Neubau der Zentrale der Enervie AG, Hagen
Bewaldete Hügel und Wiesen bilden eine pittoreske Kulisse für die Enervie-Zentrale in Hagen. Das Büro- und Werkstattensemble von JSWD Architekten besteht aus einer Mischung von Tragwerken, die von einer Ortbetonbauweise über vorfabrizierte Stahlbetonstützen bis zu Stahlbetonverbund- und Stahlkonstruktionen reicht.
Als Solitär auf einer Anhöhe zieht der kubische, fünfgeschossige Verwaltungsbau der Enervie – Südwestfalen Energie und Wasser AG – die Blicke in der Landschaft auf sich. Flache, gestreckte Multifunktions- und Werkstattbauten flankieren die von JSWD Architekten entworfene Konzernzentrale auf der Haßleyer Insel bei Hagen. Der Zentralstandort überzeugt durch eine vielfältige Nutzungsmischung mit umfangreichen Umnutzungs- und Erweiterungsoptionen. Für den hohen Nutzungskomfort der offenen Büroarbeitswelten, das nachhaltige Energie- und Materialkonzept wie auch die stimmige Einbettung in den Landschaftsraum erhielt das Verwaltungs- und Werkstattensemble ein LEED-Zertifikat in Gold.
Der Enervie-Konzern wurde als Zusammenschluss der Hagener Mark-E AG mit den Stadtwerken Lüdenscheid im Jahr 2006 gegründet und firmiert seit Februar 2010 unter der Wort-/Bildmarke Enervie. Im Rahmen der Markenpositionierung als regionaler Energie- und Wasserversorger verkaufte das Unternehmen den in die Jahre gekommenen, ehemaligen Hauptsitz in der Nähe des Stadtzentrums zugunsten eines neuen Standorts, der gut erreichbar unmittelbar neben einem Autobahnkreuz mitten in der Landschaft liegt. In dem Neubau arbeiten nun die Mitarbeiter der ehemals verstreuten Standorte und unterschiedlichen Unternehmensbereiche mit einer verbesserten Kommunikation unter einem Dach zusammen. Durch die Firmenzentralisierung konnte die 20 000 m² umfassende Bürofläche des ehemaligen Bestands auf eine moderne Büroarbeitswelt mit 10 000 m² reduziert werden. Noch vor dem Wettbewerb kontaktierte die Enervie das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und die Berater des Quickborner Teams, um gemeinsam eine Konzeption für ein non-territoriales Büro mit großzügigen Besprechungsbereichen zu entwickeln. Das neu eingeführte Desk-Sharing mit einer Wechselquote von 10 % erfreut sich einer hohen Zustimmung seitens der Mitarbeiter. Die Büroarbeitswelten sind das Aushängeschild des Change Managements im Unternehmen, in dem Corporate Design und Architektur eng aufeinander abgestimmt sind.
Im Wettbewerb 2011 überzeugten JSWD Architekten nicht nur durch die markante Architektursprache, sondern auch mit einem funktionalen und konstruktiven Konzept, das präzise auf die angestrebte Nutzungsoptimierung der flexiblen Arbeitswelten zugeschnitten war. Seit vielen Jahren arbeiten die Architekten mit Fachplanern wie IDK Kleinjohann (Tragwerk), DBS Ingenieure (TGA), BFT Cognos (Brandschutz) und Tohr Bauphysik in einem integralen Planungsprozess zusammen. Die Basis bilden dabei gemeinsam erstellte Anforderungskataloge und Lastenhefte. Mit Blick auf die zunehmende Bedeutung von BIM kooperieren die Partner seit zwei Jahren noch enger zusammen, um neben ästhetischen und konstruktiven Fragen auch die Baukosten zu optimieren.
Das Statikbüro IDK wählte gemäß der unterschiedlichen Nutzungen klassische Tragwerke des Verwaltungs- und Gewerbebaus für die Bauaufgabe aus, die mit Blick auf die Schnittstellen zur Fassade mit architektonischem Anspruch optimiert wurden. Wenn sich die Tore rund um den Werkhof öffnen, zeigt sich, dass die Werk- und Lagerhallen in einer kosteneffizienten Fertigteilbauweise mit eingespannten Stützen und Spannbettbindern mit einer Gabellagerung errichtet wurden. Quer zu den Bindern tragen Spannbetonhohldielen die Dachflächen. Mit Blick auf die Nutzungsflexibilität sind Zwischenebenen mit Spannbettbindern und Stahlkonstruktionen ausgeführt. Die Standardprodukte wurden so individuell kombiniert, dass eine ästhetische Prägnanz mit hoher Funktionalität und einem nachhaltigen Nutzungskomfort entstanden ist.
