Standpunkt III
Soara Bernard zum Thema „Energiekonzepte“

Nachhaltig, energiesparend und emissionsarm sollen Neubauten sein. Doch mindestens 50% aller Bauaufgaben beziehen sich heute auf das Bauen im Bestand. Was macht man mit Gebäuden, die zu einer Zeit entstanden sind, als die einzige Wohnform die vierköpfige Familie und das Ende der fossilen Brennstoffe noch außer Sicht war? Soara Bernard zeigt in ihrer Masterthesis anhand der Siedlung „Am Müggenberg“ in Arnsberg-Neheim, wie aus einer genossenschaftlichen 50er-Jahre-Siedlung ein Nullemissionsquartier werden kann.

Nachhaltig, energiesparend und emissionsarm sollen Neubauten sein. Doch mindestens 50 % aller Bauaufgaben beziehen sich heute auf das Bauen im Bestand. Was macht man mit Gebäuden, die zu einer Zeit entstanden sind, als die einzige Wohnform der Vier-Personen-Haushalt war und das Ende der fossilen Brennstoffe noch außer Sicht? Soara Bernard beweist in ihrer Masterthesis am Beispiel der Siedlung „Am Müggenberg“ in Arnsberg-Neheim, dass aus einer genossenschaftlichen 50er Jahre-Siedlung ein Nullemissionsquartier werden kann.

Das Energiekonzept mit dem Ziel einer jährlichen Nullemissionsbasis stützt sich auf einen geringen Gesamtenergiebedarf und eine Wärmeversorgung durch vorzugsweise regenerative Energieformen, denen eine gleichwertige Eigenenergieerzeugung gegenübergestellt wird. Welche Maßnahmen stehen dafür zur Verfügung?

Es sind drei Aspekte zu berücksichtigen: Das Energiekonzept vereint entwerferisch-bauliche, energiesenkende und versorgungstechnische Maßnahmen, um einen möglichst geringen und effektiven Einsatz von Energien zu ermöglichen.

Durch die Optimierung des städtebaulich-hochbaulichen Entwurfs und der Gebäudehülle kann hauptsächlich der Heizwärmebedarf minimiert werden. Des Weiteren trägt die Integration von Flächen zur aktiven Solarenergienutzung in die Gebäudehülle zur Eigenenergieerzeugung und zum Ausgleich der Emissionen bei. Den größten Teil des Primärenergiebedarfs und somit auch der ver­ursachten CO2-Emissionen nimmt nach einer solchen Optimierung der Bedarf an elektrischer Energie ein. Dies ist somit der Hauptbereich, der durch Gutschriften aus Eigenenergieerzeugung ausgeglichen werden muss. Für eine energieeffiziente Siedlung ist eine Stromeinsparung von rund 40 % schon durch den Einsatz von sparsamen Haushaltsgeräten, Beleuchtung und einer effizienten Haustechnik möglich. Darauf aufbauend wird als dritte Maßnahme ein Versorgungskonzept mit Einsatz von weitestgehend erneuerbaren Energien zur Bedarfsdeckung sowie aktiven Maßnahmen zur Eigenenergieerzeugung entwickelt.

Erst durch das Zusammenwirken dieser drei Maßnahmen wird eine effektive „Null“ in der Bilanz sowohl auf Basis der Primärenergie wie auch der CO2-Emissionen möglich. Eine rechnerische „Null“ in der Jahresbilanz ist theoretisch auch mit einem höheren Ausstoß an Emissionen umsetzbar, indem genügend Gutschriften durch eingespeisten Strom bereit gestellt werden. Jedoch ist dies in Hinblick auf das Verhältnis von Aufwand zu Nutzen sowie auf den Klimaschutz kritisch zu betrachten. Ebenso sollten Flächen zur Solarenergienutzung sinnvoll in die Gebäudehülle integriert werden und nicht zur Beeinträchtigung der architektonischen und städtebaulichen Qualität des Projekts führen.

Nach der Ermittlung des Endenergiebedarfs und der Bausubstanz schlagen Sie die geeigneten Mittel zur Eigenenergieerzeugung vor, um in der Jahresbilanz die Nullemission zu erreichen. Welche sind das konkret?

Die solare Stromerzeugung stellt heute die sinnvollste Lösung dar, um die zur Versorgung des Quartiers benötigte Primärenergie und die dabei verursachten Emissionen innerhalb des Projektgebiets wieder auszugleichen. Durch die Integration von Photovoltaik in die Gebäude tragen diese selbst zum Bilanzausgleich bei.

Gleichzeitig kann die solare Wärmeerzeugung über Kollektorfelder – bei niedrigem Heizwärmebedarf – rund 30 % des gesamten Jahreswärmebedarfs decken. Der primärenergetische Aufwand sowie die verursachten Emissionen können für diesen Bereich fast gleich Null gesetzt werden, was eine Verringerung der auszugleichenden Emissionen bedeutet. Mittels Eigenenergieerzeugung durch Nutzung von Kraftwärmekopplung in einem BHKW können ebenfalls Einspeisegutschriften erzielt werden. Der erzeugte Strom aus PV und KWK wird in das öffentliche Netz eingespeist, wobei sich die CO2-Gutschriften an der Höhe der aktuell verursachten Emissionen des heutigen Strom-Mixes orientieren.

Sie strukturieren die Siedlung neu, indem Sie den Bestand sanieren sowie um neue, vielfältig nutzbare Gebäude erweitern. Denken Sie, dass solche Maßnahmen geeignet sind, um leerstehende Quartiere wieder attraktiv für neue Bewohner zu machen?

Auf jeden Fall. Vor allem attraktive Wohn- und Lebensräumen bilden den identitätsstiftenden Charakter einer zukunftsfähigen Siedlung. Das Angebot differenzierter und zeitgemäßer Wohntypen und Haushaltsformen innerhalb eines Quartiers ermöglicht eine Grundlage für eine Quartiersidentität mit einer heterogenen Zusammensetzung der Bewohnerstruktur. Sie bietet Anreize für die Erschließung neuer Nut­zergruppen sowie die nachhaltige Bindung seiner Bewohner.

Die Aufwertung von Wohn- und öffentlichen Raum, genauso wie die Bereitstellung einer guten Versorgungs- und Infrastruktur, ist Voraussetzung für eine hohe Bewohnerdichte, die gleichzeitig durch gemeinschaftliche Nutzung der Energieversorgungssysteme eine höhere Energie­effizienz gewährleistet. Somit können durch ein ganzheitliches Konzept die energetisch notwendigen Maßnahmen mit den Anforderungen an architektonische und städtebauliche Qualität verknüpft werden. Die Gestaltung eines sozial attraktiven Lebensumfelds ist demnach auch mit der Nullemission sehr gut vereinbar.

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