Schlüsseldisziplin Luftdichtung – was Planer dazu wissen sollten

Luftdichtes Bauen ist eine Voraussetzung für Energieeffizientes Bauen. In dieser und den folgenden Ausgaben unseres Sonderteils Energie Spezial beleuchten Experten die wichtigsten Punkte zum luftdichten Bauen und geben Hintergrundinformationen und klare Handlungsempfehlungen, damit Architekten und Planer wirtschaftliche und dauerhaft funktionierende Konstruktionen realisieren können.

Gebäude, die zum Aufenthalt von Menschen dienen, müssen luftdicht ausgeführt werden. Das ist in Fachkreisen weitestgehend bekannt. Dennoch treten dabei im Baualltag häufig Probleme auf. Die Ursachen können sowohl in der Planung, der Ausführung, dem Bauablauf oder in der nachträglichen Beschädigung der luftdichten Ge­bäudehülle (z. B. durch nachfolgende Gewerke) liegen. Hintergründe sind in allen Fällen oft mangelnde Kenntnisse über die Bedeutung der luftdichten Bauweise, fehlendes Wissen zu Bau­physik und Anforderungen an Planung und Ausführung sowie lückenhafte Qualitätskontrolle. Unabhängig von der Ursache, sind die Folgen mängelbehafteter Luftdichtung aber schnell ­­problematisch. Denn die Luftdichtungsebene ist entscheidend dafür verantwortlich, dass die Wärmedämmung ihre zuvor berechnete Leistungsfähigkeit auch erreichen kann und die Konstruktion trocken bleibt, wodurch sie vor Bauschäden und Schimmel geschützt wird (Bild 01). Auch ein gesundes und behagliches Raumklima kann sich nur mit einer luftdichten Gebäudehülle einstellen. Architekten und Planer stehen hierfür im besonderen Maße in der Verantwortung.

Dämmung braucht Luftdichtung

Um Luftdichtung fachgerecht planen und umsetzen zu können, ist Hintergrundwissen erforderlich. So hat die Luftdichtung z. B. sehr großen Einfluss auf die Energieeffizienz eines Gebäudes. Neben den Wärmeverlusten über Transmission (hierfür maßgeblich ist die Wärmeleitung von Bauteilen, gekennzeichnet durch den U-Wert), sind die Lüftungswärmeverluste entscheidend für den Wärmebedarf eines Gebäudes. Dabei wird Wärme über sog. Konvektion aktiv von Luftströmung aus dem beheizten Innenraum abgeführt (Bild 02). In Zeiten knapper fossiler Energieträger und damit verbunden steigender Energiekosten ist die Energieeinsparung somit ein wichtiger Aspekt um Heizkosten einzusparen. Häuser in Mitteleuropa benötigen nach einer Erhebung aus dem Jahr 2000 im Durchschnitt 22 l Öl/m² (220 KWh/m² Wohnfläche) für die Raumheizung, ein Passivhaus braucht nur 1 l – vorausgesetzt die Luftdichtung ist perfekt. Fugen in der Luftdichtungsebene von Gebäuden führen zu einer Vervielfachung des Energiebedarfs je Quadratmeter Wohnfläche. Luftdichtung ist außerdem die Voraussetzung dafür, dass Wärmedämmung überhaupt funktioniert. Hintergrund ist, dass diese in der Regel auf dem Prinzip eingeschlossener Luft beruht. Strömt Luft also z. B. durch einen Faserdämmstoff hindurch, reduziert das seine Dämmwirkung. Ein Beispiel: Ein Wollpullover im Herbstwind wärmt nicht wirklich gut. Die Wärme wird aus den Wollfasern „herausgeweht“. Erst wenn man eine dünne Windjacke, die selbst keine nennenswerte Dämmwirkung hat, darüber zieht, kann der Pullover seine Leistungsfähigkeit voll entfalten (Bild 03). Wenn im Winter Wärme über Luftströmung das Gebäude verlassen kann, so besteht natürlich während der Sommerzeit auch die Gefahr, dass Wärme aus der Außenluft ins Gebäude strömt. Die Luftdichtung hat also auch einen entscheidenden Einfluss auf den sommerlichen Hitzeschutz. Neben Wärme können aber auch andere Stoffe oder physikalische Größen über Konvektion transportiert werden, z. B. Gerüche, Schadstoffe oder Schall. Gerade im Anschlussbereich von Fenstern spielt die luftdichte Abdichtung der Fugen eine große Rolle hinsichtlich des Luftschallschutzes. Die wichtigste Aufgabe der Luftdichtung ist aber wahrscheinlich, die Konstruktion vor Bauschäden und Schimmel zu schützen.

