Sanierung/Rekonstruktion der Kongresshalle am Zoo Leipzig
HPP Architekten zeigen mit der „KONGRESSHALLE am Zoo Leipzig“, dass sowohl Sanierung und Rekonstruk-tion als auch Neubau geeignete Mittel für den Umgang mit denkmalgeschütztem Gebäudebestand sind.
Der Name täuscht. Die „KONGRESSHALLE am Zoo Leipzig“ ist keineswegs nur ein Gebäude, wie man meinen könnte, sondern ein historisch gewachsener Komplex aus dem Gesellschaftshaus des Zoos von 1900, dessen Erweiterungen der 1920er-Jahre und den jüngsten Ergänzungen von HPP Architekten. Genutzt wurde sie bis 1945 als Großrestaurant und danach für Veranstaltungen mit Schwerpunkt Kultur, vor allem als Spielstätte des Gewandhausorchesters bis 1981 und bis 1989 als Sitz des „Theaters der Jungen Welt“.
Als im Jahr 2009 HPP im VOF-Verfahren den Zuschlag erhielt, hatte der Gebäudekomplex Jahre des Leerstands, aber auch bereits eine Grundsanierung der Gebäudehülle hinter sich. Als Grundlage für das Auswahlverfahren diente ein Konzeptpapier, in dem Vertreter der Stadt Leipzig, des Zoos als Eigentümer, der Leipziger Messe als Betreiber eines Kongresszentrums und Denkmalschützer gemeinsam in einem „Expertengremium“ Anforderungen an das Bauvorhaben definiert hatten.
Die Wahl fiel auf HPP, weil sie die Anforderungen, vor allem das umfangreiche Raumprogramm am besten mit der vorhandenen Gebäudestruktur erfüllt hätten, so André Kaldenhoff, Leiter des Geschäftsbereichs Kongresse der Leipziger Messe beim Rundgang durch das Gebäude. Zwei Drittel dessen, was an Flächen benötigt wurde, seien im Grunde bereits vor dem Umbau vorhanden gewesen, so Kaldenhoff weiter, wenn auch im stark sanierungsbedürftigen Zustand und ohne moderne Haus- und Veranstaltungstechnik.
Großer Saal – entkernt und rekonstruiert
Exemplarisch sichtbar werden die Herausforderungen, vor denen die Architekten bei Umbau und Sanierung des Komplexes mit Sälen verschiedenster Größe standen, am Großen Saal, dem ca. 1 000 Personen fassenden, einstigen Hauptraum des Gesellschaftshauses. Diesen Saal, der im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde, baute die Stadt Leipzig 1946 wieder auf, vor allem für Konzerte des Gewandhausorchesters.
Um den Saal an die neue Nutzu ng anzupassen, zogen die Verantwortlichen damals eine neue Kassettendecke unterhalb der ursprünglichen Gewölbedecke ein, verbreiterten die schmalen Emporen zu Rängen, errichteten ein neues Bühnenhaus hinter der vergrößerten Bühne und entfernten aus ästhetischen Gründen den gesamten Jugendstilstuck.
Dieser Nachkriegszustand des Saals habe zwar auch Qualität besessen, so der leitende Architekt des Umbaus Sebastian Helm im Gespräch, jedoch hätten die breiten Ränge für Kongresse oder Tagungen nicht mehr verwendet werden können. Daher habe man sich in Abstimmung mit dem Denkmalschutz entschlossen, die Einbauten von 1946 komplett zu entfernen, die ursprüngliche Kubatur wiederherzustellen, historische Bauteile zu ertüchtigen sowie moderne Technik zu integrieren. So ließen die Architekten die erhaltene Gewölbedecke von oben dämmen, bekleideten sie von unten mit akustisch wirksamen, verputzten Platten und integrierten Frischluftwerfer und Abluftmulden sowie Hängepunkte für mobile Einbauten in die Gewölbekappen und ein neues Beleuchtungssystem entlang des Gewölbeknicks. Die Seiten- und Mittelemporen entstanden neu nach altem Vorbild mit den einst geschwungenen Brüstungen als bekleidete Stahlkonstruktionen.
