Schlecht gelaufen − Unplanmäßige Balkon-
entwässerung infolge Durchbiegung
Unplanmäßige Balkonentwässerung infolge Durchbiegung
Zusammenfassung
Aufgrund der Durchbiegung von Balkonplatten aus Stahlbeton war die planmäßige Entwässerung über Rinnen in den Platten funktionslos. Stattdessen lief das Wasser unkontrolliert über die Außenkante der Balkone ab, wodurch es zu Beeinträchtigungen Dritter kam. Im Zuge der Planung war die zu erwartende Durchbiegung der Balkonplatten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Hinsichtlich der Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit des Stahlbetons war dies ohne Relevanz. Die Gebrauchstauglichkeit unterlag jedoch hinsichtlich der Entwässerung Einschränkungen, was einen technischen Mangel darstellt.
Sachverhalt
Bei einem Bestandsgebäude wurden nachträglich Balkone errichtet. Noch innerhalb der Gewährleistungsfrist rügten die Eigentümer deutlich sichtbare Verformungen der Balkonplatten. In dieser Hinsicht wurde insbesondere bemängelt, dass infolge der Durchbiegung eine unplanmäßige Entwässerung der Balkonplatten über deren Stirnseite stattfand.
Feststellungen
Die Balkone waren als eigenständige, mehrgeschossige Konstruktionen aus vier Stahlstützen errichtet. Bei den Balkonplatten handelte es sich um Stahlbeton-Fertigteile. Diese lagerten punktförmig an den Ecken. Einige Balkone kragten an einer Schmalseite über die Lager hinaus (Bild 1). Die Stützweite der Balkonplatten betrug jeweils 5,80 m und die Plattenbreite 1,75 m. Die Plattendicke lag zur Fassade hin bei 21 cm und zur Außenkante hin bei 19 cm. Aufgrund der variablen Dicke ergab sich ein planmäßiges Gefälle der Plattenoberseite quer zur Stützweite in Richtung der Außenkante. Alle Balkone waren zur Entwässerung an Fallrohre angeschlossen. Die Balkone im obersten Geschoss waren nicht überdacht. Die Oberfläche der Balkonplatten war jeweils mit einem „Besenstrich“ versehen.
Es wurden mehrere Balkone exemplarisch untersucht. Dabei wurde eine Auswahl derart getroffen, dass die untersuchten Balkone unterschiedliche Ausrichtungen sowie verschiedene Geschosse abdeckten. Die untersuchte Stichprobe kann somit als weitgehend repräsentativ für alle Balkone angesehen werden. Die getroffenen Feststellungen waren weitgehend identisch. Im Folgenden werden daher die symptomatischen Feststellungen zusammengefasst.
Bereits vom Gelände aus war bei vielen Balkonen eine deutlich sichtbare Durchbiegung der Balkonplatte feststellbar (Bild 2). Messun-gen der Durchbiegung mittels Schnur und
Meterstab ergaben an der Außenkante der Balkonplatten in Feldmitte maximale Stichmaße von bis zu 32 mm. Bei der zur Fassade gerichteten Kante der Balkonplatten waren vergleichbare Durchbiegungen vorhanden. Zwischen Balkonplatte und Fassade war dort jeweils ein schmaler Spalt vorhanden (Bild 3).
Parallel zur Außenkante befand sich in Längsrichtung jeweils eine Ablaufrinne in der Balkonplatte (Bild 4). Diese war jeweils nahe dem Auflagerpunkt an ein Fallrohr angeschlossen. Die Führung der Fallrohre erfolgte im Bereich der Stahlstützen (vgl. Bild 1 und 2). Die Funktionsfähigkeit der Ablaufrinnen wurde überprüft, indem Wasser mit einem Impuls gegen das vorhandene Gefälle auf den Balkonen ausgeschüttet wurde. Das Wasser sammelte sich jeweils zügig etwa in der Mitte des Balkons und floss dort über die Außenkante nach vorne ab (Bild 5). Nur bei einem der untersuchten Balkone gelangte ein geringer Teil des Wassers zu dem planmäßigen Ablauf. Mehrere Balkonplatten wiesen etwa in Feldmitte bei der Außenkante – dort, wo das abfließende Wasser überströmte – Verfärbungen durch Algenbildung auf.
