Sichtverengung

Carlo Scarpa sei ihm ein wichtiger Bezugspunkt in seiner Arbeit. Der Architekt Alexander Brenner bezieht das auf dessen Detailfreude, die er offensichtlich teilt. Dass der Italiener aber vor allem Geschichten weitergeschrieben hat mit seinem Handwerk, das spielt in dem hier vorliegenden Buch keine Rolle. Vergessen wir Scarpa in diesem Zusammenhang.

Ein „Inspirationsbuch für Architekten und anspruchsvolle Bauherren“, dieser Satz aus der Verlagswerbung macht nun neugierig darauf, was denn den anspruchsvollen Bauherrn ausmacht. Im vorliegenden Fall hilft diesem Anspruch ganz wesentlich eine Menge

Geld, denn die Villen von Alexander Brenner sind nicht nur kostspielig, sie sind der schiere Luxus. Der des Raumes (Flächen, Volumen), der der Oberflächen, der Ausblicke und der Aufgeräumtheit des Ganzen, das wie ein Wunder anmutet, schließlich sind Kinder auf den Fotografien zu sehen. Aber auch die Kinderzimmer?

Wir sehen die Hausherren seltener, als die Hausfrauen, die gerne mit einem Glas Wein (immer weiß) in der Hand gedankenverloren posieren. Auch – natürlich schicklich verdeckte – unter der Dusch oder in der Wanne. Wir sehen die Hausherren seltener, aber wenn, dann im Porsche, mit welchem sie in der blauen Stunde nach Hause eilen zu Frau und Kindern.

Die fünf Villen sind tatsächlich exzessiv durchfotografiert, allerdings so, dass sich kaum eine Eigenart herauskristallisieren will. Das Großzügige wirkt meist nur leer, die Kunst an den Wänden teuer aber dekorativ, die Weinregale stilvoll voll, die ausgewählten Details belanglos. Und wenn dann noch ein Schimmel auf einer Terrasse auftaucht fragt man sich wirklich, für wen dieses Buch gemacht; für anspruchsvolle Leser ganz sicher nicht. Bei den Architekten könnten Zweifel aufkommen. Für Bauherren dann wohl. Die sollten allerdings über Geschmack und – wie schon gesagt – das Nötige Kapital verfügen. Ansonsten wären sie zu klein, um in dieser Auswahl bestehen zu können. Be. K.

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