Die Sockelzone des Saals erhielt ihre Holzverkleidung zurück, in die entlang der Seitenwände zusätzliche Quellluftauslässe eingebaut wurden. Für die auf Sprachverständlichkeit abgestimmte Akustik ließen HPP zusätzlich zur Decke die gesamte Rückwand oberhalb der Mittelempore wie auch die Wandnischen oberhalb der Seitenemporen mit Akustikpaneelen bekleiden. Das 1946 angebaute, nicht mehr benötigte Bühnenhaus ließen sie abbrechen und das Bühnenportal schließen. Beschichtet mit einer Speziallasur dient das Portal heute als Präsentationsfläche, die sehr scharfe und lichtstarke Projektionen ermöglicht. Umrahmt wird es nach dem Umbau so wie zur Entstehungszeit durch das reiche, rekonstruierte Jugendstilstuckdekor, das hier exemplarisch die einstige Dekoration des gesamten Saals zeigen soll.
Expo-Fläche – Neubau im Keller
Auch den Parkettfußboden des Großen Saals ließen HPP Architekten komplett entfernen und neu aufbauen, inklusive Fußbodenheizung sowie Bodentanks mit Strom- und Medienanschlüssen. Nicht nur, weil er verschlissen war, sondern auch weil unterhalb des Großen Saals mit dem Umbau ein neuer Ausstellungssaal entstehen sollte. Diese neue Fläche bereitzustellen, sei eine der wesentlichen Anforderungen gewesen, so André Kaldenhoff, der als Experte für das Kongressgeschäft an der Ausschreibung mitarbeitete, da für einen optimalen Betrieb genauso viel Fläche für Gastronomie oder Ausstellungen vorhanden sein müsse, wie der größte Raum für Tagungen biete.
Im Auswahlverfahren hätte es grundsätzlich zwei Vorschläge gegeben, diese Anforderung zu erfüllen. Entweder durch eine Zwischenebene im Großen Saal auf Höhe der Empore, was aber mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar gewesen sei, oder durch die Lösung, die auch HPP gewählt hätten, den alten Kellerbereich komplett abzureißen und dort den neuen Saal zu errichten. Dieser erreicht jedoch nicht die geforderten 1 000 m², da seine tragenden Stützen nicht bis an die Fundamente des Großen Saals heranreichen und stattdessen ein höher gelegener Galerieumgang eingebaut wurde. Sie hätten diesen Vorschlag unterbreitet, so Sebastian Helm, da damit keine aufwändigen Unterfangungen der Fundamente und auch keine baulich sehr komplizierte Integration der Saalstützen in diese notwendig gewesen sei. Außerdem hätten sich damit die Deckenspannweiten verkürzt.
Projekterfolg durch klare Strukturen
Kompromisse seien notwendig gewesen, resümiert André Kaldenhoff, der heute für den Betrieb der Kongresshalle verantwortlich ist, den Bau- und Planungsprozess. Und kleinere Einschränkungen ließen sich bei denkmalgeschützten Gebäuden nun einmal nicht vermeiden, so Kaldenhoff weiter. So könne man aufgrund der historischen Türbreiten zum Beispiel keine PKWs in den Innenräumen präsentieren. Dennoch zeige sich der Erfolg des Umbaus an der sehr guten Auslastung. Aus Betreibersicht seien vor allem die multifunktionalen und flexiblen Nutzungsmöglichkeiten und die moderne Technikausstattung wichtig, die HPP durch die Integration von Hängepunkten in den Decken oder mobile Trennwandsysteme auch in den historischen Sälen ermöglicht hätten.