Schutz vor Bauschäden und Schimmel

Während der Winter- bzw. Tauperiode herrscht in der Innenluft von Wohngebäuden eine höhere (absolute) Feuchtebelastung als in der Außenluft – es befinden sich mehr Gramm Wasser in einem ­Kubikmeter Luft. Über Undichtigkeiten in der Luftdichtungsebene strömt diese „feuchtwarme“ ­Innenluft nun per Konvektion durch die Wärmedämmkonstruktion nach außen und kühlt sich dabei ab. Da kalte Luft weniger Wasserdampf aufnehmen kann als warme, steigt damit die relative Luftfeuchte. Wird die sog. Taupunkttemperatur unterschritten, fällt flüssiges Kondensat an (Bild 04). Feuchtigkeit in der Konstruktion ist Wachstumsgrundlage für holzzerstörende Pilze oder Schimmel (Bild 04). Pilze können Bausubstanz zerstören und Tragwerke bis zum Funktionsverlust schädigen. Die Konstruktion muss dann teuer und aufwendig erneuert werden. Gravierender als der finanzielle Schaden ist jedoch die gesundheitliche Gefahr. Schimmel kann das menschliche Immunsystem grundlegend schädigen, z. T. sogar irreparabel. Sporen und vor allem MVOCs stehen im Verdacht, potentiell krebserregend zu sein.

Nutzerkomfort und Rendite

Neben Energieeinsparung und der Vermeidung von Feuchteschäden rückt der Wunsch nach Nutzerkomfort und gesunder Innenraumluft stetig weiter in den Fokus von öffentlichen und privaten Bauherren und Investoren. Auch hier übernimmt die Gebäudedichtung eine maßgebliche Rolle. Sie sorgt für behagliche Luft– und Oberflächentemperaturen, eine angenehme, gut regelbare Raumluftfeuchte und verhindert Zuglufterscheinungen. In dem groß angelegten Forschungsprojekt My Future Office wurden signifikante Zusammenhänge von gutem Innenraumklima, dem Wohlbefinden und der Leistungsfähigkeit von Büroangestellten ­festgestellt. Gesünderes, luftdichtes Bauen wird damit immer mehr zum nutzenbringenden Investitionsargument mit klar darstellbaren Renditevorteilen.

An der EnEV führt kein Weg vorbei

Was bereits mit der Wärmeschutzverordnung 1977 eingeführt wurde, fordert auch die aktuelle EnEV: eine dauerhaft luftundurchlässige Abdichtung der Gebäudehülle entsprechend den Regeln der Technik. Wichtig zu wissen: Bei der EnEV handelt es sich um eine Verordnung und damit eine Rechtsnorm. Damit ist sie absolut verbindlich und kann nicht umgangen werden. Immer wieder ist von Versuchen zu hören, die Nichteinhaltung vertraglich zu vereinbaren. Das ist rechtlich unzulässig und damit unwirksam! Als Regel der Technik hinsichtlich der Luftdichtung kann DIN 4108-7 (Luftdichtheit von Gebäuden) gesehen werden. Hier werden auch Anforderungen an die Qualität der Luftdichtung gestellt: Gefordert werden Luftwechselraten von n50 maximal 3,0 1/h bzw. 1,5 1/h beim Betrieb von lüftungstechnischen Anlagen. Diese Grenzwerte sind jedoch nicht allgemeingültig. Es gibt diverse Standards (z. B. Passivhaus) oder Förderprogramme, die strengere Anforderungen an die Luftdichtheit stellen. Außerdem kann ein Bauherr, der die Planung und Errichtung eines energieeffizienten Gebäudes mit gehobenem Standard beauftragt, eine hochwertigere Ausführung als die normative Mindestanforderung erwarten. Daher ist es empfehlenswert, die individuellen Anforderungen vorab zu klären und im Idealfall klar definiert und unstrittig vertraglich zu vereinbaren. Weiterhin wird in DIN 4108-7 gefordert, dass die Luftdichtheitsschicht sorgfältig zu planen, auszuschreiben und auszuführen ist und dass die Beteiligten zu koordinieren sind. ­Damit ist ein großer Verantwortungsteil an den Architekten/Ingenieur adressiert, der mit den entsprechenden Leistungsphasen beauftragt ist. Die Luftdichtung ist so also auch ein Element der ­Planungsleistung und kann nicht erst auf der ­Baustelle „einschließlich aller erforderlichen Anschlüsse gemäß Regeln der Technik und Herstellerangaben“ durch den Verarbeiter festgelegt werden.

