Sicherer Halt!
Befestigung von
Balkongeländern

Zusammenfassung

Bei den Balkonen eines Wohngebäudes sind die Geländer aus Stahlwinkeln gefertigt und in Ankerschienen auf der Oberseite der Balkon-Fertigteile montiert. Die Ausrichtung der Geländerelemente wurde entgegen der Planung mittels Justierschrauben vorgenommen; die Planung sieht keine Möglichkeit zum Toleranzausgleich vor. Bei der Ausführung wurde die Befestigung nicht mit den erforderlichen Anzugsdrehmomenten vorgenommen.

Die fehlende Möglichkeit eines Toleranzausgleichs stellt einen Planungsmangel dar. Die entgegen der Planung vorgenommene Ausführung von Justierschrauben verändert den Lastabtrag in unzulässiger Weise. Daher liegt ein Ausführungsmangel vor. Die fehlen­de Einhaltung der Anzugsdrehmomente der statisch wirksamen Befestigungsmittel stellt ebenfalls einen Ausführungsman­gel dar.

 

Sachverhalt

Bei einem neuen Wohngebäude wurde festgestellt, dass die Obergurte der nebeneinander befindlichen Elemente des Balkongeländers nicht fluchtgerecht ausgerichtet sind. Darüber hinaus lassen sich die Geländerelemente mit vergleichsweise geringem Kraftaufwand verformen. Die Durchbiegung im Bereich des Obergurtes unter einer horizontalen Last führt zu deutlichen Versätzen zu den benachbarten, unbelasteten Geländerelementen.

 

Feststellungen

Die Balkone des Gebäudes bestehen aus Stahlbeton-Fertigteilen mit integrierten Ablaufrinnen auf der von der Fassade abgewand­ten Seite. Den äußeren Abschluss der Fertigteile bildet jeweils eine Aufkantung. Diese Auf­kantung ist gegenüber der Bodenfläche des Balkons erhöht. Die Balkongeländer bestehen aus einzelnen Elementen, die auf der Oberseite der Aufkantung in den im jeweili­gen Fertigteil einbetonierten Ankerschienen mittels Hammerkopfschrauben montiert sind. Ein durchgehender Handlauf ist nicht vorhanden. Bild 1 gibt einen Überblick über das Geländer eines Balkons. Bild 2 zeigt eine Skizze der plangemäßen Situation.

Jedes Geländerelement besteht aus einem Rahmen aus Stahlwinkeln (L-Profile) und einer Füllung aus Streckmetall. Der obere sowie die seitlichen Stahlwinkel haben jeweils die Abmessungen 50/50 mm. Der bodenseitige Winkel hat die Abmessungen 100/50 mm und ist mit dem längeren Schenkel auf der Aufkantung montiert. Die Blechdicke der L-Profile beträgt durchgehend 6 mm. Im boden­seiti­gen Schenkel befinden sich im Bereich der Langlöcher für die Hammerkopfschrauben jeweils Gewindebohrungen, in die Justierschrauben eingedreht sind (Bild 3).

Die Obergurte der Geländerelemente ­weisen horizontale Versätze auf, die stichpunkt­artig gemessen wurden. Der maximale Versatz zwischen zwei Geländerelementen beträgt 18 mm. Vielfach bilden die Obergurte keine durch­gehende Linie; das heißt, sie sind nicht fluchtgerecht ausgerichtet.

Die bodenseitigen Schenkel liegen aufgrund der Justierschrauben oft nicht auf dem Beton der Balkonaufkantung auf. Die Justierschrauben sind unterschiedlich tief eingedreht bzw. stehen unterschiedlich zur Aufkantung hervor. Abhängig von der Stellung der Schrauben ist eine bis zu etwa 6 mm breite Spalte zur Aufkantung des Balkonfertigteils vorhanden (Bild 4). Bei mehreren Elementen überdeckt der untere Schenkel des Geländers die Ankerschiene nicht vollständig, so dass diese seitlich des Geländers offen liegt (Bild 5). In diesen Schienen befand sich Wasser.

Mehrere Geländerelemente wurden im Rahmen des Ortstermins demontiert. Dabei wurde festgestellt, dass zwischen Betonaufkantung und unterem Schenkel jeweils ein Dichtband eingelegt ist (Bild 6).

