Mein (Einfamilien-)Haus, mein Auto, … und ein Verbot?
Was haben „Freie Fahrt für freie Bürger“ und das Einfamilienhaus gemeinsam? Mehr als man denkt; sie stehen – als ungeschriebenes Gesetz und als Sehnsuchtsort – für den höchsten Grad bürgerlicher Freiheit. Jedenfalls in Deutschland. Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Das Haus ist dabei das frei im Garten stehende, zaun- oder heckenumwallte Haus für eine Familie.
Zwar ist Deutschland ein Land der Mieter, doch vielleicht genau aus diesem Grund ist der Traum vom eigenen Haus ein ganz prinzipieller, ein gar systemrelevanter. Denn der Besitz einer Immobilie wird längst auch als die sicherste Altersvorsorge beschrieben. Von der Politik und von den Verbänden, so u. a. dem Verband Wohneigentum (VWE) oder dem Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Dessen Präsident, Andreas Ibel, kommentierte die von den Medien hochgekochte Diskussion um Einfamilienhaus: Ja oder Nein so: „Vier von fünf Deutschen möchten Eigentum bilden und damit auch in Einfamilienhäusern leben.“ Aber könnte man diesen Wunsch, den, so Andreas Idel weiter, die Politik ernst nehmen müsse, nicht auch mit dem Kauf einer Wohnung verwirklichen? In einem freistehenden Mehrfamilienhaus mit größerem Gemeinschaftsgarten? Die genannten Verbände vertreten die Interessen eines Bauindustriezweigs, der mit der Realisierung von Einfamilienhäusern Geld verdient. Mehr als mit dem Bau von Mehrfamilienhäusern, die – bezogen auf das Verhältnis Baustoffvolumen/Nutzer – deutlich effizienter sind. Und nicht zuletzt: Die Mehrheit der Deutschen ist finanziell gesehen gar nicht in der Lage, hinreichend Kapital zu bilden, geschweige denn, Immobilien als Lebensversicherung zu erwerben.
Aber noch einmal zum Anfang. Auslöser der Debatte um das Einfamilienhaus – die so neu gar nicht ist – ist ein Interview, das der Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, Anton Hofreiter, dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel gab. Hier sprach er sich dafür aus, dass, wenn man für alle bezahlbaren Wohnraum schaffen wolle, man die Flächen bestmöglich nutzen solle und er führte aus: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr.“ Hintergrund dieser Äußerung war der Beschluss im grün-geführten Stadtteil Hamburg-Nord, zukünftig keine Baugebiete mehr auszuweisen, auf denen Einfamilienhäuser zugelassen wären. Ein Beschluss, der schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, jetzt aber in konkrete Planung mündet. Gegen Hofreiters allgemein gehaltene Effizienzabwägungen hätte vermutlich niemand etwas gesagt, doch im Superwahljahr 2021 sucht man nach Möglichkeiten, dem Wettbewerber etwas anzuhängen, ein Verbot von Einfamilienhäusern beispielsweise. Gleich kolportierten denn politische Kollegen anderer Lager die „Grüne Verbotspartei mit dem Feindbild Einfamilienhaus“ und klar, die Grünen wollen „den Menschen den Traum vom Eigenheim madig machen.“
Dass Architekten beim Einfamilienhaus eine längst marginale Rolle spielen, unterstreicht ein aktuelles Statement des Präsidenten der Architektenkammer Baden-Württemberg, Markus Müller, der sich zur „Einfamilienhausdebatte“ wie folgt geäußert hat: „Das Einfamilienhaus ist für 60 Prozent der Deutschen noch immer der Traum. Die Lösung des Wohnraumproblems in Baden-Württemberg ist dieser Traum jedoch nicht.“ Es gäbe zu viele, sie wären sozial, kommunikativ und versorgungstechnisch eine große Herausforderung und verbrauchten zu viel Bauland je Einwohner. Markus Müller forderte, „die vorhandene Bausubstanz in den Ortslagen kreativ zu nutzen, neue Anreize zu schaffen für Tausch statt Neubau, für nachbarschaftsfreundliche Dichte statt Zersiedelung.“ Vergleichbares hat, so die Vermutung des Autors dieses Textes, der Fraktionsvorsitzende wohl sagen wollen. Dass er hier gerne falsch verstanden wurde, hätte ihm klar sein müssen. Dass er damit eine erneute Debatte um eine nachhaltigere B-Planung angestoßen hat, möchte man hoffen. Be. K.