Zukunftsfähiges Einfamilienhaus? Entschieden

Nun lichtet sich der Nebel: Was lange erwartet wurde, ist nun (beinahe) sichtbar: Das Ergebnis des 13. Gestaltungspreises der Wüstenrot Stiftung mit dem Thema „Das zukunftsfähige Einfamilienhaus?“ Die 15 Häuser/Baumaßnahmen der engeren Wahl sollen, so die Auslober, mit ihrem jeweilig Besten „übertragbare Prinzipien“ präsentieren, die dann möglicherweise in eine Art prototypisches Layout DES Einfamilienhauses münden: Lückenschließung, Mehrgenera­tionenwohnen im Reihenhaus (sind Reihenhäuser Einfamilienhäuser?), einfach Bauen, Grundrisssanierung, Erweiterung, Recycling, Umnutzung …?

Als ich mit Prof. Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüs­tenrot Stiftung, Stuttgart, im Gespräch über das 100-jährige Bestehen der Wüstenrot-Stiftung (DBZ 09 | 2021) auf dieses und jenes zu sprechen kam, fiel auch das Stichwort „Gestaltungspreis“. Dieser Preis, den die Wüstenrot Stiftung seit 1994 auslobt, greift Themen von besonderer Aktualität auf, die so immer auch die zentralen Aufgaben des Planens und Bauens widerspiegeln sollen, „die sich unserer Gesellschaft in Anbetracht der vielschichtigen Transformationsprozesse stellen“ (Wüstenrot). Aufgehorcht hatte ich, als mir Philip Kurz dann sehr beiläufig das Thema des anstehenden Wettbewerbs nannte: „Das zukunftsfähige Einfamilienhaus?“.

Nun hatte Anfang 2021 der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, in einem Spiegel-Interview erläutert, warum er es richtig finde, dass nach einem Beschluss eines Hamburger Bezirksamts zukünftig keine Einfamilienhäuser mehr in die Bebauungspläne aufgenommen werden sollten. Es war Wahlkampf und von einem Krieg in der Ukraine und einem grünen Wirtschafts­minister Habeck noch nichts zu ahnen. Letzterer, noch nur grüner Parteivorsitzender, stellte nach erstem Aufschrei überall in der Republik dann sehr schnell und öffentlich fest: Das Einfamilienhaus werde es natürlich auch in Zukunft geben!

Das war vor dem Krieg und auch vor den dann und bis heute weiterhin stark steigenden Energiepreisen. Das war vor dem Hinaufschnellen der Inflationsrate und der aufdämmernden Erkenntnis, die Klimakrise sei erstens nicht nur eine Krise, sondern möglicherweise eine Katastrophe, auf die sofort und nachhaltig zu reagieren immer noch viel zu wenig Entscheider:innen Lust zu haben scheinen. Und, schauen wir auf das aktuelle „Kopf in den Sand“-Wahlverhalten mit massiven Gewinnen national ausgerichteter „Mein Land zuerst“-Pateien, auch die breite Öffentlichkeit nicht. Da fragte ich den Geschäftsführer, ob es denn schlau sei, in einer solchen Krisenzeit einen Wettbewerb zu formulieren, der nach einem zukunftsfähigen Einfamilienhaus fragt. Und ob denn nicht die Einreicher:innen – wenn sie die intendierte „Zukunftsfähigkeit“ ernst nehmen – nicht bloß leere Blätter einreichen müssten?

Haben sie nicht, natürlich nicht. Denn wir werden die Einfamilienhäuser auch in Zukunft bauen, so wie unsere Autos, aber natürlich solche, die weniger kohlenstoffbasierte Energie nutzen, im Gebrauch weniger erdatmosphäreschädliche Gase oder Motorenlärm emittieren und natürlich autonomer agieren, damit wir anderes in ihnen machen können als autofahren; wohnen beispielsweise. Es wird sie weiterhin geben, die Einfamilienhäuser, die wie vieles andere auch die Fortsetzung unseres konsumistischen Lebens darstellen mit seinem unbedingten, weil wachstumsankurbelnden Ressourcenverbrauch.