Das markante Verwaltungsgebäude bildet einen spannungsvollen Kontrapunkt zur Topographie, die einen Niveauunterschied von über 15 m ergibt. Auf der Basis eines umfangreichen Bodengutachtens modellierten die Landschaftsarchitekten von LAND Germany ein Plateau für die Gebäude mit einem Niveauunterschied von nur noch 1,5 m. Mit dem angefallenen Aushub wurde ein bepflanzter Lärmschutzwall zur Autobahn A26 angefüllt. Aufwendige Bodenverbesserungen bereiteten den Baugrund, teilweise bestehend aus Fels der Bodenklasse 6 − 7 und durchsetzt mit Karsthöhlen, für die statischen Anforderungen der Baumaßnahme vor. Mit Blick auf die Boden-Bauwerk-Interaktion wurde die fünfgeschossige Ortbetonkonstruktion des Verwaltungsbaus auf einer durchgehenden, 60 cm starken Bodenplatte mit leichten Verstärkungen errichtet. Ein regelmäßiges Aufschlussraster mit einem Abstand von 10 m sichert zusätzlich den Lastabtrag über Untergrundschwächungen hinweg. Zwei Erschließungskerne aus Stahlbeton dienen im Verwaltungsgebäude als Windaussteifung.
Die offenen Büroflächen, errichtet als Stahlbetonskelettbau mit punktgestützten Flachdecken in Ortbetonbauweise, sind u-förmig um einen quadratischen Innenhof angeordnet. Die weitgespannte Konstruktion ermöglicht mit einer Bundtiefe von 14,9 m die Einrichtung aller gängigen Bürotypen im Falle einer Umnutzung oder Vermietung von Teilflächen. Lediglich im Erdgeschoss waren in den stützenfreien Besprechungsräumen Abfangungen erforderlich, die als Verbundkonstruktion realisiert wurden. An der Fassade sind ausnahmslos Büroplätze mit einer natürlichen Belichtung angeordnet, die durch vertikale, gelochte Lamellen vor Blendung geschützt sind. Die Sonnenschutzfassade mit den motorgesteuert drehbaren Aluminiumlamellen, die das gesamte Bürogebäude umgeben, wurden für dieses Projekt neu entwickelt.
Das konstruktive Highlight des Gebäudes sind die
beiden vier Etagen hohen „Landschaftsfenster“ in der
repräsentativen Eingangsfassade und zum artifiziell
gestalteten Innenhof hin. Dazwischen liegt das lichtdurchflutetet Foyer. Von hier aus werden alle Verwaltungsbereiche und das Mitarbeiterrestaurant erschlossen. Brückenstege mit abgehängten Treppenläufen und Glasaufzüge verbinden hier die Büroetagen. Die Deckenplatte über dem Foyer wurde mit vier Ortbetonbalken in Form von Überzügen verstärkt. Von diesen sind auch die Stahlbetonverbundkonstruktionen der Brückenstege abgehängt. Die Brückenstege sind als Einfeldträger mit einer Spannweite von 21,25 m konzipiert, an dem Treppenläufe und Podeste mit Pfeifer-Zugstäben befestigt sind.
