Qualität kann man nicht erkaufen
Ein Gespräch mit Peter Ramsauer und
Sigurd Trommer
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und die Bundesarchitektenkammer e.V. (BAK) loben gemeinsam den Deutschen Architekturpreis 2013 aus. Grund genug, zu diesem Ereignis den beiden Hauptrepräsentanten und Verantwortlichen für den Architekturpreis, dem Bundesminister Dr. Peter Ramsauer und dem Präsidenten der BAK, Sigurd Trommer, ein paar Fragen zu stellen.
Welche Rolle spielen für Sie, Herr Minister, als Bundesminister für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, herausragende Architekturprojekte in Deutschland?
Mit der Auszeichnung herausragender Architekturprojekte zeigen wir, was wir unter hervorragender Baukultur verstehen. Es geht dabei nicht nur um gestalterisch überzeugende Architektur, sondern ebenso um den intelligenten und schonenden Umgang mit unseren Ressourcen – um das nachhaltige Bauen. Gelungene Architekturprojekte sind auch ein Leistungsnachweis für Planer und Bauwirtschaft in Deutschland. Mit dem Deutschen Architekturpreis wollen wir Projekte auszeichnen, die zeigen, was wir in Deutschland bauen können – vom Museum über Wohnungsbau bis hin zum Wasserkraftwerk. Als Bauminister freut mich diese Vielfalt besonders. Ich bin deshalb jetzt schon gespannt, welche Projekte dieses Jahr eingereicht werden.
Herr Trommer, die Ausschreibung für den Deutschen Architekturpreis ist sehr offen formuliert. Wo liegt für Sie der inhaltliche Schwerpunkt eines Deutschen Architekturpreises?
Gerade die Offenheit bietet die Chance, aus der unglaublichen Aufgabenfülle die herausragenden Architekturlösungen zu finden. Der Deutsche Architekturpreis soll auch einen Einblick in das nahezu unbegrenzte Aufgabenspektrum bieten, dem sich unsere Architektinnen und Architekten widmen. Und es geht um ganzheitliche zukunftsfähige Lösungen, nicht um Teilaspekte.
Herr Minister, wie kann man einen Architekturpreis, der theoretisch im besten Sinne Baukultur fordert/fördert, der breiten Bauherrenschaft so präsentieren, dass diese ebenfalls preisverdächtige Architektur planen/finanzieren?
Der Deutsche Architekturpreis findet weit über die Fachpresse hinaus große mediale Aufmerksamkeit. Ergänzend werben wir mit einer Dokumentation aller prämierten Einreichungen, die sich an eine breite Öffentlichkeit wendet, für die Baukultur. Die Jurys waren in der Vergangenheit darauf bedacht, eine breite Palette verschiedener Bauaufgaben und Herangehensweisen zu prämieren, um die Bandbreite möglicher Lösungen zu verdeutlichen. Ich bin überzeugt davon, dass gute Beispiele zum Nachahmen anregen und die Wahrnehmung dieses Themas fördern.
Welche positiven Effekte, Herr Trommer, erwarten Sie von den Ergebnissen des Deutschen Architekturpreises für die deutsche Architektur und die Baukultur?
Wie auch beim letzten Architekturpreis erhoffen wir uns von den Medien ein Hineintragen der architektonischen Lösungen in die Öffentlichkeit. Die Qualität der Baukultur wächst auch mit dem Interesse und der Auseinandersetzung der Gesellschaft mit Architektur. Wir wünschen uns, dass dieser Preis auch im Ausland für eine stärkere Wahrnehmung sorgt, wie wir in Deutschland mit unserem Lebens-umfeld umgehen und Zukunft bauen. Und schließlich ist der Deutsche Architekturpreis für unsere Architektenschaft Herausforderung und Chance. Deshalb erhoffen wir uns besonders auch die Teilnahme junger Kolleginnen und Kollegen.
Herr Minister, warum haben Sie diesen Preis, der jahrzehntelang von Ruhrgas und dann dem Nachfolge-Unternehmen e.on getragen wurde, übernommen?
Aufgrund der Geschichte dieses Preises haben von Anfang an energetische Fragen eine wichtige Rolle gespielt. Heute sind energetische Fragen ein wichtiger Aspekt des umfassenderen Begriffs der Nachhaltigkeit. Und das nachhaltige Bauen bei gleichzeitig höchsten baukulturellen Ansprüchen ist ein zentrales Anliegen des Bundesbauministeriums.
Es wäre ein herber Verlust gewesen, wenn ein so traditionsreicher und renommierter Preis nicht weitergeführt worden wäre.
Welche Bedeutung, Herr Trommer, hat aus Ihrer Sicht der Deutsche Architekturpreis für deutsche Architekten?
