Robotisch gefertigte Holzschalenkonstruktion
Der Forstpavillon auf der Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd ist ein Demonstrationsbau, der neue Methoden der digitalen Planung und robotischen Fertigung von Holzleichtbaukonstruktionen erforscht und vorstellt. Gefördert von der EU und dem Land Baden-Württemberg als Teil des Forschungsprojekts „Robotik im Holzbau“, handelt es sich um das erste Gebäude, dessen Schalentragwerk aus Buchenplatten vollständig robotisch gefertigt wurde. Die neuartige Holzplattenbauweise ist zugleich eine innovative Architektur und eine ausgesprochen leistungsfähige, ressourcenschonende Schalenkonstruktion, mit einer Materialstärke von gerade einmal 50 mm. Dies wird durch integrative computerbasierte Entwurfs-, Simulations-, Fertigungs- und Messverfahren ermöglicht.
Ziel
Ziel ist, neue Wege aufzuzeigen, wie durch die Verknüpfung computerbasierter Entwurfs-, Simulations- und Fertigungsverfahren innovative und zugleich besonders leistungsfähige und ressourcenschonende Konstruktionen aus der regional verfügbaren und nachwachsenden Ressource Holz möglich werden. Bei dem Demonstrationsbau kommt erstmals ein innovatives, robotisch gefertigtes Leichtbausystem aus Buchenfurniersperrholzplatten zur Anwendung.
Holz ist eines der ältesten Baumaterialien der Menschheit. Die robotische Fertigung eröffnet dem Material völlig neuartige Anwendungsmöglichkeiten. So können aus Holz besonders leistungsfähige, effiziente Konstruktionen entstehen. Der Forstpavillon steht für eine solche Innovation im Holzbau, die sich in fünf wesentlichen Aspekten zeigt:
Bionischer Leichtbau: Im Vergleich zu technischen Konstruktionen besitzen natürliche Konstruktionen in der Tier- und Pflanzenwelt in der Regel wesentlich komplexere Formen und Strukturen. Dieses „Mehr“ an Form ist häufig der Grund für deren besondere Leistungsfähigkeit und Materialeffizienz und geht mit einem „Weniger“ an Materialeinsatz und Ressourcenverbrauch einher. Aus der Natur lassen sich daher oft wirksame Prinzipien ableiten, die in die Gestaltung technischer Systeme übertragen werden können. Dieses bionische Vorgehen besteht im Falle des Forstpavillons in der Ableitung einer segmentierten Schalenkonstruktion und ihrer Verbindungsdetails aus dem Plattenskelett von Seeigeln. Die aus Calciumcarbonat bestehenden, individuellen Platten des Skeletts bilden durch ihre spezifische Anordnung eine besonders stabile und effiziente Schalenkonstruktion. Die charakteristische Ausbildung der Plattenränder zeigt dabei Extrusionen, die die Platten verzahnen und als biologisches Vorbild für die Verbindung von Plattenkonstruktionen dienen.
Computerbasierter Entwurf und Simulation: Die komplexe Plattenstruktur des Forstpavillons wird erst durch computerbasierte Entwurfs- und Simulationsverfahren möglich. Diese erlauben es, bionische Konstruktionsformen zu modellieren und zu simulieren. Das im Rahmen dieses Forschungsprojekts entwickelte Entwurfswerkzeug bietet die Möglichkeit, von Beginn an Materialeigenschaften und Herstellungsbedingungen in die Planung zu integrieren. Die Platten werden dabei nicht einzeln gezeichnet oder modelliert, sondern sie finden in einem digitalen Simulations- und Optimierungsprozess ihre Lage, Größe und Form in Übereinstimmung mit den Möglichkeiten der robotischen Fertigung von selbst.
