Mauerwerk pur
Haus Maintz, Ollheim

Es ist wohl nicht von der Hand zu weisen, dass es am Ende nur das Beste geben kann, wenn ein Architekt es versteht, aus dem Bestand das Beste herauszuholen. Gerade auch dann, wenn man einem Mauerwerksbau wie dem in Ollheim in so erfindungsreicher Weise an die Substanz geht, wie es der Architekt getan hat.

In Ollheim liegt der Hund begraben. Könnte man denken. Wer über die Dorfstraße des 800-Seelenorts läuft, kommt an vielen Wohnhäusern vorbei, denen man ihre Hof-Geschichte förmlich ansieht. Wenn Tore offen stehen, schaut man in vierseitig gefasste Höfe, sogenannte Vierkanthöfe. Einer davon steht als Ensemble unter Denkmalschutz, nun soll er Stück für Stück für Wohnen und Arbeiten umgebaut werden.

Die Bauherrin, die auf diesem Hof ihre Kindheit erlebte und mittlerweile vielreisend unterwegs ist, hat sich an ihre Wurzeln zurück erinnert und lebt nun im ersten, beinahe fertiggestellten Bauabschnitt mit Mann und Sohn und Blick in einen Garten, der sich scheinbar endlos in die Landschaft öffnet. Einen Architekten für die entwurflich, aber auch bautechnisch sehr anspruchsvolle Aufgabe zu gewinnen, wurde ihr leicht gemacht: Familiäre Kontakte zu den Bienefelds waren lang schon vorhanden, sie und ihre Brüder (in Häusern gegenüber) vertrauen ganz dem bienefeldschen Gespür für das Material, den Raum und alle in diesen Dingen liegenden Chancen.

Entwurf mit Denkmalschutz

Der Entwurf der Verwandlung der rückseitig den Hof abschließenden Scheune in Wohnflächen versteht sich als Teil einer Umgestaltung der gesamten Hofanlage, eines über die Jahrzehnte immer wieder umgebauten Ensembles (s. Modell hier auf S. 37). Hier möchte Nikolaus Bienefeld unter anderem die Situation der ehemals zur Straße abgeschlossenen Hofeinfahrt neu ordnen, bestehende Volumina in einem veränderten Erschließungssystem neu definieren. Dem Umbau der Scheune gingen längere Klärungsprozesse mit der Denkmalbehörde voraus. Seit 1988 besteht für den Hof Ensemble-Schutz. In der Klärung über die Umnutzung der Scheune gab es verschiedene Haltungen dazu, was der Bestandsschutz für den ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäudekomplex bedeutet: welche Maueröffnungen möglich sind und ob die Durchfahrten niedrig bleiben – oder als traufhohe Einschnitte die bestehende dreiteilige Anlage der Scheune sichtbar machen und zudem für ausreichende Belichtung der Innenräume sorgen. Der nun erfolgte Ausbau ist das Ergebnis eines Kompromisses, für den sich auch die Gemeinde engagierte, denn die Umnutzung des Bestands im Ortskern liegt im gemeinschaftlichen Interesse einer strukturellen Aufwertung des Dorfs.

In der aktuell dreigeteilten Scheune, deren Teile vom durchlaufenden Dach sichtbar in eins gebunden werden, steht in der Mitte der zweigeschossige Wohnbau mit Wohn- und Kochlandschaft und Gäste-WC im Erdgeschoss, im OG liegen die Schlafräume und Badezimmer. Der flache Dachboden unterm Kaltdach ist typische Abstell- und Lagerfläche. Der – vom Hof aus gesehen – rechte Teil der Scheune war für eine Büronutzung vorgesehen, wird aber für eine Einliegerwohnung ausgerüstet. Das OG in diesem Teil ist im Augenblick noch unbezogen, der große Raum ist noch offen, mit Blickbezügen zum Nachbarwohnteil und Ausblick in den schon genannten Garten.

Mauerwerk

Die Scheune, die in der Vierkanthofanlage zuerst umgebaut wurde, ist ein aus Feldbrandziegel gemauerter Quader mit offener Dachkonstruktion. Zwei Einfahrten mit gemauertem Rundbogen erschließen das Lagerhaus vom Hof, dazwischen gibt es zwei weitere Tore/Türen ins Innere. Zur Gartenseite gab es, dem linken Scheunentor gegenüber, ebenfalls eine mit Rundbogen gemauerte Einfahrt sowie weitere Türen und Fenster im Erdgeschoss.

Die massive Ziegelwand hat eine Stärke von etwa 53 cm, die Feldbrandziegel sind in unregelmäßigem Blockverband gemauert. Größter Schaden im Bestand war durch den unsachgemäßen Anbau eines Schleppdachs zur Hofseite entstanden: Aus dem Gleichgewicht gebracht, reagierten die Längswände der Scheune mit einer Neigung zum Hof. Über die gesamte Wandhöhe kam so ein Versatz von beinahe 20 cm zustande. Nach dem Entfernen der Dachflächenerweiterung haben sich die Wände in der Rohbauphase tatsächlich um einige Zentimeter zurück gen lotrecht aufgerichtet. Die Schrägstellung der Wände war mit ein Grund dafür, die Geschossdecken statisch vom Mauerwerk zu entkoppeln.

Probleme gab es auch mit dem Verbund innerhalb des Mauerwerks in Querrichtung (über mehrere Schichten hin), das üblicherweise mit nicht frostbeständigem Hintermauerstein gefüllt ist und in Ollheim durch das Aufschneiden des Mauerwerks sichtbar wurde. Die vielen Fehlstellen wurden nachträglich im Verbund wieder vermauert, sodass an diesen Stellen die reinen Schnittflächen nicht mehr sichtbar sind.

