Ohne Netz – aber mit doppeltem Boden
Planung und Ausführung zertifizierter Systemböden

Flexibles Flächenmanagement betrifft in der Architektur gleichermaßen die äußere wie auch die innere Gebäudestruktur. Ein Aspekt bei Hochhäusern ist der festgelegte, minimierte Flächenverbrauch mit Rücksicht und Einbindung in die städtebauliche Eingliederung. Ergänzend sind flexible Raumkonzepte innerhalb der Bauwerke erforderlich um die Ressource Gebäudefläche dauerhaft, wirtschaftlich und effizient zu nutzen. Im Zuge der rasanten Technisierung bedarf es hierzu Lösungen an den gemeinsamen Schnittstellen von Ausbau und der tragenden Gebäudestruktur. Unumgänglich ist dabei ein Installationsboden für die Leitungsverlegung, die jederzeit in der Fläche wie auch punktuell zugänglich ist, damit die Anlagen ergänzt und erweitert werden können.

Ein Klassiker aus den 1960ern

Der Einsatz von Systemböden in heutigen Bauwerken ist das Ergebnis aus einer Entwicklung des Wechselspiels zwischen Gebäudenutzung und Gebäudestruktur. Von der Einführung der Personalcomputer in Büro- und Verwaltungsgebäuden bis hin zur filigranen Informationstechnologie mit immer weiter voranschreitender Haus- und Gebäudetechnik wird die Erfordernis nach einer flexiblen Installation von Daten- und Haustechnik immer größer.

Die Möglichkeit, bei bleibender Verfügbarkeit von Anschlussmöglichkeiten Wandelemen­te aufzulösen bzw. zu verschieben, verlegt die Infrastruktur einer Gebäudeeinheit in die horizontale Ebene. Wegen der besseren Zugänglichkeit erfolgt dies zwangsläufig in einem Boden­hohlraum. Neue Raumkonzepte, die von der Tragstruktur unabhängig sind, lieferten die Schubkraft für die kontinuierliche Entwicklung der Systemböden.

Vor dem Hintergrund der sich zwangsläufig entwickelnden und sich ständig ändern­den Anforderungsprofile der Produkte haben sich seit Ende der 1980er Jahre die Hersteller und Verarbeiter von Systemböden zum Bundesverband Systemböden e. V. zusammengeschlossen.

Gemeinsames Konstruktionsmerkmal der verschiedenen Systemböden ist heute die mit Spindelstützen höhenverstellbare Unterkonstruktion. Bei den so genannten Doppelböden entsteht die tragende Bodenfläche aus einzelnen, wieder aufnehmbaren und industriell vorgefertigten Plattenelementen. Hohlböden dagegen entstehen durch die Auflage einer verlorenen Schalung, auf der ein Estrichmörtel als Tragschicht gegossen wird.

Es kann aber auch durch das Zusammenfügen von vorgefertigten Plattenelementen in Trockenbauweise eine zusammenhängende Tragschicht erstellt werden. Der Zugang zum Bodenhohlraum bei Hohlböden erfolgt über Revisionsöffnungen und so genannte Doppelbodentrassen in Doppelbodenbauweise.


Bedeutung für die Gebäudenutzung

Auch in der Zukunft werden neue Büro- und Arbeitsplatzkonzepte bzw. sich weiter entwickelnde Organisations- oder Nutzungsformen in Unternehmen und Verwaltung den Flächen­bedarf minimieren. Gleichzeitig werden die Qualitätsanforderungen hinsichtlich Tragfähigkeit, Brandschutz, Schallschutz, Gestaltung und Flexibilität an die Gebäudeflächen weiter steigen. Die moderne Bürokommunikation, Gebäudeautomation sowie die Organisation und der physikalische Transport von Energie, Luft, Wasser und Trägermedien sonstiger Art erfordern eine intelligente Systemintegration. Systemböden sind für diese Aufgabe prädestiniert. Im Sinne einer variablen, nachhaltigen und langlebigen Gebäudenutzung bekommt der Systemboden eine gebäudetechnische Adapterfunktion. Des Weiteren legt die europäische Kommission in einem Normungsmandat fest, dass der Systemboden als sicherheitsrelevantes Bauteil zu sehen ist. Diese Aspekte zeigen die besondere Bedeutung dieser Bauart.


