Solide und persönlich bauen
Die Architekturbüros Böhm aus Köln

Mit großer Selbstverständlichkeit steht „Böhm“ für gutes Bauen. Bauen, das nicht auf Rendite und Spektakel schielt, sondern noch die Architektur als solche vor Augen hat. „Persönliche Architektur“ zu machen – das ist es, was den Namen Böhm ausmacht, unabhängig von der Größe des Projektes oder der Bauaufgabe.

Die Architekturbüros Böhm, Söhne des Pritzker-Preisträgers Gottfried Böhm, gehen schon lange eigenständige Wege. Eine Marke „Böhm“ gibt es nicht, dennoch wäre es nicht glaubhaft, den Einfluss der Architektendynastie einfach von der Hand zu weisen. Alle vier sind groß geworden mit der Familiengeschichte, haben zum Teil mit Gottfried Böhm in Bürogemeinschaften zusammengearbeitet und von seiner Erfahrung profitiert. Heute arbeiten sie unabhängig in eigenen Architekturbüros, jeder für sich, aber irgendwie auch alle zusammen.

Paul Böhm

Wenn Paul Böhm über das 2010 eröffnete Seminargebäude der Universität Köln spricht, dann auch von „Stadtraum reparieren und weiterbauen“. Dies macht er selbstbewusst, aber nicht überheblich. Das Gebäude findet viel Anklang. Bei der 9. Architekturbiennale Ende 2011 in São Paulo ist es als deutscher Beitrag ausgewählt worden.

Der Bau ist insgesamt streng, fast minimalistisch. Nur die Außentreppen haben etwas „Skulpturales“. Die Fenster schneiden mit tiefen Laibungen in den Baukörper, jedoch nicht langweilig aneinandergereiht, wie dies in der „08/15-Bürohaus-Architektur“ heute oft gängig ist. Sie beziehen sich vielmehr rhythmisch aufeinander. Inspiriert sind sie, so Paul Böhm, von den Renaissance-Baumeistern des 16. Jahrhunderts. Wer einmal am „Grote Markt“ in Antwerpen gestanden hat, wird das gut nachvollziehen können. Der Bau schafft einen neuen öffentlichen Raum. Im Erdgeschoss befindet sich die „Kommunikationszone“ mit Eingang und Cafeteria, darüber Seminarräume. Im Innern scheint es so, als werde der Beton in Kombination mit Holz ebenfalls zu einem „warmen“ Material.

Die Moschee, das Islamische Kulturzentrum in Köln, ist schon jetzt eines der interessantesten Bauwerke Kölns. Paul Böhm fasst das Beste der Böhm´schen Familientradition in einem Gebäude zusammen. Es biedert sich nicht dem Zeitgeist an und hat die „große Form“, die im Gedächtnis hängen bleibt. Die Moschee ist echte, erdenschwere Architektur, gleichzeitig aber auch leicht und zerbrechlich. Sie ist hell und sympathisch, großzügig und transparent.

In 2014 wird der Bau eröffnet und bis zu 1 200 Gläubigen Platz bieten. Die gesamte Anlage gruppiert sich um einen zur naheliegenden Hauptverkehrsstraße offenen Hof. Die beiden Hauptgeschossebenen werden über eine breite Treppe miteinander verbunden. Im Erdgeschoss befinden sich der Basar und der Zugang zum Vortragssaal. Auf der oberen Ebene sind die Zugänge zum Gebetsraum, der aus mehreren Wandscheiben gebildet wird, die im Zentrum eine Kuppel bilden. Begleitet wird die Kuppel durch zwei Minarette.

Im Gesamtwerk des Architekten ragt St. Theodor in Köln-Vingst besonders heraus, ein ruhiger Rundbau aus Beton aus dem Jahr 2001. Das städtebauliche Umfeld ist durch die Gesamtanlage neu sortiert und durch die Schaffung eines neuen Platzes erheblich aufgewertet. Im Innern herrscht eine fast kontemplative Stimmung, hervorgerufen durch schmale Deckenschlitze, die Tageslicht hinein lassen. Paul Böhm beschreibt den Charakter der Kirche selbst als „weltläufige, menschenfreundliche Frömmigkeit, die von außen einladend wirkt und neugierig macht, von innen jedoch Konzentration und Ruhe ausstrahlt.“ Über die neue Moschee hätte man Gleiches auch so sagen können.