Die Auslobung eines nationalen Architekturpreises durch die Bundesregierung, hier vertreten durch das Bundesbauministerium, wird in der Architektenschaft als herausragender nationaler Architekturpreis wahrgenommen und unterstreicht damit die Bedeutung der Architek-
tur für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Architekten werben mit ihren Leistungen und der Deutsche Architekturpreis bringt die besonders herausragenden Leistungen einer breiten Öffentlichkeit nahe. Über die Jahre konnte damit auch der architektonische und baukulturelle Fortschritt dokumentiert werden, der wiederum Ansporn und Verpflichtung für die Architektinnen und Architekten ist, die stets optimalen Lösungen für die individuellen Bauaufgaben in ihrem ganz spezifischen räumlichen und zeitlichen Kontext zu entwickeln.
Wie verortet sich, Herr Minister, der Deutsche Architekturpreis im Feld anderer bedeutender europäischer Architekturpreise, wie beispielsweise dem französische Architekturpreis (Grand Prix National de la critique architecturale) oder dem englischen RIBA award?
Der Deutsche Architekturpreis ist offen für internationale Teilnehmer, lediglich das Gebäude muss in Deutschland entstanden sein. Die Nationalität des Preisträgers und sein Geschäftssitz spielen keine Rolle. Das unterscheidet den Deutschen Architekturpreis wesentlich von den meisten anderen großen Preisen. Eine weitere Besonderheit ist die bereits genannte Bedeutung von zunächst Energie, später Ökologie und nun Nachhaltigkeit.
Bemerkenswert ist auch, wie aus einem von der Industrie gestifteten Architekturpreis schließlich ein von BAK und BMVBS gemeinsam ausgelobter und verliehener Staatspreis für Architektur wurde.
Was zeichnet dann, Herr Trommer, bezogen auf die letzte Frage, den Deutschen Architekturpreis aus Ihrer Sicht national und international gesehen vor allen anderen aus?
Alleinstellungsmerkmale sind zum einen die Themenvielfalt, die in der Auslobung als Kriterien aufgeführt werden. Und zum anderen ist es die Tatsache, dass es nur einen „Staatspreis für Architektur“ gibt, der damit die gesellschaftliche Verpflichtung, der unsere Architektinnen und Architekten gerecht werden müssen, unterstreicht, die neben den ökonomischen besonders auch ökologische und soziokulturelle Belange einbezieht.
Herr Minister, ein Beurteilungsmerkmal für ein mögliches Gewinnerprojekt ist seine „sozio-kulturelle Qualität“. Was meint das genau?
Die sozio-kulturelle Qualität ist – neben der ökologischen und der ökonomischen Qualität – eine der drei Säulen des nachhaltigen Bauens. Dabei geht es insbesondere um Fragen der städtebaulichen Integration und gestalterischen Qualität des Gebäudes. Dazu zählt die Aufenthaltsqualität im Innen- und Außenraum, der Barrierefreiheit, der Umnutzungsfähigkeit und der Zugänglichkeit, aber natürlich in gleicher Weise auch um Komfortansprüche und nicht zuletzt der Zufriedenheit des zukünftigen Gebäudenutzers.
Der letzte Gewinner des Preises ist das Neue Museum in Berlin (David Chipperfield). Herr Minister, gibt es konkrete Aspekte aus dieser Baumaßnahme, die in politisch relevante Maßnahmen/Förderprogramme etc. abgeleitet oder eingeflossen sind?
Mit dem Neuen Museum haben wir die durchdachte und behutsame Umgestaltung einer außergewöhnlichen Ruine in ein herausragendes Museum des 21. Jahrhunderts ausgezeichnet. Der Wert des Projektes liegt in meinen Augen darin, dass es neue Maßstäbe setzt im Umgang von alt und neu, ansonsten aber ein wohl einzigartiges Projekt ist. Diese Qualität kann man nicht mit Gesetzen, Verordnungen oder Fördermaßnahmen erkaufen.
Herr Minister, können Sie sich, abschließend gefragt, vorstellen oder planen Sie, den Preis in Zukunft vielleicht zu erweitern um Aspekte wie „Innovation in der Bauforschung“ oder anderes?
Der Deutsche Architekturpreis hat seit seiner Gründung vor über 40 Jahren immer vorbildliche, realisierte Bauten adressiert. Wir zeichnen Bauherren und Architekten für eine besonders gelungene Realisierung aus. Das ist immer auch ein Stück weit Innovation und angewandte, in die Praxis umgesetzte Forschung.
Die Fragen stellten die Redaktionen von DBZ Deutsche Bauzeitschrift und Bauwelt im Februar 2013 gemeinsam.