Hinsichtlich der Justierschrauben wurde festgestellt, dass diese unterschiedliche Durchmesser besitzen. Mehrere Justierschrauben weisen eine nahezu punktförmige Aufstandsfläche auf; die Bilder 7 und 8 zeigen unterschiedliche Justierschrauben. Im Bereich der Gewindebohrungen sind vielfach Korrosionsspuren vorhanden.

Hinsichtlich der Verformbarkeit der Geländerelemente wurden Messungen durch­ge­führt. Dazu wurde auf das geprüfte Element jeweils in der Mitte des Obergurtes eine zum Gebäude gerichtete, horizontale Zugkraft aufgebracht und es wurde die Verformung gemessen. Hierbei wurden drei Laststufen (0,1 kN, 0,2 kN und 0,3 kN) untersucht. Auf eine Belastung des Obergurtes mit einer vom Gebäude weg gerichteten Horizontallast wurde aus Sicherheitsgründen verzichtet. Die Auf­bringung einer höheren Last als 0,3kN (z.B. 0,5 kN/m gemäß [1]) war nicht praktikabel.

Zur Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher Randbedingungen erfolgten mehrere Prüfungen wie folgt:

Ist-Zustand

Der Ist-Zustand stellt den unveränderten vorgefundenen Zustand dar.

Einfluss des Anzugsmoments

Die Muttern der Hammerkopfschrauben werden mit dem gemäß der bauaufsichtlichen Zulassung erforderlichen Drehmoment angezogen. Es wurde vor Ort mittels eines Drehmomentenschlüssels festgestellt, dass mehrere Muttern bis zu einer halben Drehung nachgezogen werden mussten.

Einfluss der Justierschrauben

Die Muttern werden gelockert und die Justier­schrauben ganz eingedreht bzw. entfernt. Da­raufhin wird das Geländerelement wieder mit dem vorgegebenen Anzugsmoment befestigt.

Einfluss des Dichtbands

Die Justierschrauben werden ganz eingedreht bzw. entfernt und das Dichtband wird entfernt. Daraufhin wird das Geländerelement wieder mit dem vorgegebenen Anzugsmoment befestigt.

Einfluss eines durchgehenden Handlaufs

Drei benachbarte Geländerelemente werden mit einem gemeinsamen Handlauf ausgestat­tet; hierzu wurde ein U-Profil verwendet, welches über die Obergurte gelegt wurde. Der Handlauf verhindert Verformungsdifferenzen zwischen benachbarten Elementen bzw. bewirkt deren gleichartige Verformung.

Die maximalen Verformungen des Obergurtes bei einer Last von 0,3 kN wurden mit bis zu etwa 20 mm im Ist-Zustand gemessen. Nach Einstellung des gemäß der bauaufsichtlichen Zulassung erforderlichen Anzugsmoments ergaben sich bei gleicher Last Verformungen von etwa 4 mm bis 6 mm. Ähnliche Werte wurden im Zuge der Prüfung des Einflusses der Justierschrauben und des Dichtbands gemessen. Die geringsten Ver­formun- gen ergaben sich bei der Ausstattung mit einem durchgehenden Handlauf; es wurden in diesem Fall Durchbiegungen um ca. 2 mm gemessen. In allen Fällen war die Verformung reversibel. Nach dem Entfernen der Justierschrauben wurden – im unbelasteten Zustand – die Versätze zwischen den Obergurten benachbarter Geländerelemente gemessen. ­Diese betrugen dann bis zu 25 mm.

 

Bewertung

Die Geländerkonstruktion weist zwei technische Mängel auf: Einerseits stellen die Versätze zwischen den Obergurten der Geländer­elemente eine optische Beeinträchtigung dar. Andererseits sind die Geländer mangelhaft befestigt, was sich in den großen Verformun­gen unter Horizontallast äußert.

Die nicht fluchtgerechte Ausrichtung ist letztlich auf eine unzureichende Justierung zurückzuführen. Allerdings waren die vorhandenen Justierschrauben plangemäß nicht vorgesehen; sie wurden im Rahmen der Montage der Geländer von der ausführenden Firma abweichend zur Planung eingebaut. Es liegt hinsichtlich der Ausrichtung somit ein Planungs­mangel und ein Mangel der von der Planung abweichenden Ausführung vor.

Die Planung sieht keine Möglichkeit zum Toleranzausgleich vor. Dies ist aber angesichts der zulässigen Rohbautoleranzen [2] zwingend erforderlich. Da die Be­festigung planmäßig über Pressung auf der Unterkonstruktion erfolgte, kann ohne Toleranzausgleich aufgrund unvermeidbarer Unebenheiten eine lotrechte Ausrichtung der Gelän-

der nicht gewährleistet werden.