Robotische Fertigung: Die durchgehend computerbasierte Planung erlaubt die digitale Fertigung aller Bauteile der Holzkonstruktion, von der Herstellung der 243 unterschiedlichen Platten bis hin zum Zuschnitt der Dämmung, wasserführenden Schicht und Deckschicht aus Lärchenplatten. Die größte Herausforderung und Innovation stellt dabei die Fertigung der 7 600 geometrisch unterschiedlichen Zinkenverbindungen dar, die dem Pavillon seine Stabilität verleihen und im Innenraum sichtbar bleiben. Hier kommt der robotischen Fertigung eine Schlüsselrolle zu, da sie im Vergleich zu üblichen computergesteuerten Fertigungsmethoden einen wesentlich höheren Freiheitsgrad bietet: die Verbindungen, die in mikroskopisch kleinem Maßstab auch der Seeigel nutzt, lassen sich nur mit einer 7-achsigen Roboteranlage effizient umsetzen. Wie auch beim Seeigel spielt es dabei keine Rolle, dass alle Platten Einzelstücke sind. Die gesamte Vorfertigungszeit betrug lediglich drei Wochen.
Innovative Messverfahren: Durchgehend computerbasierte Planung und Fertigung ermöglichen eine im Vergleich zu bestehenden Verfahren sehr hohe Präzision. Die Qualitätskontrolle der individuellen robotisch gefertigten Platten stellt daher eine besondere Herausforderung dar und erfordert eine hochpräzise messtechnische Erfassung durch im Sub-Millimeter-Bereich agierende Lasertracker. Zusätzlich kommen 3-dimensionale Laserscanner zur mehrfachen Vermessung des gesamten Bauwerks zum Einsatz, die eine Analyse des Langzeitverhaltens ermöglichen. So konnte aufgezeigt werden, dass die mittlere quadratische Abweichung der Bauteile in der Bauteilebene, die ein Maß für die Genauigkeit der Fertigung darstellt, lediglich 0,86 mm beträgt. Im Vergleich zu den sonst im Bauwesen üblichen Toleranzen ist dies ein außerordentlich guter Wert, vor allem auch im Hinblick darauf, dass es sich bei der Buchenholzschale gleichzeitig um „Rohbau“ und fertige Oberfläche im Innenraum handelt.
Neuartige Holzkonstruktion: Der Forstpavillon ist die erste robotisch gefertigte Schalenkonstruktion aus Buchenholzplatten. Im Sinne der funktionalen Integration, einem Grundprinzip biologischer Strukturen, sind diese Platten zugleich Tragwerk und Gebäudehülle. Die Verbindungskräfte, die an den Plattenrändern auftreten, können durch die robotisch gefräste Zinkenverbindung besonders gut aufgenommen werden. So entsteht eine besonders leistungsfähige Holzkonstruktion, deren tragende Schicht aus gerade einmal 50 mm starken Platten besteht. Die Verwendung von regional verfügbarem Holz steht dabei nicht nur im Einklang mit zukünftigen Beforstungsstrategien in Mitteleuropa, sondern eignet sich aufgrund der hervorragenden mechanischen Eigenschaften auch für einen ressourcenschonenden Holzleichtbau.
Die Realisierung des Forstpavillons zeigt, dass die robotische Herstellung in Wechselwirkung mit computerbasierten Entwurfs-, Simulations- und Messverfahren es ermöglicht, von Beginn an interdisziplinär, herstellungs- und materialorientiert zu arbeiten. Dabei entstehen nicht nur leistungsfähige und ressourcenschonende Holzbaukonstruktionen, sondern auch eine neuartige, ausdrucksstarke Architektur.
Derzeit werden computerbasierte Technologien vor allem zur Digitalisierung und Automatisierung bestehender Planungs- und Fertigungsprozesse genutzt. Dies hat im Wesentlichen eine Effizienzsteigerung der Prozesse zum Ziel. Am ICD erforschen wir hingegen, wie architektonische Innovation entstehen kann, wenn wir computerbasiertes Entwerfen, Fertigen und Bauen von Beginn an integrativ denken und daraus neuartige konstruktive und räumliche Möglichkeiten hervorgehen.
Prof. Achim Menges, ICD, www.icd.uni-stuttgart.de