Skulptur im urbanen Niemandsland
Sportzentrum im Olympiaquartier, Almere/NL

Im niederländischen Almere haben Slangen+Koenis ­Architecten 2016 ein Sportzentrum geschaffen, in dem sie verschiedene Sporteinrichtungen − vom Schwimmbad bis zur Sporthalle − übereinander stapelten. Im Team mit dem Tragswerkplaner geschickt und effizient in ein tragwerkstechnisches Konzept umgesetzt, ist so ein skulpturaler Bau entstanden.

Lage

Das Stadtentwicklungs-Gebiet „Olympiaquartier“ in „Almere Poort“, also dem „Tor“ zur New-Town Almere im Osten von Amsterdam, ist Ort umfangreicher und großmaßstäblicher Planungsvisionen, bei denen eine funktionelle, typologische und soziale Durchmischung des Gebiets im Zentrum steht. Bis heute wurde von den zahlreichen Bauten nur ein Bruchteil realisiert, weshalb das 2007 fertig gestellte, sogenannte „Topsportzentrum“ und der neue Sportturm vom Slangen+Koenis Architecten etwas verloren in einer urbanen Brachlandschaft stehen. Die Idee der Stapelung verschiedener Funktionen in einem kompakten, fünfgeschossigen Turm wird erst verständlich, wenn man den städtebaulichen Masterplan betrachtet, nach dem das heutige Gebäude in Zukunft von fünf- bis siebenstöckigen (Wohn-)Gebäuden umgeben sein soll. Diese Planungen beeinflussten den Entwurf des Gebäudevolumens und der Fassaden maßgeblich.

Sportzentrum mit Schwimmbad und Sporthalle

Die Organisation des Schwimmbads basiert auf dem sogenannten „2521 Gewoon Zwemmen“-Konzept. „2521“ steht für ein zentral liegendes Sportschwimmbecken mit einer Länge von 25 m und einer Breite von 21 m, um das die anderen Schwimmbadeinrichtungen angeordnet sind. Das vom königlich niederländischen Schwimmbund (Koninklijke Nederlandse Zwembond - KNZB) 2009 zusammen mit Slangen+Koenis Architecten entwickelte Schwimmbadkonzept verfügt über acht Bahnen, die für Sportschwimmen, Schwimmkurse und Gesundheitsschwimmen genutzt werden. Deshalb besitzen diese Schwimmbäder, von denen die Architekten bereits mehrere Versionen geplant haben, auch keine Rutschen, Erlebnisbäder, Kleinkinderbecken, Wellenbecken oder Saunabereiche. Das Konzept wurde aus der Notwendigkeit heraus entwickelt, mehr und größere Schwimmbäder zu bauen, die letztlich von verschiedenen Vereinen genutzt und selbst verwaltet werden können.

Für das neue Sportzentrum in Almere wünschte die Gemeinde sich eine Lösung, bei der das Schwimmbad mit einer Mehrzwecksporthalle kombiniert werden sollte. Aus dieser Vorgabe und weil das Grundstück nicht so groß ist, entschieden sich die Architekten, die Funktionen übereinander zu stapeln. So haben sie die Nebenräume der Sporthalle, wie Umkleiden, einen Fechtsportraum und Büros für die Sportvereine, in einem konstruktiv notwendigen Zwischengeschoss über dem Schwimmbad und unter der Sporthalle platziert. Neben der konstruktiven Notwendigkeit (sein geschosshohes Stahltragwerk überspannt das darunter liegende Schwimmbecken) dient dieses Geschoss auch als klimatechnischer Puffer zwischen der warmen und von hoher Luftfeuchtigkeit gekennzeichneten Schwimmhalle und der kühleren Sporthalle.

Organisation und Konstruktion

Vereinfacht ausgedrückt besteht das nicht unterkellerte, rund 24 m hohe Gebäude aus einem Sockel (dem Erdgeschoss), auf den die verschiedenen Funktionen und Geschosse wie Boxen zu einer Skulptur übereinander gestapelt sind. Je nach Größe und Funktion kragen manche der Volumen aus bzw. variieren die Geschosshöhen. Der Eingang liegt an der Nordseite unter der 5,7 m weiten Auskragung des vierten und fünften Obergeschosses.

Das Erdgeschoss besteht hauptsächlich aus einer modularen Schwimmbeckenkonstruktion und den darum angeordneten Technikräumen für die Pumpen, Filter und Wasseraufbereitungsanlagen. Das Modulsystem für das Schwimmbecken stammt von einem italienischen Hersteller, der sehr erfahren ist in temporären Schwimmbadkonstruktionen, z.B. für olympische Spiele. Vorgefertigte Edelstahlwandelemente, die mit einer Hart-PVC-Schicht laminiert sind, stehen auf einer verstärkten Stahlbetonplatte. Das hat mehrere Vorteile: Zum einen kann auf den Bau eines Kellers, der teuer und zeitaufwendig wäre, verzichtet werden. Zum anderen sind alle technischen Einrichtungen mühelos ebenerdig erreichbar. Nicht zuletzt können diese Schwimmbadwände theoretisch wieder abgebaut und das Gebäude anders genutzt werden. Diese Flexibilität war eine Vorgabe vom Bauherrn.