Bei dem Balkon mit der maximalen gemessenen Durchbiegung von 32 mm hatte der Eigentümer bereits eine Nacharbeit vorgenommen, indem er etwa in Feldmitte von der vorhandenen Ablaufrinne der Balkonplatte eine Stichrinne hatte anlegen lassen. Diese entwässerte in eine an der Stirnseite der Balkonaußenkante montierte zusätzliche Rinne (Bild 6). Die Tiefe der originären Ablaufrinne betrug hier etwas weniger als 1 cm (Bild 7).
Zur Prüfung der Entwässerung wurde auch bei diesem Balkon Wasser entgegen der Ge-fällerichtung auf dem Balkon ausgeschüttet.
Es floss zügig zu der in der Balkonplatte vorhandenen originären Ablaufrinne, überströmte diese partiell und floss dann sowohl über die nachträglich angelegte Stichrinne wie auch über die Außenkante des Balkons ab (Bild 8 und 9). Zu dem Ablauf der in der Balkonplatte vorhandenen originären Rinne gelangte im Rahmen der Untersuchung kein Wasser (Bild 10).
Bei der Unterseite wiesen die Balkonplatten vielfach Risse auf. Diese verliefen etwa in Feldmitte quer zur Spannrichtung. Die Risse wiesen überwiegend Breiten von 0,15 mm bis maximal 0,20 mm auf.
Bewertung
Die hinsichtlich der Entwässerung getroffenen Feststellungen können symptomatisch wie folgt zusammengefasst und bewertet werden:
Die Balkonplatten weisen ein planmäßiges Gefälle in Querrichtung auf. Dadurch wird anfallendes Niederschlagswasser zügig von der Fassade weg in Richtung der Außenkante der Balkonplatte geleitet.
Die Balkonplatten biegen sich in unterschiedlichem Maß in Längsrichtung durch bzw. besitzen ein unplanmäßiges Längsgefälle, wobei die maximale Durchbiegung etwa in Feldmitte liegt. Hierdurch wird anfallendes Wasser überwiegend dem in Längsrichtung gesehen mittleren Bereich des Balkons zugeführt. Das heißt, dass das im überwiegenden Bereich der Balkonplatten anfallende Niederschlagswasser letztlich aufgrund der Gefällesituation dem mittleren Bereich der Außenkante zuströmt.
Die Balkonplatten weisen parallel zur Außenkante eine Ablaufrinne auf, die an die Entwässerung angeschlossen ist. Diese Ablaufrinne ist aufgrund der Durchbiegung der Balkonplatten in Längsrichtung weitgehend wirkungslos. Bedingt durch das planmäßige Gefälle in Querrichtung strömt das Wasser Richtung Außenkante und bedingt durch das unplanmäßige Gefälle bzw. die Durchbiegung in Längsrichtung strömt das Wasser dem in Längsrichtung gesehen mittleren Bereich des Balkons zu. Das Wasser gelangt dadurch weitgehend nicht zu dem vorgesehenen Ablauf der Rinne. Stattdessen fließt es im Regelfall über die Außenkante der Balkonplatte ab.
Die bei einem Balkon bereits durchgeführte Instandsetzung mit einer Stichrinne und einer zusätzlichen Regenrinne verhindert nicht, dass das auf dem Balkon anfallende Wasser dennoch teilweise über die Außenkante der Balkonplatte abfließt.
In der DIN 1986-100 [1] wird gefordert: „Balkone und Loggien sollten einen Ablauf oder eine vorgehängte Rinne erhalten. [...] Wenn Dritte nicht beeinträchtigt werden, darf das Niederschlagswasser auch direkt über Wasserspeier oder Tropfleisten auf das Grundstück abgeleitet werden.“ Demnach ist im Regelfall eine gezielte Abführung des auf den Balkonen anfallenden Wassers erforderlich. Neben Niederschlagswasser kann sonst z. B. auch insbesondere überschüssiges Gießwasser von Balkonpflanzen unkontrolliert abfließen bzw. abtropfen und Nachbarn oder weitere Personen beeinträchtigen. Allenfalls bei den Balkonen im Hochparterre ist es vertretbar, das Wasser gezielt über die Außenkante abzuleiten, wenn sich darunter Grünflächen befinden. Insoweit weisen die Balkone einen technischen Mangel hinsichtlich der Entwässerung auf.