Klarheit durch Luftdichtheitskonzept

Wie die Planung und Ausführung der Luftdichtheit erfolgen soll, beschreibt in Grundzügen die DIN 4108-7. Prinzipiell sollen für alle Bauteile der Gebäudehülle die Luftdichtheitsebenen festgelegt sowie deren Übergänge und Anschlussdetails definiert werden. Der Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen (FliB) hat die geforderte Planung präzisiert und in diversen Veröffentlichungen beschrieben, wie ein sog. Luftdichtheitskonzept zu erstellen ist (siehe www.luftdicht.info). In einem Grobkonzept wird der allgemeine Verlauf der luftdichten Gebäudehülle festgelegt und z. B. in Schnitt– und Grundrisszeichnungen des Gebäudes dargestellt. Anschließend werden für alle Bauteile der Gebäudehülle die jeweiligen Bauteilschichten der Regelaufbauten festgelegt, die die Luftdicht-heit der Flächen übernehmen. Zur Kontrolle muss die luftdichte Gebäudehülle in den Plänen mit einem Stift umlaufend, ohne abzusetzen (keine Lücken oder Versprünge) nachgefahren werden können. Man spricht von der sog. Stiftregel (Bild 06). Zum Schluss wird die Ausführung aller relevanten, zuvor gesammelten Details festgelegt. Letztendlich entsteht so ein objektbezogener Detailkatalog, in dem die luftdichte Ausführung umfassend beschrieben ist.

In der Praxis

Damit Feuchtigkeit erst gar nicht in die Wärmedämmung eindringt, umschließt die luftdichte Gebäudehülle im Idealfall direkt das beheizte Gebäudevolumen und folgt dort der Dämmebene raumseitig (abweichende Sonderlösungen z. B. bei der Dachsanierung von außen sind möglich). Dabei können viele Materialien und Baustoffe die Funktion der luftdichten Ebene übernehmen. Massiver Beton (kein poriger Leichtbeton) ist aufgrund seiner dichten Struktur in sich bereits luftdicht. Durchdringungen, Fugen und Bauteilübergänge müssen aber auch hier ggf. zusätzlich abgedichtet werden. Bei gemauerten Wänden stellt in der Regel der Innenputz die luftdichte Ebene dar (Bild 07). Dementsprechend muss dieser Putz dann auch vollflächig aufgebracht werden. In der Praxis sind hier folgende Punkte zu beachten, wo der Putz oft nicht konsequent vorgesehen wird:

– zwischen OK Roh– und OK Fertigfußboden

– hinter Vorwandinstallationen

– hinter Bauteilen (z. B. Schornsteine, Pfosten)

– gemauerte Schornsteine an sich

– Fensterlaibungsflächen für luftdichten Anschluss

– Giebelflächen eines unausgebauten Dachraums innerhalb der luftdichten Gebäudehülle

– Elektroinstallationen, z. B. Gerätedosen

Bei Übergängen von Mauerwerks– bzw. Putzflächen zu anderen Materialien (z. B. Holzbalken) ist zu beachten, dass ein einfaches „Anputzen“ nicht dauerhaft luftdicht ist. Geringe Bauteilbewegungen z. B. durch unterschiedliche Längenänderungen, Quellen und Schwinden etc. können hier zu Putzabrissen führen, die Undichtigkeiten zur Folge haben. Daher empfiehlt sich hier der Einsatz spezieller Ein– oder Anputzmaterialien, wie z. B. Putzanschlussklebebänder, die auch begrenzt Bewegungen aufnehmen können. Im Holzbau werden in der Regel Bahnen (aus Kunststoff oder Baupappe) eingesetzt, im Holzrahmenbau oft Holzwerkstoffplatten wie z. B. OSB-, Span– oder Dreischichtplatten, da i. d. R. ohnehin eine aussteifende Beplankung erforderlich ist. Die verwendeten Platten müssen für den Einsatz als Luftdichtung geeignet sein (z. B. entsprechend der Herstellerangaben) und im Stoßbereich, an Übergängen und Durchdringungen luftdicht abgeklebt werden (Bild 08). Bahnen zur Luftdichtung werden meist mit Tackerklammern an der Holz-Unterkonstruktion fixiert (was bei ordnungsgemäßer Ausführung keine Leckagen erzeugt) und überlappend verlegt. Die Überlappung wird meist mit einem geeigneten Klebeband abgeklebt (Bild 08)und Anschlüsse an aufgehende, mineralische Bauteile (z. B. aus Beton oder verputztem Mauerwerk) mit pastösem Anschlusskleber hergestellt. Möglich ist auch der Einsatz von Einputzbändern bei Bahnenmontage vor dem Verputzen der angrenzenden Wände. Auf folgende Punkte sollte beim Einsatz von Luftdichtungsbahnen insbesondere geachtet werden:

– Bahnen und Verklebungen müssen dauerhaft spannungsfrei bleiben: dazu z. B. Dehnschlaufen vorsehen, wo Bewegungen zu erwarten sind, und Anpresslatten anordnen, wo mechanische Belastung auftritt, z. B. durch hohes Dämmstoffgewicht.

– Die Eignung von Klebematerialien zur dauerhaft luftdichten Verklebung sollte geprüft sein. Idealerweise werden vollständige Systeme geplant/ausgeschrieben (kein Zwang, jedoch sinnvoll).

– Bahnen müssen ausreichend mechanisch befestigt werden – i. d. R. durch Tackerklammern UND Stützlatten in entsprechenden Abständen.

– Bahnenperforationen durch Nägel und Schrauben sind ausreichend luftdicht, wenn ausreichende Anpressung und Abdeckung durch druckfeste Materialien vorliegt.

– Zum Schutz vor UV-Belastung und mechanischer Beschädigung, sollten Luftdichtheitsbahnen verkleidet werden. Ist dies nicht vorgesehen, sollten spezielle, UV-beständige Bahnen zum Einsatz kommen.

Luftdicht ist nicht dampfdicht!

Oft übernehmen die Luftdichtheitsschichten im Holzbau auch die Funktion einer Dampfbremse. Das muss aber nicht zwingend der Fall sein. Es gilt: Luftdicht ist nicht dampfdicht. Dennoch spielt der (Wasserdampf-)Diffusionswiderstand eine entscheidende Rolle – zwar nicht hinsichtlich der Luftdichtung, jedoch was den Tauwasserschutz anbelangt! Daher sollte die jeweilige Dampfbremse auch in Abhängigkeit des geplanten Konstruktionsaufbaus festgelegt werden. Bauteile sind gegenüber Feuchteschäden umso sicherer, je mehr Trocknungsvermögen diese aufweisen. Dazu ist es sinnvoll, Konstruktionen außenseitig so diffusionsoffen wie möglich und innen nur so dampfbremsend wie nötig zu gestalten. Dann kann Feuchtigkeit auf beiden Seiten des Aufbaus austrocknen. Größte Sicherheit bieten sog. feuchtevariable Dampfbremsen auf der Innenseite. Diese können ihre Wasserdampfdurchlässigkeit entsprechend der Anforderungen variieren. Damit ergeben sich große Vorteile bei der Konstruktion von bauphysikalisch anspruchsvollen Bauteilen, wie z. B. Flachdächern in Holzbauweise. Dazu mehr im nächsten Teil der Serie.

Qualitätssicherung für mangelfreie und hochwertige Ausführung

Die Qualität der Luftdichtung lässt sich z. B. mit sog. Differenzdruck-Messungen (BlowerDoor-Verfahren) überprüfen. Dabei wird im zu prüfenden Gebäudeabschnitt ein Über– oder Unterdruck mithilfe eines Ventilators, der in einer Baukörperöffnung montiert wird, erzeugt und der n50-Wert (Luftwechselrate bei 50 Pa Druckdifferenz) ermittelt (Bild 09). Ein „guter“ n50-Wert ist jedoch kein Garant für Schadens– und Mangelfreiheit! Denn einzelne Leckagen können dennoch kritisch sein. Daher ist es empfehlenswert, während des BlowerDoor-Tests zusätzlich eine sog. Leckageortung durchzuführen, sinnvollerweise findet diese baubegleitend statt. Denn wenn die luftdichte Ebene noch zugänglich ist, können einzelne Leckagen oft mit geringem Aufwand gefunden und nachträglich abgedichtet werden. Weitere Maßnahmen zur Qualitätssicherung können gegenseitige Kontrolle durch Handwerker/Gewerke, Bautagebücher, Fotodokumentationen, Sicht– und Handprüfung (z. B. leichtes (!) Ziehen an Verklebungen) sein.

Fazit: Gute Luftdichtung ist kein Hexenwerk. ... aber auch kein Selbstläufer!

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