Standpunkt III
Nora Papenfuß und
Diego Caroli zum Thema „Arbeitsräume“

Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt. Ganze Berufssparten benötigen statt Platz nun Infrastruktur, und zwar nicht nur im räumlichen Sinne, sondern vor allem im digitalen. Kommunikation, Netzwerk und Flexibilität sind die Zauberworte. Doch trotz aller Unabhängigkeit und Individualität bleibt die Adresse als Ort der Identifikation, Präsentation und Interaktion wichtig. Nora Papenfuß und Diego Caroli entwickelten in ihrer Diplomarbeit einen parasitären Raum in Berlin, der traditionelle und neue Anforderungen von Arbeitsräumen in sich vereint.

Ihr Entwurf „ThinkLab“ generiert eine Mischung aus klassischem Büro und öffentlichem Raum. Erläutern Sie bitte kurz das Konzept.

Das ThinkLab nimmt den Anspruch auf Inszenierung, Vernetzung und Selbstvermarktung der selbständigen Kreativen auf und übersetzt diesen in einen neuen Arbeitsraum. Jeder Arbeitsplatz ist 24 Stunden am Tag zugänglich und an die digitale Infrastruktur mit WLAN, Drucker, Strom und Präsentationsräumen angeschlossen. Der Eingangsbereich fungiert als räumliches Gelenk, welches den introvertierten und extro­vertierten Bereich voneinander trennt. Letzterer öffnet sich in Form einer Bühne, die über dem Rosenthaler Platz schwebt und das Arbeiten im öffentlichen Raum professionalisiert. Auf den unterschiedlichen Plateaus der Bühne befinden sich zusammenschaltbare Einzelarbeitsplätze mit Betonung auf Vernetzung. Der introvertierte Bereich befindet sich im hinteren Teil und dient dem konzentrierten Arbeiten. Dieses wird durch sparsam eingesetzte Öffnungen und speziell konzipi­erte, frei im Raum bewegliche und nach Bedarf sichtgeschützte Arbeitsboxen unterstützt.


ThinkLab ist ein Parasit. Warum?

Die Biologie definiert Parasitismus als die Wechselwirkung von Organismen unterschiedlicher Art. Bei diesem Prozess lebt der Parasit in oder auf seinem Wirt und sichert damit sein Überleben. Das ThinkLab definiert sich als solcher, da es ähnliche Charakteristika verkörpert. Es durchdringt den Wirt als Fremdkörper und benutzt dessen funktionale Ressourcen wie Wasser, Energie, Tragwerk und Erschließung. Darüber hinaus befindet sich der funktionale Wirt an einem städtischen Knotenpunkt, welcher als emotionaler Wirt dem ThinkLab Atmosphäre, Identität und entsprechende Prägnanz liefert. Ziel des parasitären Eingriffes ist die Reaktivierung geschwächter Potentiale beider Wirte in Verbindung mit dem ThinkLab.


Inwiefern beeinflussen Umfeld und Atmosphäre die Arbeit?

Und im Rückschluss, kann Architektur die Effektivität steigern?

Es ist bestimmt zu einfach, zu behaupten, dass gute Architektur prinzipiell die Arbeit angenehmer macht oder die Effektivität steigert. Dafür sind die Auswirkungen zu wenig messbar und von vielen Faktoren abhängig. Wir sind überzeugt davon, dass man durch eine intelligente Planung von Raum Arbeitsprozesse erleichtert und bestimmte Arbeitsweisen wie z.B. teamorientiertes oder konzentriertes Arbeiten fördern kann. Aber nicht nur das Erleichtern und Unterstützen von Arbeitsprozessen, sondern auch das Schaffen einer angemessenen Umwelt geben dem Arbeitenden das Gefühl, ernst genommen zu werden. Dies wirkt sich auf die Motivation und dadurch auch auf die Effektivität aus. In einer Gesellschaft, die immer mehr Zeit mit Arbeiten verbringt und sich durch diese definiert, wird die Gestaltung der Arbeitswelt einen immer höheren Stellenwert einnehmen.


Neben der Digitalisierung und Globalisierung der Arbeitswelt gibt es auch einen deutlichen Gegentrend, der Umwelt, Natur und Heimat in den Vordergrund rückt. Was wird sich, Ihrer Meinung nach, in Zukunft durchsetzen?

Das sind Punkte, die sich eigentlich nicht mehr gegenüberstehen, sondern sich schon jetzt in unserem täglichen Leben immer stärker überschneiden und vermischen. Die Digitalisierung und das Internet eröffnete den Menschen unüberschaubar viele Möglichkeiten und Einflüsse, was zuerst eine starke Verunsicherung ausgelöst hat. Die Gegenreaktion auf diese Überforderung, also die Besinnung auf alte, bekannte Werte wie Heimat etc. ist höchstwahrscheinlich nur eine vorübergehende Phase, der dann die Phase der normalen alltäglichen Benutzung der neuen Technologie folgen wird. Wie in unserem Projekt. Die Möglichkeit, von zu Hause aus digital vernetzt zu arbeiten, ist zwar gegeben, aber natürlich ist es angenehmer, sich im wirklichen Leben gegenüberzusitzen und zu kommunizieren. Das wiederum hält den Benutzer unseres Angebotes nicht davon ab, mit Menschen über das Medium Internet in Kontakt zu sein.

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