Unter Berücksichtigung aller technischen Anforderungen sind es doch emotionale Empfindungen und das architektonische Gespür, die die vielfältigen Elemente des Entwurfs zu einem Gesamtensemble zusammenführen. Den Feinschliff für die Komposition der Verwaltungs- und Werkstattgebäude und der Fassadengestaltung entwickelten die Architekten von JSWD u. a. mit Hilfe von Arbeitsmodellen, die im Mittelpunkt der Kommunikation mit dem Bauherrn standen. Durch den hohen Grad der Durcharbeitung der Fassadendetails aller Gebäudeteile ist ein kohärentes Erscheinungsbild entstanden. Die Einfachheit der Funktionalität der Werkhallen wurde mit alltäglichen, aber ansprechenden Mitteln mit den komplexeren Anforderungen des Verwaltungsbaus kombiniert. Als Corporate Architecture spiegelt die neue Unternehmenszentrale der Enervie in Nutzung und Erscheinungsbild die Markenwerte des Unternehmens charmant und überzeugend wider. Bettina Schürkamp, Köln
Baudaten
Standort: Platz der Impulse, 58093 Hagen
Typologie: Verwaltung, Betriebshof
Bauherr und Nutzer: Enervie Südwestfalen Energie und Wasser AG, Hagen; www.enervie-gruppe.de
Architektur + Generalplanung: JSWD Architekten GmbH & Co. KG, Köln; www.jswd-architekten.de
Projektsteuerung: Drees & Sommer, Düsseldorf; www.dreso.com
Generalunternehmer: ED Züblin, Köln;
www.koeln.zueblin.de
Bauzeit: August 2012 – Mai 2014
Fachplaner
TGA-Planer HLS: DBS Ingenieure GmbH, Mülheim a. d. Ruhr; www.dbs-ing.de
TGA Planer ELT: W+P Ingenieure GmbH, Schwalbach; www.wassmuth-ingenieure.de
Fassadentechniker: AMP Ingenieurgesellschaft mbH, Neuss; www.ib-amp.de
Lichtplaner: Lichtkunstlicht, Bonn/Berlin;
www.lichtkunstlicht.com
Innenarchitekt: JSWD, Köln;
www.jswd-architekten.de
Bauphysik, Akustikplaner: Tohr Bauphysik, Köln; www.ig-tohr.de
Landschaftsarchitekt: LAND Srl, Duisburg, Lugano, Mailand; www.landsrl.com
Energieplane und -berater: DBS Ingenieure, Mülheim an der Ruhr; www.dbs-ing.de
Brandschutzplaner: BFT Cognos, Aachen;
www.bft-cognos.de
Verkehrsplanung: BSV, Aachen; www.bsv-planung.de
Projektdaten
BGFa: 22 500 m² (davon 12 300 m² Verwaltung,
8 860 m² Werkstätten)
Nutzfläche gesamt
Nutzfläche: 13 570 m²
Technikfläche: 915 m²
Verkehrsfläche: 3 242 m²
Brutto-Grundfläche: 21 200 m²
Brutto-Rauminhalt: 101 700 m³
Baukosten
KG 400 (netto): 8,34 Mio. €
Gesamt brutto: 50 Mio. €
Energiebedarf
Primärenergiebedarf: 173,7 kWh/m²a nach EnEV 2009
Endenergiebedarf: 129,5 kWh/m²a nach EnEV 2009
Jahresheizwärmebedarf: 126,2 kWh/m²a nach EnEV 2009
U-Wert Bodenplatte = 0,217 W/(m²K)
U-Wert Dach = 0,239 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 1,10 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 0,70 W/(m²K)
Ug-total (mit Sonnenschutz) = 0,70 W/(m²K)
Luftwechselrate n50 = 0,17 /h
Haustechnik
Die wichtigsten Bestandteile für die energetische
Performance:
– Gas-Brennwertkessel als Wärmerzeuger Heizung
– Mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Wärmerückgewinnungsgrad 70 %
– Trinkwarmwassererzeugung für die Küche zentral über den Brennwertkessel, für WC-Räume dezentral über Elektrodurchlauferhitzer
– Kälteerzeugung über eine konventionelle Kältemaschine
– Wärme- und Kälteverteilung über an den Decken eingeputzte Kapillarrohmatten
– PV-Anlage , Strom wird im Gebäude selbst
verbraucht
Hersteller
Sonnenschutz/Blendschutz: WAREMA Renkhoff SE, www.warema.de
Lüftung: AL-KO KOBER SE, www.al-ko.com
Sanitär: KERAMAG Geberit Vertriebs GmbH,
www.keramag.de
Teppich: Interface Deutschland GmbH,
www.interface.com
Möbel: Vitra International AG, www.vitra.com;
König + Neurath AG, www.koenig-neurath.de
Stehleuchten: Herbert Waldmann GmbH & Co. KG, www.waldmann.com
LED’s Innenhof-Fußboden: TTC Timmler Technology GmbH, www.ttc-technology.de