189 Projekte eingereicht

189 Projekte reichten Architekt:innen und Bau­herr:innen bis Ende 2021 ein. Eine Jury schaute, sortierte und bereiste die von ihr ausgewählten Häuser. Dass dabei eine – mit Blick auf die engere Wahl – sehr heterogene Sammlung von Bauten herauskam, erklärte die Stiftung mit: „Die Zusammenschau aller Wettbewerbseinreichungen bestätigt das Fragezeichen in der Auslobung; denn DAS zukunftsfähige Einfamilienhaus, das umfassende Antworten auf die bestehenden Herausforderungen geben kann, repräsentiert keine der Wettbewerbseinreichungen.“ Der Wettbewerb zeige vielmehr verschiedene Antworten, die auf ihre Weise richtig und wichtig sind und überzeugende Teillösungen darstellen. Und: „Die Häuser der engeren Wahlen vereinen viele zukunftsfähige und zugleich übertragbare Prinzipien. Der Wettbewerb soll die Diskussion über diese gefundenen Antworten anregen und sie auf diese Weise zukunftsfähig weiterentwickeln.“

Ganz sicher spielen alle die genannten und in den nur fotografisch präsentierten Projekten gezeigten Aspekte eine Rolle, wenn es um Zukunftsfähigkeit des Bauens geht, aber schon die Unschärfe in der Definition des EFH (das zunächst immer eine freistehende Einheit meint!) zeigt, dass die Auslober sich Spielraum verschaffen mussten, um das weiße Blatt Papier nicht eingereicht zu bekommen. Ja, ein Einfamilienhaus ist auch reihbar. Ist auch einzufügen in die Reihe. Man kann es auch mit Recycling-Material realisieren. Doch immer verwandeln wir Energie in Gase, offenen Boden ein Abflussflächen, einen Baum in ein Brett. Und geben Menschen soviel eigenen und auch in diesem Wettbewerb neuen (Wohn-)Raum, so groß, wie sie ihn sich wünschen und ­finanzieren können. Obwohl die Republik doch längst für alle gebaut ist, aber dort können ja die anderen wohnen. Der Autor dieses Textes beispielsweise.

Die „Wüstenrot Stiftung Gemeinschaft der Freunde Deutscher Eigenheimverein e. V.“ – so hieß die heutige Stiftung einmal, die jetzt mittelbare Mehrheitseigentümerin eines Finanzkonzerns ist, der mit der Finanzierung von Wohn­eigentum Geschäfte macht – diese Stiftung hat nun einen Preis ausgelobt und juriert, der tatsächlich die eigene Geschichte, das eigene Herkommen thematisiert, vielleicht gar hinterfragt? Auf meinen Einwurf im oben genannten Gespräch, ob denn der Wettbewerb ein „Back to the Roots“-Versuch sei oder ob die Stiftung möglicherweise mit ihm etwas provozieren wolle in Zeiten, die diesem Bautyp eher kritisch gegenüberstehen, gab Philip Kurz zurück: „Nein, wir wollen nicht provozieren, aber die aktuelle, sehr breit geführte Diskussion über die Daseinsberechtigung von Einfamilienhäusern spielt uns wunderbar in die Hände!“ Und er fügte noch – hoffnungsvoll? sorgenvoll? – hinzu: „Ich bin gespannt. Vielleicht zeigt der Wettbewerb, dass es gar kein zukunftsfähiges Einfamilienhaus mehr gibt.“ Am 25. Januar 2023 wird das Ergebnis des 13. Gestaltungspreis bekannt gegeben, 62 000 € werden dann verteilt, im Hospitalhof in Stuttgart, dem Gestaltungspreisgewinner von 2014 (LRO, Stuttgart). Ein leeres Blatt wird es nicht sein. Be. K.

www.gestaltungspreis.org
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