscheiden muss. Die Themen Maßstabssprung und Perspektivwechsel wurden hingegen auch im Außenbereich noch einmal aufgegriffen. Der Hamburger Künstler Fabian Wendling installierte hier ein übergroßes Dosentelefon, das die Kinder nicht nur zum Telefonieren, sondern auch zum Klettern, Balancieren und Trommeln nutzen können. Nina Greve, Lübeck

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