Vom Eingang aus gelangt man an einem separat vermietbaren Mehrzweckraum vorbei zur Treppe, die sich um den Liftschacht wickelt und das gesamte Gebäude erschließt. Das Treppenhaus haben die Architekten als lichtdurchflutete vertikale Galerie entworfen: während großzügige Glastrennwände innen Einblicke in die einzelnen Sporteinrichtungen bieten, eröffnen großformatige Fenster weite Blicke auf die umliegende Landschaft. Im ersten, etwa 5,6 m nach Osten auskragenden Obergeschoss erfolgt der eigentliche Zugang zum Schwimmbad oder zur Bar. Der Rest dieses Geschosses wird von Stauräumen und einem großen Büroraum eingenommen. Die Schließfächer der Garderoben bilden eine halbhohe Trennung zwischen den Umkleiden und der Schwimmhalle. Im Zentrum des zweiten Obergeschosses liegen die Umkleideräume für die Sporthalle. Entlang der Außenwände haben die Planer flexibel unterteilbare Büros und weitere Sporträume angeordnet, die so vom Tageslicht profitieren. Das dritte Obergeschoss nimmt die ca. 7 m hohe, unterteilbare Sport­halle ein. Sie wird von einem fast 2 m hohen Stahlfachtragwerk mit einer Spannweite von 34 m überspannt. In die Sporthalle haben die Planer die Zuschauertribüne als Zwischengeschoss eingezogen, unter der noch verschiedene Geräteräume und Materiallager untergebracht sind. Das gesamte Stahltragwerk des Oberbaus wird von HED-Stützen getragen. Um auf Stützen im Hallenbad verzichten zu können, hat man darüber ein Fachtragwerk entwickelt, das genau der Höhe des zweiten Obergeschosses entspricht. In den Gängen ist es weiß gestrichen und als gestalterisches Element sichtbar gelassen. Die Auskragung über dem Haupteingang wurde mit HEB1000 Trägern realisiert.

Brandschutz und Fassaden

Neben dem Tragwerk stellte vor allem der Brandschutz eine große Herausforderung dar. Das gesamte Gebäude ist im Wesentlichen in drei Brandabschnitte unterteilt: Das Erdgeschoss mit der darüber liegenden Schwimmhalle; das zweite Obergeschoss mit den Umkleiden und den zusätzlichen Büros und Sporträumlichkeiten; die Sporthalle mit der Tribüne im obersten Geschoss. Diese drei großen Brandabschnitte hat man je nach Stockwerk und Bedarf in weitere kleinere Brandabschnitte unterteilt. In Abstimmung mit der Feuerwehr konnte der ursprünglich geforderte 120 Minuten Brandwiderstand für die Stahlkonstruktion der Schwimmhalle auf 60 Minuten Brandwiderstand reduziert werden, womit er dem Brandwiderstand aller anderen Bauteile und Räume entspricht. Mit den Auskragungen nach Norden und Osten sowie mit der Größe und der Position der Fenster reagieren die Architekten ganz konkret auf die geplante Bebauung. Auch die vertikalen Lamellen sollen ungewünschte Einblicke ins Gebäude und in die zukünftigen Nachbarbauten verhindern. Die auf den ersten Skizzen homogen und glatt erscheinende Fassade entwickelten die Architekten zu einer vielschichtigen Fassadenkollage aus Sandwichpaneelen, die jedes Stockwerk und damit die Stapelung betont. Die vertikale Schichtung der Geschosse wird nicht nur durch den Wechsel der Fassadenpaneele, sondern vor allem durch rundum laufende, bronzefarbene Kantleisten unterstrichen.

Fazit

Das „2521 Gewoon Zwemmen“-Konzept ist ein gutes Beispiel für die niederländische Planungskultur und deren ständige Suche nach pragmatischen Lösungen. Die Vielfalt der Schwimmbadprojekte von Slangen+
Koenis Architecten zeigt aber auch, dass ein allgemeingültiges Grundrissprinzip nicht automatisch zur gestalterischen Verarmung der Gebäudearchitektur beitragen muss und dass die vorrangige Aufgabe von Architekten und  Tragwerksplanern darin besteht, Grundprinzipien individuell an die lokalen Gegebenheiten und Anforderungen anzupassen. Michael Koller, Den Haag

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