Recht lieb
Joseph Maria Olbrich (1867–1908) ist Kult; festgeschrieben in exzellenten Bauwerken in durchaus weltberühmten Architekturensembles. Oder in Möbelstücken, Zeichnungen, Mustervorlagen, Schmuckelementen. Viel zu früh und damit weit vor einem Alterswerk gestorben, das für das 20. Jahrhundert wie das des immer noch nicht zur Gänze entdeckten Frank Lloyd Wright Bedeutung erlangt hätte, fasziniert JMO heute durch die oben genannten Bauwerke (Wiener Secession, Mathildenhöhe in Darmstadt), durch die Farbigkeit, das Leichte und den elegant geführten Strich seiner Zeichnungen. Immerhin.
Er hat über alles Weltbekannte hinaus weitere Bauten und Interieure hinterlassen, keine für eine Architekturtheorie verwertbaren Schriften, eine Menge auch Anekdotisches über sein Privatleben. Im vorliegenden, bei einem Architektenkünstler erwartbar dickleibig großformatigen Katalog nähert sich eine gut gemischte Autorengruppe dem JMO-Kult von unterschiedlichsten Seiten; ohne – und das sei gleich gesagt – auch nur ansatzweise an ihm zu kratzen. Der Architekt und Künstler wird hier in seiner Stellung im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert mit seinen Hauptwerken, mit seiner Biografie vorgestellt, beinahe schon in nüchtern dokumentarischer Weise. So als zielte die Herausgeberschaft auf das Prädikat „Standardwerk“. Das sie sich – zumindest auf diesem hohen Niveau (Texte, Reproduktion, Satz etc.) – leicht verdienen konnte, es gibt aus verschiedenen Gründen bisher keine so umfassende Monografie zu JMO. „Der König war recht lieb zu mir“ schrieb Olbricht angesichts des Besuchs des italienischen König in der von ihm verantworteten hessischen Abteilung der Turiner internationalen Ausstellung zu moderner dekorativer Kunst, die Autoren des aktuellen Standardwerkes zu JMO sind es auch. Zusammenhänge und Querverweise auf die international tonangebenden Architekten und ihre Schulen werden beipielsweise nicht vertieft, doch man erfreut sich an einem Œuvre, das in der Welt einmalig und ganz sicher von großem Einfluss war.