Mehr Online-Dialog wagen – digitale BürgerInnenbeteiligung

Beteiligung im Internet schafft neue, flexible Möglichkeiten, damit sich BürgerInnen, AnwohnerInnen, Interessensgruppen sowie Träger öffentlicher Belange (TöB) gehört und ­eingebunden fühlen. Grundlage für jeden digitalen Dialog sind gut aufbereitete Informa­tionen: verständlich und passgenau.

Dass multimediales Informationsmanagement genauso zu einem Projekt gehört wie ein Zeitplan oder die Evaluation, hat sich mittlerweile durchgesetzt. Doch nicht nur wenn Projekte komplex werden, sondern gerade, wenn unterschiedliche Sichtweisen und Interessen aufeinander­stoßen, spielt die Projektkommunikation eine entscheidende Rolle. Sie prägt den Interessensausgleich, also ob sich Konflikte entschärfen oder zuspitzen.

Dabei entwickeln Formate und Projekte der digitalen Beteiligung in den letzten Monaten durch die Corona-Pandemie eine neue Dynamik. Sogar auf gesetzgeberischer Seite: Um Planungs- und Genehmigungsverfahren in Pandemie-Zeiten umsetzen zu können, erlaubt das Planungssicherstellungsgesetz neuerdings das Instrument einer Online-Konsultation. Der Vorteil liegt auf der Hand: Er ermöglicht eine Teilhabe unabhängig von Raum und Zeit. Neben klassischen Formaten, wie Planungswerkstätten oder Bürgerinforma­tionsmärkten, versuchen sich im Digitalen zunehmend auch neue Dialogformate: kurze, konzentrierte Formate wie Online-Sprechstunden, Live-Sessions oder Themen-Barcamps.

Unsere Erfahrung bei Infrastrukturprojekten zeigt: Die Aufgaben des Dialogs, über das Vorhaben zu informieren, Entscheidungen zu erklären, aber auch weitere Perspektiven und Bedenken einzuholen, lassen sich gut digital abbilden – gerade auch weil neue Tools für den Dialog genutzt werden können. Die Beteiligungsmöglichkeiten werden gut angenommen, beinhalten aber auch Fallstricke, die im Vorfeld geklärt werden müssen oder auf die reagiert werden muss. Denn: Mut gehört dazu, aber auch eine gute Vorbereitung.

Beteiligung hat keinen Selbstzweck

Wenn Vorhabenträger einen Beteiligungsprozess planen, ist es wichtig, klar den Beteiligungs­gegenstand abzugrenzen: Wie transparent und detailliert kann informiert werden? Wie kann eine Konsultation aussehen? Zu welchen Fragestellungen braucht es eine Resonanz? Wie ergeb­nis­offen ist der Dialog? Beteiligung, die ein Projekt nur als Feigenblatt ziert, wird schnell als solches enttarnt. Planungen sind komplex, aber begründet. Der Begriff Beteiligung weckt andere Erwartungen als ein Dialog. Wichtig ist daher beim ­Dialogformat, zuzuhören und ernstzunehmen.

Im Rahmen eines Infrastrukturprojekts, bei dem ein Straßenbahnausbau geplant wird, zeigen sich die Erfolgsfaktoren für digitalen Dialog. Das Ziel der digitalen Beteiligungsplattform ist: Pläne vorzustellen, Ideen und Hinweise einzusammeln, aber auch Fragen und Konfliktpunkte festzuhalten. Fragen und Kritik sind digital nicht weniger wertvoll als im Analogen. Sie werden sogar direkt veröffentlicht und dokumentiert. Beteiligung muss nicht heißen, nachher unterstützen alle die eine Lösung oder die eine Idee, sondern kann auch heißen, Lösungswege zu erklären und unterschiedliche Sichtweisen herauszuarbeiten. ­Daher ist eine neutrale Moderation, die auf die Netiquette und Verständlichkeit der Beiträge achtet, auch im digitalen Raum grundlegend.

Der technische Rahmen ist keine Hürde

Der digitale Raum ermöglicht eine passgenauere Informationsaufbereitung sowie flexiblere Beteiligung: Karten können interaktiv genutzt, Planungsdokumente übersichtlich verfügbar gemacht werden, Daten visuell dargestellt oder Videos eingebunden werden. Für die Dialogplattform ergeben sich daher neue Möglichkeiten: In einer digitalen Karte können StakeholderInnen eigene Beiträge und Vorschläge verorten, andere Beiträge kommentieren oder eigene Varianten interaktiv bauen.

Um Komplexes einfach darzustellen, bieten sich kommentierte, interaktive Lagepläne oder eingesprochene Formate wie Webcast und Erklärfilme an. Diese müssen nicht lang sein, verdeutlichen aber eine Botschaft: Wir möchten informieren und sind offen für einen Dialog.

Die Erfahrung im Rahmen der Straßenbahnerweiterung zeigt: Vorbereitung ist und bleibt Trumpf. Eine passende Lösung für alle Vorhaben gibt es natürlich nicht. Was analog gilt, hat auch im ­digitalen Raum seine Wichtigkeit: Komplexes zu erklären, unterschiedliche Erwartungen ernstzunehmen und das Vorgehen zu erklären. Ein passendes Tool, klare Spielregeln und neutrale Moderation helfen bei der Zielerreichung.

Digitaler Kanal löst Mehrzweckhalle ab

Ein echter Gedankenaustausch gelingt weiterhin am besten zwischen Menschen: Dialog lebt vom direkten Aufeinander-Eingehen, auch unbewusste Kommunikation und ein Vertrauen bildendes Auf-Augenhöhe-Sein spielen eine Rolle. Das muss nicht im Widerspruch zu einem digitalen Dialog stehen, denn Online-Sprechzeiten, digitale Townhall oder virtuelle Workshops eröffnen neue Chancen für den Austausch. Der Informationsaustausch ist direkt und tiefgehend, denn es gibt eine Resonanz. Der Fokus liegt auf der Klärung von Fragen. Dies stärkt die Beziehungs­ebene der Teilnehmenden – durch Aufmerksamkeit und Austausch auf Augenhöhe.  

Ein Fazit: alles Gleich im Neuen?

Digital ist das neue analog? Nicht ganz, denn Thema, Ziel und Leitfragen bleiben gleich. Der veränderte Kommunikationsrahmen ermöglicht neue Chancen, aber hat auch Grenzen.

Eine klassische digitale Beteiligungsplattform bietet passende Informationen an und ermöglicht Fragen und Anmerkungen beizutragen und zu dokumentieren – als asynchrone Kommunikation, die nicht an Ort und Zeit gebunden ist. Ein Live-Format vertieft wiederum den diskutierenden und konsultativen Aspekt: durch den Fokus auf eine bestimmte Fragestellung oder durch einen Blick auf das große Ganze.

Für welches Format sich Vorhabenträger entscheiden, hängt immer auch von Beteiligungs­gegenstand und dem Zweck ab. Idealerweise ergänzen sich verschiedene Formen und greifen ineinander über. Was dabei immer sticht, sind Klarheit und Ehrlichkeit: Digital erfordert eine schnellere Rückmeldung. Punkte, die noch offen oder problematisch sind, können auch als solche kenntlich gemacht werden. Transparenz schafft Akzeptanz.

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