Peter Böhm

Viele der Bauten von Peter Böhm haben ganze Stadtteile verändert, aufgewertet, repariert oder ihnen eine Richtung gegeben. So auch am neuen Stadthaus in Köln, das der rechten Rheinseite zusammen mit der Kölnarena eine neue Dynamik gegeben hat. So war es auch in der kleinen Stadt Hennef, in der das Quartier Chronos neue Akzente setzte und so ist es auch bei seinem neuen Projekt in München.

München hat viele schöne Plätze, mit dem großen freien Platz vor der Alten Pinakothek ist nun einer dazu gekommen. Der Planung für den Neubau der Hochschule für Fernsehen und Film und für das Museum Ägyptischer Kunst lag ein Wettbewerbserfolg aus dem Jahr 2004 zugrunde. Peter Böhm entschied sich dafür, den Platz mit einem großzügigen, ruhigen Baukörper im Süden zu schließen. Der 2011 fertiggestellte Bau nimmt in etwa die Proportionen der gegenüber liegenden Alten Pinakothek auf. Mit großem Respekt vor dem Werk Leo von Klenzes hat er den Platz im Sinne Klenzes weitergebaut. Neu entstanden ist ein harmonischer Stadtraum, in dem man sich wohlfühlen kann. Zwar sind die dem Bau innewohnenden Kontraste, mit der 150 m langen Sockelwand und dem hohen Glaskörper darüber, groß, die Proportionen sind jedoch stimmig und so ruht der Bau in sich selbst.

Der Eingang zum Museum ist eindrucksvoll. Der Besucher steigt zu einer mächtigen Portalwand hinab, in der sich als kleine Öffnung der Eingang befindet. Der Beton wirkt sehr lebendig. Die in einzelnen Tagesabschnitten vergossenen Schichten fließen wie bei einem abstrakten Aquarell ineinander über. Die Raumfolge des Museums ist abwechslungsreich, in unterschiedlichen Proportionen, mit Perspektivwechseln und feiner Lichtführung.

Peter Böhm steht für behutsame Stadtentwicklung. Beispielhaft hierfür steht das Quartier Chronos in Hennef, in der Nähe von Bonn. Lange Zeit lag der ehemalige Produktionsstandort der Chronos AG brach, bis Peter Böhm 2001 ein lebendiges Stadtquartier schuf, dass heute die Innenstadt mit dem Landschaftsschutzgebiet der Siegauen verbindet. Die Wegeführung des neuen Stadtquartiers und auch die Backsteinbauten selbst sind geschwungen angeordnet. Entstanden sind kleine Höfe, Begegnungs- und Rückzugsorte. Nicht nur die gartenstadtähnliche Gesamtanlage, auch vertraute Materialien, wie Ziegel und Holz, machen das Quartier lebenswert. Der neue Zugang zum Fluss wurde in kurzer Zeit angenommen. Die Laudatoren des Architekturpreises Nordrhein-Westfalen, mit dem das Stadtviertel 2004 ausgezeichnet wurde, sprechen von „der hohen Kunst der stadträumlichen Komposition“ und „einem Erlebnisraum besonderer Güte“

Zwei weitere Bauten stechen besonders hervor, die Kirche St. Pius X in Hohenstein, 1998 fertiggestellt, und die Köln Arena aus dem Jahr 1995. In der Bauaufgabe könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Beide zeigen jedoch die Meisterschaft Peter Böhms, sich nicht im
Detail zu verlieren, sondern die Form konsequent aus den Erfordernissen heraus zu entwickeln, ohne dabei den menschlichen Maßstab aus den Augen zu verlieren. 

Derzeit steht das Büro von Peter Böhm mit der Realisierung des Philosophikums am Domplatz in Münster vor einer weiteren, städtebaulich nicht einfachen Aufgabe. Die Fertigstellung ist für 2015 geplant.

Stephan Böhm

Was ihn antreibt? Er wolle Architektur machen, die einen „ergreift“, die Emotionen weckt, keine sachlich-kühle Gebrauchsarchitektur. Professor Stephan Böhm hat sein Handwerk bei Oswald Mathias Ungers, bei Joachim Schürmann und Rob Krier gelernt. An der Fachhochschule für Architektur in Münster gibt er heute sein Wissen weiter.

