Planbarkeit und EvolutionDas Düsseldorfer Büro Rhode Kellermann Wawrowsky wird 60 Jahre alt
In den Städten waren die Verwüstungen des Bombenkriegs noch allgegenwärtig, die Bundesrepublik war kaum gegründet, doch im umtriebigen Düsseldorf machte sich schnell Aufbruchstimmung breit. Im Frühjahr 1950 eröffnete Helmut Rhode hier sein Architekturbüro – in einer Zeit, als sich für die Stadt am Rhein das Wort vom „Schreibtisch des Ruhrgebiets“ einzubürgern begann. Nach wenigen Jahren zählte Rhodes Büro Industrie, große Handelsunternehmen und Versicherungen zu seinen Auftraggebern.
Einer der wichtigsten Bauherren der frühen Jahre war der Handelskonzern Horten. Neben zahlreichen Warenhäusern errichtete RKW auch die Düsseldorfer Hauptverwaltung des Unternehmens, das „Haus am Seestern“. Die erfolgreiche Tätigkeit für Horten war eine entscheidende Weichenstellung, denn sie begründete eine Expertise in Sachen Handelsarchitektur, die das Profil von RKW bis heute prägt.
Anfang der sechziger Jahre stießen Friedel Kellermann und Hans Günter Wawrowsky zum Büro, 1971 dann firmierte man um in RKW Rhode Kellermann Wawrowsky Architektur + Städtebau. Seitdem umspannt die Arbeit des Büros das gesamte Spektrum öffentlicher und privater Bauten. RKW hat Kaufhäuser gebaut, als die Kaufhauskonzerne diese mit rundum geschlossene Fassaden einhausten („Hortenfassade“), RKW baute Kaufhäuser, als sich in den achtziger Jahren die Meinung durchsetzte, dass ihr Inneres durch rundum verglaste Wände in die Stadt hinaus leuchten solle, und heute plant man Shopping-Center aller Art. RKW-Gesellschafterin Barbara Possinke sagt: „Das gängige Einkaufszentrum in Form einer zweigeschossigen Mall, mit zigtausend Quadratmetern Verkaufsfläche und vier toten Fassaden ist der nächste Todeskandidat unter den Handelsimmobilien, nach dem traditionellen Kaufhaus.“ Die Kommunen seien immer weniger bereit, eine solche „Black Box“, die sich kaum mit der umliegende Stadt vernähen lässt, zu genehmigen. Possinke beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Handelsimmobilien, was dazu führt, dass sie mit den Einkaufscenter-Betreibern nicht nur auf Augenhöhe sprechen kann, sondern sich häufig schon in der Rolle der Beraterin bewegt.
Aktuell dreht es sich etwa darum, wie sich leerstehende Kaufhausgebäude wirtschaftlich nachnutzen lassen. So denkt man bei RKW über Kombinationen mit Büroflächen nach, auch Seniorenwohnungen könnten in der 5. und 6. Etage ehemaliger Kaufhäuser entstehen. RKW baut selbst Shopping-Center im klassischen Stil, aber Possinke und ihre Partner versuchen, ihre Auftraggeber zu Experimenten und vor allem zu einer räumlichen Öffnung der Center zu ermuntern. So entstand unlängst in Wuppertal auf dem Center-Dach ein öffentlicher Garten, in Dresden integrierte man einen Kindergarten in den 4. Stock des Peek & Cloppenburg-Hauses.
Die Planung von Großprojekten ist nicht nur konstruktiv komplex, sondern auch in der Abstimmung der Beteiligten, im Zeit- und Kostenmanagement. „Wir werden inzwischen von vielen Bauherren als Generalplaner angefragt, und da liegt sicher auch ein gutes Stück unserer Zukunft“, sagt Geschäftsführender Gesellschafter Friedel Kellermann. So beschäftigt RKW ein 30-köpfiges Team, das eine ganze Palette von Leistungen des Baumanagement erbringt – von der Bauüberwachung über die Vergabeberatung bis hin zur Mieterkoordination großer Handelsprojekte. Hier werden u.a. die Bautätigkeiten der Mieter von Einkaufszentren koordiniert. „Es lag uns immer daran, die Belange der anderen Seite so gut wie möglich zu kennen“, erklärt Kellermann. „Dann kann man Projekte in der Ganzheit anbieten, bis in die Einzelheiten der Innenarchitektur“.
Fast im Stillen und eher abseits der großen Projekte hat sich RKW seit den frühen neunziger Jahren ausgeprägte Kompetenzen insbesondere beim Bauen im Bestand angeeignet. In Leipzig wirkte und wirkt RKW erfolgreich an der behutsamen Erneuerung zahlreicher alter Messehöfe und Geschäftshäuser mit, in Düsseldorf und Potsdam wurden historische Warenhäuser revitalisiert, ebenso Bauten der Nachkriegsmoderne wie die Rathaus-Passagen oder das Kino ZooPalast in Berlin.
„Planen im denkmalgeschützten Bestand hat stets etwas sehr prozesshaftes“, meint Gesellschafter Johannes Ringel. „Die notwendigen Baumaßnahmen kann man nur teilweise im Vorhinein festlegen. Die Absichten des Bauherren und damit die baulichen Detailplanungen müssen oft im Bauverlauf abhängig vom Zustand des Bestandes neu entschieden werden – eine Planung in Fortschreibung“, sagt Ringel. Hohe Kostensicherheit bei einer Altbau-Umnutzung mit zahlreichen Unbekannten gewähren zu können, das müsse man sich erst erarbeiten.
RKW sei als Büro nie von einer Persönlichkeit alleine geprägt, so Johannes Ringel, „wir waren immer unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichen Positionen unter einem gemeinsamen Dach“. Verbindend sei jedoch die gemeinsame Haltung zur Architektur. Heute beschäftigt RKW Architektur + Städtebau 250 Mitarbeiter an drei deutschen und drei internationalen Standorten, in Moskau, Warschau und Danzig. Bis heute gehen nahezu zwei Drittel der großen Aufträge auf Wettbewerbe zurück.
Ob der Begriff des „Drei-Buchstaben-Büros“ als Synonym für ein leistungsfähiges und projekthungriges Großbüro zuerst auf die Düsseldorfer angewendet wurde oder doch auf hanseatische Büros ähnlicher Größe, wird sich wohl nie ganz klären lassen.Frank Peter Jäger, Berlin