Die gerügten und vergleichsweise großen Verformungen der Geländer unter Horizontal­last sind überwiegend auf die mangelhafte Ausführung zurückzuführen. Die Messungen haben ergeben, dass nach dem Anziehen der Muttern mit dem erforderlichen Drehmoment sich signifikant geringere Verformungen einstellen. Die nicht plangemäßen Justierschrau­ben sowie das Dichtband haben praktisch keinen Einfluss auf die Verformungen.

Hinsichtlich der Verformungsmessungen sei darauf hingewiesen, dass keine techni­schen Anforderungen an die Durchbiegung gestellt werden. Diese Messun­gen dienten insofern einer Quantifizierung der Mangelrüge, es sei­en „zu große Durchbiegungen“ vorhanden. In [3] werden Anforderungen an die Durchbiegung von Geländern unter Prüflast gestellt; diese Norm gilt jedoch für ortsfeste Zugänge zu maschinellen Anlagen. Die dortigen Anforderungen sind nicht ohne Weite­res auf den Wohnungs­bau übertragbar. Es lehnen sich jedoch die vor Ort durchgeführten Messungen an die Prüfung gemäß [3] an. In [3] wird unter einer Einzellast (300 N/m multipliziert mit der Länge des Geländerelements) eine maximale Durchbiegung von 30 mm erlaubt. Die Mangelrüge zu großer Durchbiegungen, die vor Ort getroffenen Feststellungen sowie Erfahrungswerte weisen darauf hin, dass ver­gleichbare Durchbiegungen ein Unsicherheitsgefühl bei den ­Nutzern hervorrufen. Insofern sind solche Durchbiegungen (d. h. im Zentimeterbereich) im Wohnungsbau nicht akzeptabel. Zum Vergleich: Die rechnerische Durchbiegung eines hier vorliegenden Geländerelements bei starrer Einspannung unter einer Horizontallast von 0,3 kN beträgt etwa 2 mm. Es sind somit geringere Verformungen realisierbar.

Die nicht plangemäßen Justierschrauben verändern die Art des Lastabtrags. Die planerisch über Kontakt zwischen Untergurt des Geländers und Beton zu übertragen­de Kraft wird nun über die Justierschrauben punktförmig in den Beton eingeleitet. Die Aufstandsfläche der Justierschrauben ist teils sehr klein (vgl. Bild 8), wodurch eine hohe Spannung hervorgerufen wird, die rechnerisch für den Beton nicht nachweisbar ist. Daher ist der Last­abtrag über die Justierschrauben nicht zulässig. Darüber hinaus wurde im Bereich der Bohrungen für die Justier­schrau­ben Korrosion festgestellt, was sich ne­gativ auf die Dauerhaftigkeit der Konstruktion auswirkt.

Die Dichtbänder sollten einen Wassereintritt in die Ankerschienen verhindern. Dies ist jedoch baupraktisch kaum umsetzbar. Wasser kann in diesem Fall über die seitlich der Geländerelemente partiell offenliegenden Anker­schienen eindringen (Bild 5). Zudem kann
ein Wassereintritt z. B. über die Langlöcher für die Hammerkopfschrauben im Untergurt nicht vermieden werden. Dies ist zunächst unschädlich, da Ankerschienen und Befestigungsmittel aus Edelstahl ausgeführt sind. ­Jedoch begünstigt das in den Schienen befindliche Wasser eine Korrosion des Un­ter-gur­tes besonders im Bereich der Bohrungen. Die vorgefundene Korrosion bestätigt dies.

Zu den Dichtbändern sei ergänzend angemerkt, dass sie hinsichtlich des Lastabtrags ebenfalls kritisch zu sehen sind. Der Abtrag der Horizontallast auf den Obergurt des Geländers erfolgt über ein Kräftepaar aus Zug und Druck in das Stahlbeton-Fertigteil. Für die Zugkraft erfolgt eine Bemessung der Ankerschiene nebst Befestigungsmitteln. Die Druckkraft wird über den Kontakt zwischen Untergurt und Beton über­tragen. Dazwischen befindet sich planmäßig das Dichtband (vgl. Bild 2), über dessen Elastizitätseigenschaften keine Erkenntnisse vorliegen. Unter anderem aus diesem Grund wurden die Verformungsmessungen vorgenommen, wobei auch der Einfluss des (abweichend von der Planung schmaleren) Dichtbands untersucht wurde.

