„Das Spiel mit Mustern bereitet mir enorme Freude – ich habe es mein Leben lang gespielt“, sagt Rosita Missoni, Oberhaupt von Italiens berühmter Modedynastie. „Die Farbwände im Hotel sind so aufregend wie die Blicke auf die Stadt. Ich mag Hotels, in denen ich mich zu Hause fühle, deshalb gefällt mir dieses besonders. Es bietet Komfort, ohne zu protzen, es hat eine besondere Note, ohne zu übertreiben!“
Das Missoni-Konzept
Wie kleidet man Räume in markentypisches Bunt und Zick-Zack, ohne Gäste auf einen psychedelischen Trip zu schicken? Die Antwort liegt im durchdachten Arrangement des 7225 m² großen Hotels. Trotz der Größe kippt es nie ins Unwohnliche – wozu der opulente Einsatz von Stoffen sowie der Eichenholzboden in Foyer und Zimmern wesentlich beitragen. Schwarz, Weiß und Silber dominieren; kräftige Farben und stilisierte Muster akzentuieren: Auf dem zebraartigen Flurteppich formen rote Türzargen Tore von M.C. Escher- artiger Tiefenwirkung. Im Bad funkelt grau das Duschmosaik, Wand an Wand mit flächigem Lila und dekoriert mit ornamentalen Bademänteln. Dunkle Nachttische rahmen das silberne Lederbett, das von einem Bataillon gemusterter Kissen gekrönt wird. Die schwarze Tagesdecke mit etwas Streifenbunt an der Wand bringt Kontrast, während sich die Fensterfront neutral zurückhält. Dort inszenieren schwarz-weiße Kordeln einen baumelnden Bar-Code, den die Gardinen begrenzen. Der Teppich greift diese Ornamentik auf und bietet ausreichend Platz für Tulpensessel in Türkis nebst rot unterlegtem Glastisch.
Das gewagte Design ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber erfrischend anders als übliche Hotelstandards und – es rutscht nie
ins Geschmacklose oder Hausbackene ab. Die Bäder in den 136 Räu-
men (davon sieben Suiten) sind betont großzügig. Die Abwesenheit massiver Einbauten weitet die Zimmer optisch, obwohl deren Größe de facto unter dem propagierten fünf Sterne Standard liegen dürfte.
Offensichtlicher Lagevorteil
Je höher der Gast logiert, umso mehr liegen ihm die historischen
Sehenswürdigkeiten Edingburghs hinter den großzügigen Fenstern zu Füßen. Das ikonische Hotel-Monument fügt sich gefällig in die touristisch brummende Royal Mile ein. Urbanität ist aber längst nicht nur durchs Fenster charmant gerahmte Kulisse: Sänger, die auf ehrwürdigen Granitstufen Gitarre spielen oder Passanten, die kurzzeitig vor dem schottischen Regen unter die besäulte Loggia flüchten, sind eher unübliche Szenen fürs teuerste Hotel am Platz. Bei Missoni zählt es gewissermaßen mit zum Edel-Lifestyle, das vibrierende Leben nicht aus Prestigegründen auszusperren.
Dass dies just an einer abschüssigen Straße gelingt (ungefähr sieben Meter Höhenunterschied), verdankt das Hotel nicht zuletzt einer kleinen städtebaulichen Meisterleistung des Architekten Allan Murray. Die sachliche Fassadenfront wirft im wahrsten Sinne des Wortes Schatten auf das Musterspiel im Inneren voraus: Schräg gestellte Holzpaneele zeichnen Sonnenmuster auf die Fensterleibungen. Nähert man sich von der Royal Mile, sieht man das Holz, von der anderen Seite kommend erblickt man den blanken sonnenprofilierten Sandstein. „Je nachdem von welcher Seite man kommt, wirkt das Gebäude anders. Aber es mischt nicht nur optisch in der belebten Stadtzone mit“, erläutert der von Richard Sennetts Stadtideen geprägte Murray. Es geht respektvoll mit dem baulichen Kontext um, erobert öffentlichen Raum zurück und zeigt sich dennoch souverän und bestimmend im Ausdruck.“ Das konnte man von der gewichenen 60er Jahre Bürobaumoderne wohl nicht behaupten. Die heutige Fassadenstruktur führt die Struktur der angrenzenden Denkmäler fort, was in Hinblick auf drei angrenzende Straßen mit je anderem Baustil kniffelig war.