Für die Balkonplatten lagen die statische Berechnung sowie der Bericht des Prüfingenieurs vor. Eine Plausibilitätsprüfung ergab keine Hinweise auf Einschränkungen hinsichtlich der Tragfähigkeit. Bezüglich der Dauerhaftigkeit liegen die festgestellten Rissbreiten unterhalb des im Eurocode 2 [2], [3] festgelegten Maximalwertes von 0,3 mm. Die vorhandenen Durchbiegungen haben insofern keinen Einfluss auf die Tragfähigkeit oder die Dauerhaftigkeit der Balkonplatten.
Hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit war in der statischen Berechnung eine Ermittlung der elastischen Verformung erfolgt. Nichtlineare Einflüsse aus Rissbildungen, Kriechen und Schwinden des Betons waren nicht berücksichtigt worden. Die sich im – gerissenen – Zustand II ergebende Verformung ist aber deutlich größer als die elastische Verformung im – ungerissenen – Zustand I des Stahlbetons.
Bezüglich der Begrenzung der Verformungen kann vor Durchführung entsprechender nichtlinearer Berechnungen eine einfache Abschätzung anhand des Kriteriums der Biegeschlankheit erfolgen [2], [3]. Unter Ansatz der Stützweite sowie eines Parameters für das statische System erhält man so einen Anhaltswert für die erforderliche statische Höhe der Balkonplatte, also den Abstand von der Bewehrungsachse zur Oberkante der Platte. Unter Berücksichtigung der erforderlichen Betondeckung ergibt sich damit hier eine erforderliche Plattendicke, die größer ist als die vorhandene Plattendicke. Dies stellt für sich genommen aber keinen technischen Mangel dar.
Zur Begrenzung der Verformungen ist im Eurocode 2 [2] ausgeführt: „Das Erscheinungsbild und die Gebrauchstauglichkeit eines Tragwerks können beeinträchtigt werden, wenn der berechnete Durchhang eines Balkens, einer Platte oder eines Kragbalkens unter quasi-ständiger Einwirkungskombination 1/250 der Stützweite überschreitet.“ Für die Balkonplatten ergäbe sich bei einer Durchbiegung von 1/250 der Stützweite von 5,8 m eine Verformung in Feldmitte von 2,3 cm. Diese Verformung wurde von einigen untersuchten Balkonen überschritten. Das Problem der Entwässerung bestünde jedoch auch bei Einhaltung einer Verformung von 2,3 cm. Die Ablaufrinnen wiesen eine geringere Tiefe auf (vgl. Bild 7). Insofern wäre auch bei Einhaltung der Verformungsbegrenzung gemäß
Eurocode 2 [2] anfallendes Wasser über die Außenkante der Balkonplatte abgeflossen. Die planmäßige Entwässerung ist somit letztlich untauglich bzw. technisch mangelhaft.
Instandsetzung
Der Tiefpunkt der Balkone befindet sich aufgrund der planmäßigen Gefällegebung in Querrichtung sowie der Durchbiegung in Längsrichtung jeweils etwa in der Mitte der Langseite bei der Außenkante. Dort muss demnach die Entwässerung ansetzen.
Die vorhandenen Ablaufrinnen der Balkonplatten sind nicht nur weitgehend funktionslos; sie können auch im Rahmen einer Instandsetzung nicht ohne weiteres entsprechend nachgearbeitet werden. Bei Ansatz einer Mindesttiefe der Rinnen von 1,0 cm bis 1,5 cm zur Vermeidung überschießenden Wassers, einem minimalen Gefälle der Rinnen zum Ablauf von 0,5 % und einer maximalen Durchbiegung der Balkone von rund 3 cm müssten die Rinnen beim Ablauf eine Tiefe von rechnerisch rund 6 cm aufweisen. Der Abfluss des Wassers muss demnach zunächst im mittleren Bereich der Langseite erfolgen. Somit kommt letztlich eine Instandsetzung mit zusätzlichen Außenrinnen in Frage.