Als Quintessenz liegt somit einerseits ein Planungsfehler hinsichtlich des fehlenden Toleranzausgleichs vor. Die plangemäße Vorgabe eines Dichtbands zwischen dem Untergurt des Geländers und dem Stahlbeton des Balkons ist als kritisch anzusehen. Andererseits liegen Ausführungsfehler in Form der nicht ausreichenden Befestigung der Geländer sowie aufgrund der von der Planung abweichen­den und nicht zulässigen Ausrichtung mittels Justierschrauben vor. Das vorliegende Beispiel verdeutlicht die Erfordernis, bei der Schnittstelle zweier unterschiedlicher Konstruktionen einen ausreichenden Toleranzausgleich vorzusehen. Zudem zeigt der Fall auf, dass Änderungen der Ausführung gegenüber der Planung stets mit den verantwortlichen Planungsbeteiligten abgestimmt werden müssen.

 

Instandsetzung

Die vorliegende Geländerkonstruktion erfordert eine Nacharbeit hinsichtlich der Befestigung und der Ausrichtung. Es ist erforderlich, eine Möglichkeit zum Toleranzausgleich zu schaffen, wobei die unzulässige Lastübertragung über die Justierschrauben in den Beton vermieden werden muss.

Sofern auf die Justierschrauben verzichtet wird, kann kein Toleranzausgleich vorgenommen werden. Eine derartige Nacharbeit hätte zwar zum Ergebnis, dass die hier gerügte Ver­formbarkeit aus technischer Sicht nicht mehr zu beanstanden wäre; hinsichtlich der ebenfalls gerügten Ausrichtung der Elemente läge jedoch immer noch – voraus­sichtlich verstärkt – eine optische Beeinträchtigung vor. Diese Variante scheidet damit aus.

Eine unter Berücksichtigung des Aufwands aus technischer Sicht hinnehmbare Instandsetzungsmöglichkeit besteht darin, den Toleranzausgleich weiterhin über die vorhandenen Justierschrauben vorzunehmen. Die Last­übertragung in den Beton könnte mittels Verdämmen und Verpressen der Zwischenräume erfolgen. Dies müsste mit einem geeigneten schwindfreien Material (z.B. Epoxidharz) im Bereich der Verschraubungen erfolgen. Diese Maßnahme stellt eine Lösungsmöglichkeit sowohl hinsichtlich der Befestigung als auch der Ausrichtung der Geländerelemente dar. Nachteilig ist der Umstand, dass dann eine Revisionierbarkeit der Verschraubungen nicht mehr bzw. nur erschwert gegeben ist. Da die Hammerkopfschrauben aus Edelstahl bestehen und damit nicht korrodieren können, kann dies jedoch unter Berücksichtigung einer Minimierung des wirtschaftlichen Aufwands der Sanierung als tolerierbar angesehen werden.

Soweit auf eine Revisionierbarkeit der Verbindungen nicht verzichtet werden soll, kommt letztlich nur eine komplett modifizierte Kon­struktion in Frage. Es ist dann empfehlenswert, die Geländer an den Stirnseiten der Balkonplatten zu befestigen, wozu die Geländer umgerüstet werden müssen. Zur Befestigung sind geeignete Dübel bzw. Befestigungs­mittel zu wählen, wobei insbesondere die einzuhaltenden Randabstände zu beachten sind. Vorab wären zudem die baurechtlich erforderlichen Abstandsflächen zu prüfen.

Unabhängig von der gewählten Instandsetzung ist es empfehlenswert, die Geländerelemente zusätzlich mit einem durchgehenden Handlauf zu versehen. Dadurch wird nicht nur die fluchtgerechte Ausrichtung unterstützt, sondern auch die Verformung unter Horizontallast deutlich minimiert. Bei der Ausführung ist der erforderliche Dehnausgleich zu berücksichtigen.




Literatur
[1] DIN 1055-3: „Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 3: Eigen- und Nutzlasten für Hochbauten“, Ausgabe 03/2006 (Anmerkung: diese Norm ist zwischenzeitlich ersetzt durch DIN EN 1991-1-1, Ausgabe 12/2010)
[2] DIN 18202: „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“, Ausgabe 10/2005
[3] DIN EN ISO 14122-3: „Ortsfeste Zugänge zu maschinellen Anlagen – Teil 3: Treppen, Treppenleitern und Geländer“, Ausgabe 01/2002
x

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