Mehrwert durch NachhaltigkeitZweite Consense übertrifft alle Erwartungen
Der internationale Kongress mit Fachausstellung für Nachhaltiges Bauen, der am 23. und 24. Juni 2009 zum zweiten Mal auf der Messe Stuttgart stattfand, zog an beiden Messetagen 1650 Teilnehmer aus 16 Nationen an.
Unter dem Motto „Mehrwert schaffen – Nachhaltigkeit in der Bau- und Immobilienwirtschaft“ boten die beiden Veranstalter, Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und Messe Stuttgart, dem Fachpublikum der Architekten und Ingenieure, Investoren, Betreibern und Bauherrn ein ausgewähltes Programm rund um das nachhaltige Bauen. Im Fokus stand zudem das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen, das zum zweiten Mal vergeben wurde. Entwickelt haben das System die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) und das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) –16 Objekte erhielten aus dem Bereich „neue Büro- und Verwaltungsgebäude“ das Zertifikat, beziehungsweise Vorzertifikat. Erstmals ging die Urkunde auch ins Ausland, an das „Towntown Company Building 09 in Wien (Vorzertifikat in Gold). „Die große Nachfrage zeigt, wie wichtig das Thema in der Bau- und Immobilienbranche ist“, bilanziert Prof. Dr. Ing. Werner Sobek, Präsident der DGNB. Ein Höhepunkt bei der Consense war die Vertragsunterzeichnung zur Anpassung des DGNB Systems für Österreich und China.
Als Teilnehmermagnet entwickelten sich auch die begleitenden Workshops zu Schwerpunktthemen wie Life Cycle Cost und Zertifizierungs-Software. Dieser Bereich soll künftig ausgebaut werden. Partner dafür ist die ILM-Konferenz, die ihr thematisches Konzept „Immobilien Lebenszyklus Management“ bei der Planung, dem Bau und der Bewirtschaftung von Immobilien ab 2010 in die Consense einbringt. Nachhaltiges Bauen liegt voll im Trend, derzeit wird das flexible Ratingsystem Schritt für Schritt auf Bestands- und Wohnbauten, Retail und andere Bauwerkstypen erweitert. Auf diese Weise sollen bereits ab Herbst 2009 weitere Gebäudetypen und auch ganze Quartiere mit dem Deutschen Gütesiegel Nachhaltiges Bauen zertifiziert werden können.
Auf der Expo Real, 5.bis 7. Oktober in München, erhalten erstmals Handels- und Industriebauten das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen. Was jetzt folgen muss, sind die Zertifizierungen für unseren Bestand. Investoren, Betreiber, Immobilienbesitzer fordern dies vehement.
Noch ein Satz zur derzeitigen Diskussion um und über die DGNB: Jeder weiß, dass es interne Probleme hinsichtlich der Ausbildung der Auditoren gibt, dass es auch auf politischer wie auf Verbändeebene unterschiedliche Ansätze gibt und Befindlichkeiten offen ausgetragen werden. Wenn wir aber alle Konsens darüber haben, dass wir einen grundlegenden Wandel in der Bau- und Immobilienwirtschaft haben müssen, um unsere Ressourcen zu schützen, Energieeffizienz , Wohn- und Arbeitsgesundheit und Wertstabilität zu erzeugen, dann brauchen wir das Instrument Gütesiegel DGNB zur Bewertung von Gebäuden und damit zur klaren Orientierung in den Fragen des nachhaltigen Bauens. Die Verantwortlichen müssen sich auch dieser Verantwortung gemeinsam stellen und nicht zusätzliche Unsicherheit in eine Branche tragen, die gerade den richtigen Weg eingeschlagen hat, Gebäude wirklich nachhaltig bauen zu wollen. Es geht nicht zuletzt um unsere Umwelt, die wir verantwortungsbewusst und nachhaltig behandeln müssen. BF
Interview mit Prof. Werner Sobek
DBZ: Herr Prof. Sobek, welches Fazit ziehen Sie aus der Consense 2009?
Werner Sobek: Die Consense 2009 war ein großer Erfolg, über den wir uns sehr freuen. Der stete Anstieg der Besucherzahlen spricht für sich: Wir konnten über 900 Teilnehmer aus 16 Nationen verzeichnen. Die Consense ist damit der größte Kongress zum Thema des Nachhaltigen Bauens in Europa. Das große Interesse macht deutlich, dass Nachhaltigkeit von allen Bereichen des Bau- und Immobilienwesens als zentrale Aufgabe erkannt worden ist. Die Zahlen dokumentieren die breite Akzeptanz und den großen Zuspruch der Branche gegenüber der DGNB und ihrem Zertifizierungssystem. Die Qualität der zahlreichen Workshops und Fachvorträge haben auch sehr anschaulich gezeigt, dass in Deutschland im internationalen Vergleich eine sehr hohe Kompetenz im Bereich der Nachhaltigkeit vorhanden ist.