Planung von Systemböden

Raumarchitektur, Flächenbeanspruchung und das Vernetzen digital angesteuerter Anlagen, Maschinen, Präsentationszentren und Arbeits­plätzen in der Installationsebene von Hohl- oder Doppelböden ruft grundsätzliche Eigenschaften für Systemböden auf den Plan. Die Aufnahme von Nutz- und Verkehrslasten, Nutzungssicherheit, Oberflächengestaltung, Ableitung statischer Ladungen und die Pflege bzw. Hygiene bilden ein Anforderungsprofil, das ohne Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit zu erfüllen ist. Mit Blick auf die Sicher­heit sind das Festlegen der Tragfähigkeitsanforderungen und damit die Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit die wesentlichen Elemente der Bemessung.

Diese Aufgabe wird für Systemböden an der Schnittstelle zwischen den Lastannahmen im Hochbau z.B. DIN 1055 Teil 3 und der Beurteilung der relevanten Tragfähigkeit in den Anwendungsrichtlinien (ARILI) für Hohl- oder Doppelböden geschlossen. (Die aktuellen Fassungen der ARILI vom April 2011 sind als Download auf der Internetseite des Bundesverbands Systemböden www.system­boden.de verfügbar). Mit diesem Planungsinstrument wird eine Verbindung zwischen der vorgesehenen Beanspruchung der Flächen und der erforderlichen Bemessung beispielhaft hergestellt. Bislang waren vielfach die dafür nicht geeigneten und hierfür auch gar nicht vorgesehenen Bemessungsnormen der Gebäudestruktur (DIN 1055-3 oder Eurocode 1 (EN 1991-1)) herangezogen worden.


Entwurf und Bemessung

Die Übertragung in ein ingenieurtechnisches Belastungsmodell ist ein wesentlicher Schritt für die Nutzungssicherheit und Gebrauchs-
tauglichkeit von Systemböden. In den Prüf- und Klassifizierungsnormen DIN EN 12825 Doppelböden und DIN EN 13213 Hohlböden wird als äußere Einwirkung die Einzellast als lastkritische Belastungsform aufgezeigt. Auf der anderen Seite müssen nun Punktlasten definiert werden, um den normativ festgeleg­ten Laststufen zu entsprechen. Diese finden sich in den Tabellen der Anwendungsrichtlinien, die dort vergleichbar mit den Nutzungsbeispielen in DIN 1055-3 aufgelistet werden. Damit wird dem Planer in einfacher Form ermöglicht, eine aus der Nutzung resultierende Lastanforderung einer Laststufe zuzuordnen. Die Anwendungsrichtlinien stellen sich den steigenden Anforderungen an die Systembodenflächen. So werden z. B. in EDV-Räumen mittlerweile Servergeräte aufgestellt, die Einzellasten von bis zu 15 kN verursachen. Um auch in solchen Fällen Unsicherheit in der Planung, Konstruktion und Ausschreibung zu vermeiden, werden die definierten Begriffe wie Lastabstand und Lastkonfiguration zu zentralen Parametern für die Ermittlung der Tragfähigkeit. Bei bewegten Belastungen (aus Flurförderfahrzeugen, Hubsteigern etc.) sind nach der Einzellastermittlung beispielsweise auch Schwingbeiwerte zu berücksichtigen. Die Ermittlungen der zu erfüllenden Trag­fähigkeitsanforderungen führen zu Lastklassen im Bezug auf die jeweiligen Prüfnormen für Hohlböden, DIN EN 13213 und Doppelböden, DIN EN 12825. Eine einzubauende Systembodenkonstruktion hat als Konstruktionseinheit im Zusammenwirken aller Komponenten einer entsprechend der Lastklasse zugeordneten Elementklasse zu entsprechen.


Klassifizierung und Prüfung

Zur grundsätzlichen Philosophie der europäischen Normung gehört, geforderte Eigenschaften zu beschreiben, jedoch keine konkreten Ausführungen vorzugeben. Dieser Ansatz soll kreative Lösungen fördern und Alternativen ermöglichen, um das oft formulierte Prinzip „Resultate zählen“ zu unterstützen. Das bedeutet, dass Detailfestlegungen wie Estrichdicke oder Gewindedurchmesser der Spindelstützen, vergleichbar mit Baukastenmerkmalen, nicht mehr in den Normen zu finden sind. Die Einzelelemente eines Hohl- oder Doppelbodens werden vom Hersteller ausgewählt. Mit den Detailangaben und Ausführungshinweisen der Systemhersteller entstehen somit unterschiedliche Bauarten, die die entsprechend zugesicherten Systemeigen­schaften zu gewährleisten haben.

