Offenheit und Diskretion – kein Widerspruch
Kundenservicezentrum der WGV, Stuttgart
Die Württembergische Gemeindeversicherung (WGV) hat im Mai 2008 ihren Erweiterungsbau am Stuttgarter Hauptsitz eingeweiht. Den für die Kunden wichtigsten Anlaufpunkt im Gebäudeensemble aus neu (Hascher/Jehle) und alt bildet das neue Servicezentrum im Erdgeschoss des Bestandsbaus aus den 60er Jahren an der Feinstraße. Architektur und Einrichtungsdesign stammen von der Ippolito Fleitz Group aus Stuttgart.
Schon von weitem schiebt sich die geschwungene Glasfassade mit ihrer freigestellten Eckstütze subtil in das Auge des Passanten und ein geheimnisvoller grüner Schimmer macht neugierig. Lichtwände im Inneren lassen die Firmenfarbe des Unternehmens in den Außenraum fließen. Für Dynamik sorgt eine Art Scannerstreifen, der von Zeit zu Zeit die hinterleuchteten Wände durchwandert. Ebenso das geschäftige Treiben im neuen Kundenservicezentrum mit Öffnungszeiten von 7.45 bis 20.00 h. Im Dreischichtbetrieb sorgen rund 40 Mitarbeiter für das Wohlergehen ihrer Kunden und helfen, materielle Schäden schnell zu beheben. Dass das rund 1 000 m2 große Servicezentrum auch als Werbemittel für den Passanten auf der Straße dienen sollte, war von vornherein erklärtes Ziel. Die Arbeitsplätze sind daher bewusst an den Schaufenstern angeordnet; dass hier gearbeitet wird, ist offensichtlich. Für Ippolito Fleitz keine leichte Planungsaufgabe, galt es doch, den Spagat zwischen größtmöglicher Transparenz und maximaler Diskretion zu schaffen.
Im Eingang- und Empfangsbereich des Servicezentrums, der zugleich auch den Haupteingang zur WGV bildet, wird der Blick zunächst auf die künstlerisch gestaltete Wand gelenkt, bevor er die Umgebung mit dem Wartebereich abtastet, kurz den Gang in Richtung Gutachterbüros streift und sich am Ende des Großraums bei den drei hell erleuchteten zylindrischen Körpern fängt, bevor er wieder zurück zur Empfangstheke wandert. Dies ist kein Zufall, sondern ein Ergebnis der Planung von Ippolito Fleitz, die mittels Raumstrukturierung und Lichtführung Wahrnehmungshierarchien schaffen. In der Wartezone kann sich der Besucher dank der S-förmigen Bank entscheiden, wie er die Wartezeit verbringen möchte, zum Beispiel im Schaufenster sitzend mit Blick hinaus oder zurückgezogen im hinteren Bereich. Die Atmosphäre im Wartebereich mit seinen schlanken Neonringen an der Decke ist leicht, fast schon flüchtig – ein gewünschter Effekt, soll dem Kunden doch suggeriert werden, dass er hier nicht lange warten muss.
Im Rahmen des Umzugs in das neue Servicezentrum vollzog das Unternehmen auch den Schritt zum papierlosen Büro. Große Aktenschränke sucht man daher vergebens. Einzig das vom Kunden zu unterschreibende Formular wird noch ausgedruckt. Der Verzicht auf Stauraumflächen wirkt sich durchweg positiv auf die Raumsituation aus. In dem langgestreckten, offenen Raum sind die einzelnen Kundenbetreuungsplätze sequentiell, zur Fassade leicht abgewinkelt angeordnet. Die Arbeitsplätze bestehen aus einem Tischmöbel, das nach oben bis zur Decke weitergeführt wird. Durch seine Form und Materialität gewährleistet es räumliche und akustische Diskretion. Die integrierte Beleuchtung sorgt nicht nur für ausreichende Beleuchtungsstärken, sondern unterstützt auch das Raum-im-Raum-Gefühl, hat man einmal in der virtuellen Kapsel Platz genommen. Darüber hinaus rhythmisieren Uplights über den Funktionseinheiten den großzügigen Raum. Der nahezu fugenlos durchgehende Terrazzoboden fasst den Raum als Einheit und gibt ihm optische Ruhe.
In der öffentlichkeitswirksamen Ecksituation im hinteren Raumbereich bildet die markante Dreiergruppe aus Besprechungsinseln einen starken visuellen Akzent – dies ganz besonders in der Dämmerung und bei Nacht, wenn sie durch ihre Lichtkuppeln hell erleuchtet nach außen strahlen und der prägnanten Gebäudeecke mit der freigestellten Stütze ihr abendliches Gesicht geben. Die zylindrischen, abgeschlossenen Glaskörper sind zusätzlich mit unterschiedlich hohen Kunstlederpolsterwänden akustisch und optisch abgeschirmt. Neben den abgeschlossenen Besprechungsinseln für intimere Kundengespräche, wie zum Beispiel der Abschluss einer Lebensversicherung, stehen im WGV-Kundenservicezentrum auch noch zwei Stehbesprechungsplätze für die schnelle Kommunikation zwischendurch zur Verfügung. Besonders frequentiert sind sie im November und Dezember, wenn es bei Kfz-Versicherungswechseln nur um die Herausgabe der Versicherungskarte oder Ähnliches geht.
Andrea Rayhrer, Stuttgart
Baudaten
Objekt: WGV Kundenservicezentrum in Stuttgart
Standort: Feinstraße1, 70178 Stuttgart
Bauherr: WGV Versicherungen
Nutzer: WGV Versicherungen
Architekt: Ippolito Fleitz Group
Mitarbeiter: Peter Ippolito, Gunter Fleitz, Fabian Grainer,
Christian Kirschenmann, Vincent Gabriel
Fertigstellung: 2008