Der Entwurf für die 2005 fertiggestellte Zentrale der Kölner Berufsfeuerwehr entstand noch in der Bürogemeinschaft Böhm-Flohre-Mocanu-Architekten in Zusammenarbeit mit Federico Valda. Das Gebäude hat einen einfachen Grundaufbau: ein runder Baukörper für die Leitzentrale und ein langgestreckter Bau für die Feuerwehrschule und Büros. Der Rundbau mit umlaufenden, feuerroten Bändern aus rot eingefärbten Beton­fertigteilen sticht ins Auge. Das ausdrucksstarke Äußere lässt viele Assoziationen zu: Vogelnest, Gestrüpp oder schützende Burg? Andere denken an das Kölner Straßennetz oder an loderndes Feuer. Stephan Böhm ist noch immer etwas sauer, dass die Fassade so oft mit dem Nationalstadion in Peking von Herzog & de Meuron verglichen wurde. Dabei ist er sicher, dass der Entwurf für die Feuerwehr schon vor den Entwürfen in Peking fertig war. 

Das Biosphärenhaus in Fischbach, Rheinland-Pfalz, ist heute ein erfolgreichesNaturerlebniszentrum. Es wurde als ein Projekt der Weltausstellung Expo angelegt. Gebäudetechnik, die heute standardmäßig und selbstverständlich verwendet wird – große Sonnenkollektoren und Wärmespeicherung – hatten hier noch innovativen Charakter. Das Gebäude, 2001 eröffnet, steht auf einer Anhöhe und öffnet sich zum Tal hin. Im Erdgeschoss befindet sich ein großer Bürgersaal. Der Ausstellungsbereich darüber erschließt sich als Split-Level-System über vier Ebenen nach oben. Der Kontrast könnte kaum größer sein zwischen dem 6 m hohen massiven Sockel aus eingefärbtem rötlichen Beton und dem einfachen quadratischen Glaskubus. Dennoch fügen sie sich harmonisch zusammen.

Derzeit streckt Stephan Böhm „seine Fühler“ nach China aus und plant ein Krankenhaus in Nanning. Bei den Möglichkeiten und künstlerischen Freiheiten, die sich Architekten in China bieten, gerät er fast ins Schwärmen. Oft hätten die chinesischen Bauherren „mehr Mut als in Deutschland, auch unkonventionelle Entwürfe durchzusetzen.“

Markus Böhm

Markus Böhm hat als Einziger der vier Brüder nicht Architektur studiert, ist aber in seiner Arbeit der Architektur sehr verbunden. Er studierte Informatik und Geologie. Heute ist die Malerei an Gebäuden und die Gestaltung des Lebensraumes mit Malerei ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Sie ergänzt die Architektur, manchmal führt sie diese weiter oder setzt neue Akzente. Seine Arbeit stützt sich auf eine theoretische Auseinandersetzung zur Rolle und Einfluss von Architektur.

Der Gasometer am Hans-Otto-Theater in Potsdam, zugleich Zugang zu den Bühnenwerkstätten, ist großflächig mit roten Mustern und Ornamenten bemalt. Auf den ersten Blick erschließt sich nicht, was gemeint ist. Die Malerei erinnert an eine geöffnete Rosenblüte. Dargestellt ist aber ein Querschnitt durch die Feldlinien des Erdmagnetfeldes. Wer genau hinsieht, kann sogar einen Pfeil erkennen, der in Richtung Polarstern zeigt. Der ganze Baukörper ist die Leinwand. Der Rundbau wird nicht nur akzentuiert oder farbig betont, die Malerei von Markus Böhm legt sich selbstbewusst um den 2006 eröffneten Bau.

Bemalungen von Architektur hat Markus Böhm auch an Krankenhäusern, Kirchen und Kaufhäusern verwirklicht, oft in Zusammenarbeit mit Aufträgen des Architekturbüros Böhm. Aber auch die kleinformatigen Arbeiten zeugen von einer intensiven Auseinander­setzung mit der Geschichte des Ortes. So vereint der 2011 entstandene Entwurf für den Orgeltisch am Dom zu Speyer einen ganzen Kosmos in sich. Er weist auf den Einfluss der Planetenbewegungen auf den Menschen hin.

Aus Tradition modern

Die Geschichte der Architekturfamilie Böhm ist noch lange nicht zuende geschrieben: vom großen Kirchbaumeister Dominikus Böhm zum weltweit renommierten Stararchitekten Gottfried Böhm, geleitet von Ehefrau, Mutter und Architektin Elisabeth Böhm (2012 verstorben), hin zu vier Söhnen, welche die Tradition weiterführen. Man hört, dass sich vielleicht auch in der nächsten Generation ein „Böhm“ trauen wird, in die großen Fußstapfen zu treten – solide, persönlich und sicher sehr eigenständig. Dies wäre in der jüngeren Architekturgeschichte nicht nur bemerkenswert, sondern einmalig.

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