Auch Sebastian Helm zeigt sich rundum zufrieden. Er hebt vor allem die im Vergleich zu anderen neuen Veranstaltungszentren verhältnismäßig günstigen Baukosten von 35 Mio. Euro für ein Gebäude mit zwölf Sälen für bis zu 3 350 Personen hervor. Das Einhalten des engen Zeit- und Kostenrahmens sei nur möglich gewesen, weil es eine überschaubare Anzahl von Verantwortlichen und damit kurze Entscheidungswege gegeben hätte und die grundlegenden Entscheidungen vor Baubeginn getroffen und danach auch nicht mehr in Frage gestellt worden wären. Zu diesen gehört auch der Entschluss zu einem neuen Nordflügel an Stelle des alten Bühnenhauses, der erstmals alle Gebäudeteile sinnvoll zusammenbindet. An ihm wird sichtbar, dass HPP Architekten nicht nur Sanierung und Rekonstruktion, sondern zum Beispiel bei der eleganten Betonfassade auch die zeitgenössische Gestaltung beherrschen. Carsten Sauerbrei, Berlin
Standort: Leipzig
Typologie: Kultur, Messe
Bauherr: Zoo Leipzig GmbH, Pfaffendorfer Str. 29, Leipzig
Nutzer: CCL der Leipziger Messe GmbH, Martin Buhl-Wagner, Markus Geisenberger, Andre Kaldenhoff
Architektur und Generalplanung: HPP Architekten, Leipzig; www.hpp.com Verantwortlicher Partner: Gerd Heise
Mitarbeiter: Ralf Oelke, Kristian Sturm, Katja Bethmann, Claus Coumont, Nils Ehlers, Julia Frohberg, Graupner Marcel, Florian Heiland, Heinig Mario, Claire Jansen, Uta Kielstein, Alexander Lebe, Martinelli Eliana, Muschter Uta, Paola Pavoni, Martin Reichel, Catherina Schulz, Ulrike Schwab, Urban Ivonne
Projektleiter: Sebastian Helm
Bauleitung: Ulrike Schwab
Bauzeit: 1.BA: Juli 2010 – November 2011, 2.BA: Juni 2013 – Mai 2015
TGA-Planer Sanitär, Heizung, Lüftung, Gebäudeautomation: Eichhorn Glathe Schröder GmbH + Co. KG, Leipzig; www.ib-egs.de
TGA-Planer Elektroplanung, Aufzüge: B-Plan GmbH & Co. KG, Leipzig;
www.ib-bplan.de
Lichtplaner: Anke Augsburg Licht, Halle; www.lichtarchitekten.com
Brandschutzplaner: Halfkann + Kirchner GbR, Erkelenz; www.hk-brandschutz.de
Schallschutz: Peutz Consult GmbH, Düsseldorf; www.peutz.de
Leit- und Orientierungssystem:
Gourdin & Müller, Leipzig;
www.gourdin-mueller.de
Vermessung: Vermessungsbüro Roland Meyer, Taucha; www.vbmeyer.de
Bodengutachten: Ingenieurbüro für Geotechnik John Küster, Leipzig;
www.geotechnik-kuester.de
Restauratorische Gutachten: Malerfachbetrieb Wolf-Christian Heindorf, Leipzig; www.heindorf-maler.de
Besonderheiten: Denkmalschutz, Säle und Foyers aus Jugendstil, Art Decò und von 1946
Bauplastik: Andreas Artur Hoferick,
www.steinrestaurierung-hoferick.com
Leuchten Weißer Saal: Maresch Kristall Leuchten, www.kristallleuchten.at
Stuck: Scherf und Ritter GmbH, Waldenburg, www.stuckhaus-scherf-ritter.de
Historische Fenster und Türen: Bau- und Möbeltischerei Walter Henker, www.tischlerei-henker.de
Historische Leuchter:
Andreas Althammer Kunstschmiede, www.andreas-althammer.de
Betonfertigteile:
Kaspar Röckelein KG,
Stahlfassaden: Schüco Stahlsysteme Jansen, www.schueco.com
Foliendach: Vector Foiltec GmbH, www.vector-foiltec.com