DBZ: Haben Sie eine Botschaft an die Architekten und Ingenieure?
Werner Sobek: Vom Zertifizierungssystem der DGNB können alle profitieren, die an Planung, Bau, Betrieb oder Nutzung eines Gebäudes beteiligt sind. Mit unserem Zertifizierungssystem lassen sich Gebäudequalitäten nach wissenschaftlichen Kriterien nachweisen und transparent machen. Das System ist kontinuierlich fortschreibbar und aus der Praxis für die Praxis entwickelt. Das Gütesiegel dokumentiert die Nachhaltigkeit eines Gebäudes deutlich nach außen; es nützt somit nicht nur dem Bauherrn, sondern auch den beteiligten Planern. Für sie bietet sich durch eine Auditorentätigkeit die Möglichkeit, zusätzliche Planungs- und Beratungsleistungen zu übernehmen. Der Auditor unterstützt den Bauherrn auf dem Weg zum Gütesiegel und übernimmt die organisatorische Abwicklung mit der DGNB. Durch diese zusätzliche Kompetenz erweitert sich das Leistungsangebot der Planer.
Interview mit Dominik Agsten
DBZ: Herr Agsten, Sie sind Architekt und im Rahmen Ihrer Tätigkeit bei einem Unternehmen zur Consense 2009 gekommen. Ist Ihre Erwartungshaltung auf der Consense erfüllt?
Dominik Agsten: Das Unternehmen für das ich arbeite, darf sich zum gesunden Mittelstand zählen und realisiert Projekte vom Einfamilienhaus bis zum Großobjekt. Aus unserem Blickwinkel darf ich die Veranstaltung sicherlich als bestens organisiert bezeichnen. Mir wurde allerdings schnell klar, dass trotz der wertvollen Inhalte noch keine Verbindung zu einer breiteren Öffentlichkeit hergestellt wurde. Dies beziehe ich nicht auf das Marketing sondern vielmehr auf das wirtschaftliche Umfeld, das hier in erster Linie angesprochen wird. Auch wurden mir die, erst im Nachlauf recherchierten Zusammenhänge und Abhängigkeit zwischen DGNB und BMVBS nicht klar genug bzw. gar nicht dargestellt.
DBZ: Sie waren in dem Workshop zur Auditorenausbildung, wohl mit der Maßgabe, selber Auditor zu werden. Werden sie bald einer?
Dominik Agsten: Vermutlich nicht; und das hat hauptsächlich zwei Gründe. Erstens erschienen mir die Angaben über Inhalte, Befugnisse, Aufgaben, Verdingung und Prüfung des Auditors in Verbindung mit der Komplexität dessen Arbeitsumfeldes im Rahmen des Workshops reichlich unausgegoren. Mir drängte sich die Frage auf, ob überhaupt alle Kriterien weit genug entwickelt sind bzw. tatsächlich Marktreife haben.
Und, einen gutrangigen Mitarbeiter für ca. einen Monat ausbilden zu lassen, ist für mittelständige Betriebe eine nicht unbedeutende Maßnahme.
DBZ: Das DGNB-Zertifikat dokumentiert eine hohe Gebäudequalität und steht für nachhaltiges Bauen. Können Sie in Gesprächen mit Bauherren/Investoren diesen Anspruch vermitteln, erkennen Sie die Bereitschaft, dem Anspruch zu folgen?
Dominik Agsten: Diesen Anspruch kann man schon seit längerem sehr gut vermitteln, wenn man nur ausreichend will. Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ ist hier schon etwas schwieriger. Das Gütesiegel kann hier helfen, die immer noch nötigen Vorträge zu verkürzen. Die nötigen Mehraufwendungen lassen sich derzeit noch schwer im Vorlauf beziffern. Rechtfertigen muss man diese immer mit Amortisationszeiten und wenn möglich mit dem „grünen Gewissen“.
DBZ: Was wünschen Sie sich für die nächste „Consense“ für Inhalte?
Dominik Agsten: Ich hoffe, dass an der kommenden Consense von einer breiten Einigung bezgl. des Gütesiegels innerhalb der gesamten Bauindustrie berichtet wird.
Es wäre nur wünschenswert, wenn hier jegliche Lobbyisten über ihren Schatten der jeweiligen Verbandszugehörigkeit springen könnten, das Siegel im Konsens weiterentwickeln, um damit sehr bald auf dem Marktplatz erfolgreich zu sein und Mitverantwortung für ein breites, öffentliches Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu übernehmen.