Es ist zweckmäßig, an der Unterseite der Balkonplatten bei der Außenkante der Langseite Tropfbleche sowie eine zusätzliche Rinne zu montieren. Die Tropfbleche müssen aufgrund der unterschiedlichen Durchbiegungen individuell hergestellt werden; alternativ – optisch aber noch auffälliger – können ausreichend hohe Rinnen verwendet werden, in die die Tropfbleche eingreifen. Auch bei der Montage der Rinnenhalter muss die Durchbiegung der Balkone beachtet werden, um ein durchgehendes Gefälle der Rinnen
zu gewährleisten. Die Rinnen können an die bestehenden Fallrohre angeschlossen werden.
Infolge des über die Außenkante abfließenden Wassers werden sich im Laufe der Zeit Verfärbungen durch Algenbildung einstellen. Dies wurde vor Ort bei einigen Balkonen bereits vorgefunden. In diesem Zusammenhang wäre die Montage stirnseitiger Bleche zweckmäßig. Aufgrund der Verformungen ist dies jedoch hier handwerklich aufwendig.
Literatur
[1] DIN 1986-100:2016-12: „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“
[2] DIN EN 1992-1-1:2011-01: „Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbe- tontragwerken – Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau“
[3] DIN EN 1992-1-1/NA:2013-04: „Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 2:
Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken – Allgemeine Bemes-
sungsregeln und Regeln für den Hochbau“
[4] DIN 18531-1:2017-07: „Abdichtung von Dächern sowie von Balkonen, Loggien und Laubengängen – Nicht genutzte und genutzte Dächer – Anforde-
rungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze“
[5] DIN 18531-5:2017-07: „Abdichtung von Dächern sowie von Balkonen, Loggien und Laubengängen – Balkone, Loggien und Laubengänge“
Lastabtragende Bauteile verformen sich. Dies muss bei der Planung der Entwässerung im Allgemeinen und der Lage von Abläufen im Besonderen berücksichtigt werden. Zur Ableitung anfallenden Wassers sollte idealerweise ein zweidimensionales Gefälle, mindestens jedoch ein ausreichendes eindimensionales Gefälle vorgesehen werden.
Abläufe sind an den Tiefpunkten vorzusehen; das ist eigentlich trivial. Insbesondere bei einem eindimensional geplanten Gefälle – wie im geschilderten Schadensfall – findet sich aber häufig eine planmäßig gefällelose Rinne mit punktförmigen Abläufen. Durchbiegungen tragender Bauteile oder schlicht zulässige Toleranzen führen dann oft zu Einschränkungen der Entwässerung. In der neuen Abdichtungsnorm DIN 18531 [4], [5] wird daher darauf hingewiesen, dass „bei der Planung die zu erwartenden Durchbiegungen der tragenden Konstruktion zu berücksichtigen“ sind.
Beton besitzt eine hohe Druckfestigkeit und nur eine vergleichsweise geringe Zugfestigkeit. Die Zugkräfte in biegebeanspruchten Bauteilen werden von der Stahlbewehrung abgetragen. Bei Überschreitung einer gewissen Beanspruchung werden sich daher – zulässigerweise – Risse im Beton der Zugzone des Stahlbetonbauteils bilden; das Bauteil geht dann bereichsweise vom ungerissenen Zustand I in den gerissenen Zustand II über.
In eine Verformungsberechnung gehen neben der Last und der Stützweite das Flächenmoment zweiten Grades sowie der Elastizitätsmodul ein. Beim Übergang in den gerissenen Zustand II verringert sich das Flächenmoment zweiten Grades. Der Elastizitätsmodul von Beton ist zudem zeitabhängig und es treten die zeitabhängigen Kriech- und Schwindverformungen auf. Stahlbeton als Verbundbaustoff weist daher ein nichtlineares Verformungsverhalten auf. Die Durchbiegungen unter Berücksichtigung der nichtlinearen Verformungsanteile können ein Mehrfaches der rein elastischen Verformung betragen.