„Oft ist weniger mehr“
Sissy Hobiger und Martin Feichtner zum Thema Bauen im Bestand
Das Bauen im Bestand ist wohl die Bauaufgabe der Zukunft. Trotzdem beschäftigen sich die meisten Abschlussarbeiten mit Neubauten. Anders machten es Sissy Hobiger und Martin Feichtner in ihrer Diplomarbeit. Sie brachten ein Hotel, das seit über einem halben Jahrhundert leer stand, mit subtilen Eingriffen in die heutige Zeit.
Sie haben für ein von 1934 von Giovanni Ponti entworfenes Hotel ein neues Konzept entwickelt. Erläutern Sie dieses.
Als wir das erste Mal an diesem Ort, vor der Hotelruine standen und dieses wunderschöne ruhige Gebäude innmitten dieser unbeschreiblichen Bergkulisse auf uns wirken ließen, haben wir versucht uns vorzustellen, wie es sein könnte hier als Hotelgast für eine gewisse Dauer zu leben. Wir haben uns Menschen vorgestellt, die am Bergsee vor dem Hotel sitzen und frühstücken oder welche, die auf der Terrasse an einer langen Holzbank entlang der Hausmauer sitzen, Karten spielen und die letzten Sonnenstrahlen des Tages genießen. Wir haben versucht ein Szenario an diesem ganz bestimmten Ort zu schaffen mit dieser ganz besonderen Stimmung. Daraus haben wir dann das Konzept abgeleitet, hier ein einfaches, schönes Hotel zu machen. Ein auf das Wesentliche reduzierte Hotel: Ruhe und Erholung an diesem Ort. Wir wollen kein zusätzliches Rahmenprogramm schaffen, alles, was man an diesem Ort braucht, war schon da.
Das Gebäude stand seit 1955 leer. Wie geht man mit so einem Bestand um?
Das Hotel wechselte ja mehrere Male den Besitzer und wurde seit seiner Schließung auf fast die doppelte Größe erweitert und umgebaut, ging so aber nie in Betrieb. Diese Umbauten wurden unserem Empfinden nach auch nicht unbedingt in Harmonie mit der Landschaft entwickelt und scheinen nur nach außen wie fertiggestellt.
Das Innere der Zubauten befindet sich in einem extrem schlechten Rohbauzustand. Damals stand eher die Rentabilität eines zukünftigen Hotelbetriebs im Vordergrund. Für uns war es also in erster Linie wichtig, den Bestandsbaukörper wieder in seine frühere Wirkung als alleine ruhender, in die Weite orientierter Baukörper zurückzuführen. Daher wollten wir den Altbestand auch unter keinen Umständen durch einen zusätzlichen direkten Anbau erweitern, sondern durch
einen neuen freistehenden Turm ein funktionales Zusammenspiel zweier Baukörper gestalten und ein gesamtheitliches Neues mit alter Wirkung schaffen. Uns war es auch wichtig, dass der Altbestand der Hauptbaukörper bleibt, daher haben wir hier die Haupterschließung und die wichtigen Funktionen wie Restaurant, Lounge und Kaminzimmer situiert.
Worin unterscheiden sich die Nutzungsanforderungen eines Hotels aus den 1930er Jahren von denen heute?
Also generell gibt es schon einige Unterschiede. Die Menschen sind mehr Komfort gewohnt. Auch spielt die Unterhaltung heute eine große Rolle. Das war vermutlich damals nicht so, da war ja das Reisen an sich schon Unterhaltung genug. Das Hotel Paradiso galt damal als erstes Luxushotel in den Alpen, mit eigenem Post- und Telegrafenamt, Taverne, Skischule, Friseur und eigener Konditorei. Da gab es schon mehr Zusatzangebot als üblich. Aber genau das haben wir ihm genommen. Jetzt gibt es Zimmer mit Bad, das war damals noch am Gang, ein Restaurant und Platz zum Verweilen und Lesen. Oft ist weniger mehr. Das was früher als Luxus galt, hat heute einen anderen Stellenwert. Immer mehr weniger trifft es ganz gut.
Weshalb haben Sie ein Sanierungsthema gewählt? Sehen Sie in diesen Bauaufgaben für sich selbst ein Thema für die berufliche Zukunft?
Wir haben nicht gezielt nach einem Sanierungsthema gesucht. Das Hotel Paradiso kannten wir von früheren Vorlesungen aus dem Studium und sind erst später durch Zufall wieder darauf gestoßen. Nach einer intensiven Recherche und Gesprächen mit Menschen aus dem Martelltal, die sich noch an den damaligen Bau des Hotels erinnerten, wie die Straße zum Hotel errichtet wurde und schließlich die ersten Gäste kamen, wollten wir dem Hotel zumindest auf dem Papier wieder Leben einhauchen.
Das Spannende am Bauen im Bestand ist für uns, dass schon eine Geschichte da ist, mit der man arbeiten kann. Das ist interessant und das war es auch was uns an diesem Thema reizte.
Generell in diesem Sinn von einem spezifischen Zukunftsthema zu sprechen, ist für uns schwer zu sagen. Aber wir hoffen, dass wir noch einige Male auf dieses Thema stoßen werden.