Bienefeld nahm die Arbeiten am Mauerwerk zum Anlass, auch die Fugenausbildung zu bearbeiten. So wurde das Fugenbild durch einen eigens angemischten Mörtel so verändert, dass Fuge und Stein farblich, aber auch von der Oberfläche her (überstehendes Material wurde mit dem Besen abgekehrt), eine Einheit bilden.

Mauerwerk schneiden / Sturzausbildung à la Piranesi

Nun galt es, das Mauerwerk neu zu organisieren. Dabei wurde die ursprünglich geplante Aufweitung der vorhandenen, hofseitigen Einfahrten bis unters Dach nicht realisiert, die gemauerten Rundbögen wurden erhalten. Allerdings konnten Fensteröffnungen im ersten OG eingebracht werden. Um die waagerechten Stürze nicht aufwendig unsichtbar zu hinterfangen oder schlicht als Stahlstürze auszubilden, konnte Bienefeld auf eine Zeichnung Piranesis zurückgreifen, die ihm in jüngerer Vergangenheit untergekommen war. Hier war die Bogenausbildung eines römischen Aquädukts eher ungewöhnlich dargestellt: Anstelle der radial gesetzten Steine zeigt Piranesi radial geordnete, flache Scheiben, deren relativ weiter Zwischenraum mit horizontal geschichtetem Steinmaterial aufgefüllt ist. Bienefeld wollte hierzu – „weil denkmalpflegerisch hochinteressant“ – an seiner Hochschule bereits eine Forschungsinitiative starten, der Förderantrag beim BBSR, Berlin, verlief allerdings im Sande.

In Ollheim setzte der Architekt die alte Technik um. In einem ersten Schritt wurden zwei Schlitze für die Sturzausbildung wie auch das Fenster in seiner späteren Größe mit einer Widia-Kettensäge ins Mauerwerk gesägt. Die Sturzschlitze werden ausgeräumt und mit druckfesten Tonplatten mit speziellem, schwindarmem Mörtel ausgemauert. Nach dem Aushärten des Mörtels konnte die gesamte Öffnung ohne zusätzliche Abstützung freigeräumt werden.

Dieses einfache wie zugleich sehr anspruchsvolle Verfahren gelang tadellos bei den relativ kleinen neuen Fenstern im Obergeschoss auf Hof- und Gartenseite. Allerdings versagte die Technik bei der Spannweite des großen Fenster-/Türenelements auf der Gartenseite. Das Wandmaterial besitzt – wie oben schon beschrieben – nicht die homogene Konsistenz, die hier nötig gewesen wäre. Am Ende wurde in die Schalung, die schon für den Sockel der Vollholzwände in den Durchfahrten genommen wurde, ein bewehrter Betonsturz gegossen.

Die Pfeilerausbildung zum Garten hin war ebenfalls eine Herausforderung. Nach dem Schließen dieses Fassadenteils wurde er in vier von oben nach unten durchlaufenden Schnitten gebäudehoch geöffnet. Auf den
ersten Blick mag das statisch gewagt erscheinen, doch nach der Faustregel „minimal ein Zehntel Durchmesser der Gesamthöhe ist ausreichend“ kann entspannt von Standfes-tigkeit ausgegangen werden.

Neigung der Wände / Übergang Fenster

Die Neigung der Wände wurde geschossweise ausgeglichen, indem direkt auf das Mauerwerk ein ausgleichender Lehmputz aufgebracht wurde. Er dient als Untergrund für die 6 cm und 2 cm starken, mineralischen Dämmplatten, auf welche wiederum großformatige, unbehandelte Tischlerplatten befestigt wurden, die die Sichtflächen sämtlicher Wohnbereiche bilden.

Um die Fensteröffnungen im Obergeschoss möglichst ganzflächig verglasen zu können, wird der Dreh-/Kipprahmen vor die Innenwand gesetzt. Die Not zur Tugend machend versenkte der Architekt die Entwässerungsrinne unterhalb des Fensterbleches vor dem Fenster. Sie entwässert über ein kleines Rohr, das mittig unterhalb der Fenster als Wasserspeier austritt. Rinne wie auch Verkleidung des Übergangs von lotrecht gesetzten Fens-tern zur geneigten Wand (Hof- und Gartenseite) sind als ein Element aus Blei geformt.

Fazit

Das Haus Maintz in Ollheim ist Mauerwerk pur. Nikolaus Bienefeld hat hier, in einem gleichsam 1. Bauabschnitt, zwei Wohneinheiten so in die Scheune eingepflanzt, dass das dem seit 1988 unter Ensemble-Schutz stehenden Hof nicht nur nicht weh tut. Die erfindungsreiche Arbeit mit dem Ziegel und seinem Verband, der Respekt vor den Materialien und dabei gleichzeitig die gelungene Fortschreibung der Hausgeschichte, alles das wiegt schwerer als das auch vorhandende Bedauern, dass hier nicht noch radikaler, die Formen und Nutzungen klärend eingegriffen werden durfte. Die gewölbten Zufahrten sind zwar irgendwie original, der durch sie verur-sachte niedrige Querschnitt verhindert aber die vom Architekten angestrebten klaren Bezüge zwischen Hof und Gartenlandschaft. Die Familie aber freut sich, dass über die Öffnung der Gartenfassade die Landschaft und der Himmel darüber fast überall im Haus anwesend sind. Be. K.

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