Loggien und Fensterbänke laden die Passanten zum Verweilen ein. Die Terrasse des Restaurants befindet sich im Innenhof, den Touristen durch ein Gässchen entdeck-en können. Die Hausnutzer – Bank of Scottland an der Royal Mile, eine Pizzeria auf der andere Seite und dazwischen das Hotel – schaffen Laufmagneten, wobei das Missoni seine Anziehungskraft durch sein Restaurant sowie die Café-Bar stärkt, die schnell zu einer von Edinburghs Ausgehadressen avancierte.
Das „Hervorblitzen farbenfrohen Lebensstils auf ei-nem eleganten Anzug“, wie Murray das Interieur beschreibt, beginnt schon hier. Wer die gläserne, von zwei mit Mosaik bestückten Monumentalvasen gerahmte Hotelfront passiert, blickt zunächst auf die bereits mittags gut gefüllte Bar: Erhellt von markanten Leuchten, sticht die ovale Getränkeinsel zwischen Spiegel- und Türkiswand hervor. Sitzgruppen organisieren sich satellitengleich im Raum und schwarz-weiß-gewürfelte oder dezent gezackte Polster addieren die Markenhandschrift.
In der Lobby wurde auf Check-In Atmosphäre verzichtet zu Gunsten dreier spaciger Rounds und Sesseln von Gaetano Pesce. Ihnen gegenüber liegen die Fahrstühle. Vom Eingang aus führt eine Treppe ins Restaurant, in dem morgens gefrühstückt wird. Dieser Funktionswechsel wird durch eine variierende Farb- und Musterintensität der Tischware kommuniziert. Dem Speisesaal schließen sich vier Konferenz- und Veranstaltungsräume an.
Sterne-Service
Hotels differenzieren sich nicht nur durch das Design, sondern auch durch den Service. Hier wird er geleistet von höflichen, allgegenwärtigen Angestellten, deren leger- elegante Kleidung – wer hätte das gedacht – aus dem Hause Missoni stammt. Der Service ist Teil des hier propagierten unkomplizierten Luxus, neben Jacob-Jensen-Telefonen auf den Zimmern, mit denen Ortsgesprä-che kostenlos sind, einem Gratis-Filmangebot oder den Kaffeemaschinen und der Minibar, die Milch, Bier und Wasser ohne Aufpreis offeriert.
Rezidor hat bereits weitere, in Missoni gekleidete
Hotellerie für Kuwait und den Oman angekündigt. Allerdings sollen die Häuser baulich wie kulturell angepasst werden – was in der arabischen Welt sicher zur Intensivierung der Farbenfreude führen wird.
Fazit
Gerade für das Produkt einer großen Hotelkette ist das Missoni-Design überraschend stringent und erfrischend anders. Die Integration des Gebäudes in den historischen Kontext ist gelungen, die Flächenaufteilung ist baulich und ökonomisch sinnvoll, wenngleich abzuwarten bleibt, ob überschaubar große Konferenzräume oder der fehlende Pool im Hochpreissegment entschuldigt werden. Auch der Verzicht auf eine Lobby zugunsten einer gut bespielten Bar ist gewagt – wird aber sicher von Feinden einsamer Hotelnächte geschätzt.
Ob die Markendifferenzierung stark genug ist, um im hart umkämpften Schlafgastmarkt zu reüssieren, wird sich im Betrieb zeigen. Die Paarung von Hotellerie mit Fashionbrands ist aufgrund des hohen Profilierungsdrucks in Mode gekommen. Labels wie Armani und Versace setzen auf bewohnbare Showrooms, Bulgari definiert zeitgemäßen Luxus im Namen der Marke, das 25h in Frankfurt wagt mit Levis einen Ritt durch die jeansbegleitenden Jahrzehnte – und Missoni spielt mit den berühmten Mustern, um ein unkonventionelles Luxus-Servicekonzept aufmerksamkeitsstark einzukleiden.
Doch bei aller Freude am Design leidet in Edinburgh die Dramaturgie der Noblesse, wenn man sich im Restaurant nicht anlehnen kann, weil Sitzflächen zu tief oder die Bar-Sessel so niedrig sind, dass man ihnen kaum ohne fremde Hilfe entrinnen kann. Und sollte das Reinigungspersonal über kurz oder lang verzweifeln, wäre ihnen dies nicht zu verdenken. Denn der großzügige Einsatz farbigen Glases, auf dem sich jeder Fingerabdruck manifestiert oder die zu drappie-
renden Kissenorgien, verlangen eine zeitintensive Sisyphusarbeit, die die Unterhaltskosten in schwindelerregende Höhen treiben dürfte.
Diese kostenintensiven Details sind bekanntlich die Achillesversen im hochpreissensiblen Verdrängungsmarkt – also liebe Architekten und Gestalter, bei aller Liebe zu Proportion und Optik – solche Dinge einfach nicht tun. Rahel Willhardt, Aachen