Die Prüf- und Klassifizierungsnormen beschränken sich darauf, Klassifizierungen und einheitliche Prüfverfahren vorzugeben, mit denen die geforderten Eigenschaftswerte der Systembodenkonstruktionen wie Festigkeit, Steifigkeit und Beständigkeit einheitlich bestimmt und untereinander verglichen werden können. Der Abgleich einer geschuldeten mit einer erbrachten Leistung leitet sich hingegen aus den allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik ab, die zu den genannten DIN EN Normen in den jeweils nationalen Anwendungsregeln formuliert sind. Die in Deutschland als technische Regel veröffentlichten Anwendungsrichtlinien des Bundesverbandes Systemöden e. V. übernehmen diese Aufgabe. Sie stellen somit eine technisch wie rechtlich verbindliche Grundlage für Bauherrn, Planer, Systemgebende und ausführende Unternehmen dar.


Zertifizierung von Systemböden

In der Planung bzw. für die Baustelle ist grund­sätzlich zu erwarten, dass Systemböden mit zugesicherten Systemeigenschaften entsprechend der genormten Prüfung zu liefern und montieren sind. Prüfberichte mit einmalig in einem Prüfstand ermittelten Ergebnissen eignen sich in der Regel nur bedingt für den Nachweis, dass der aktuell im Gebäude verbaute Systemboden damit auch übereinstimmt. Über die Anwendungsrichtlinien wird dagegen auf ein schlüssiges Nachweisverfahren verwiesen. Produktions- und Montagebegleitend dient dieses Verfahren einer Qualitätssicherung.

In Verbindung mit einem konkretisieren den Zertifizierungsleitfaden einer unabhängigen Institution (der System Flooring EWIV kurz SFE) kann die Authen­tizität und das Leistungsspektrum des jeweiligen Boden­systems schlüssig und leicht durchschaubar dargestellt werden. Damit wird erreicht, dass über ein durchgängiges Nachweisverfahren die über Europäische Normen festgelegten Eigenschaften dauerhaft und reproduzierbar dokumentiert werden.


Ausführung und Qualität

Dieses Prozedere kann juristische Bedeutung bekommen, wenn Forderungen oder gar Schadensfälle zur Disposition stehen, die sowohl dem öffentlichen wie auch dem privaten Baurecht zugeordnet werden können. In einer Erstprüfung werden dabei die Eigenschaften des Systembodens, z. B. Tragfähigkeit entsprechend einer Lastklasse, erfasst. Im Rahmen der laufenden Eigenüberwachung des Herstellers werden zur Gewährleistung der erforderlichen Eigenschaften begleitende Prüfungen durchgeführt

Turnusmäßig, jedoch unangemeldet wird die Richtigkeit der Angaben in den Aufzeichnungen der Eigenüberwachung in Form einer Fremdüberwachung stichprobenartig kon­trolliert. Mit diesen Schritten erfolgt bei noch vertretbarem Aufwand eine kontinuierliche Überwachung, ohne die es faktisch keine ­Sicherheit gibt, dass etwa eine benannte Tragfähigkeit tatsächlich auch erreicht wird. Durch die in diesem Zusammenhang von ­der SFE jährlich neu ausgestellten Konfor­mitätszertifikate erfolgt eine unabhängige und kompetente Verifizierung gegenüber dem Planer, Nutzer, Bauherrn etc.


Sicherheit im Bauablauf und Nutzung

Der hier aufgezeigte Zusammenhang zeigt, welche Bedeutung zertifizierte Systemböden als Element im Innenausbau in der Planung und Ausführung haben. Die DIN EN 13213 Hohlböden und DIN EN 12825 Doppelböden mit den entsprechenden Anwendungs­richt­linien bilden dazu die Grundlage. Mit der Zertifizierung wird die Vergleichbarkeit der Qualität der angebotenen Systemböden erreicht. Architekten bietet sich damit die Möglichkeit, Produkte in die Auswahl einzubeziehen, deren Spezifikationen auch den a. R. d. T. entsprechen. Dieses Verständnis für Qualität bietet einen Beitrag für langfristig wirtschaftliche Lösungen. Gleichzeitig können in Verbindung mit der Gebäudestruktur Qualität und Sicherheit im geforderten und notwendigen Maß auf den vielseitig genutzten Flächen erreicht werden. Davon können alle Projektbeteiligten profitieren und das über jede Phase hinweg bezüglich Bautechnik, Nutzung und Baurecht.

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