Strategisch denken, schrittweise umsetzen
Building Information Modeling in Deutschland

Building Information Modeling (BIM) und die Digitalisierung der Baubranche sind in aller Munde. In Anlehnung an „Industrie 4.0“ wird BIM als Voraussetzung für die Effizienzsteigerung und internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Bauwirtschaft genannt. Auch die Bundesregierung betont die Bedeutung digitaler Geschäftsprozesse für alle Wirtschaftszweige, gibt BIM-Gutachten in Auftrag oder fördert Pilotprojekte. Mit der Gründung der „planen-bauen 4.0 GmbH“ Anfang dieses Jahres gibt es nun auch eine nationale Plattform, die die Einführung von BIM von Seiten der Bauwirtschaft forcieren soll. Nachdem Deutschland einige Jahre der internationalen Entwicklung hinterherhinkte, steht BIM nun auch hierzulande vor dem Durchbruch. Was aber bedeutet das für kleinere und mittelgroße Unternehmen, insbesondere für Architekten und Fachplaner?

Was ist BIM?

Building Information Modeling (BIM) ist eine neue Arbeitsmethode im Bauwesen mit einem ganzheitlichen Ansatz. Sie umfasst das zentrische Verwalten und Nutzen von allen relevanten Projektinformationen, die zu einem Bauprojekt gehören und stellt diese zumeist auf der Grundlage von Bauwerksmodellen da. Neben geometrischen, physikalischen, gestalterischen und funktionalen Eigenschaften können dies auch Hinweise auf Ressourcen, Prozesse oder Dokumentationen sein.

Die Bauwerksmodelle (Modelle) bilden eine Art Datenbank für den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken. Die enthaltenen Informationen sind zentrisch für das Projektteam vorhanden und immer aktuell, da Änderungen nur am gemeinsamen Modell vorgenommen werden und nicht nur an einer einzelnen Zeichnung. Sie stehen allen Beteiligten zur Verfügung und können vielfältig verwendet werden. So werden neben 2D-Plänen und Detailzeichnungen auch Daten für energetische Berechnungen, Visualisierungen, Lichtsimulationen, Bauelementlisten oder Kosten entnommen.

Diese Form des Informationsmanagements ermöglicht eine transparente Integra­tion aller beteiligten Fachdisziplinen und deren partnerschaftliche Zusammenarbeit. Sie verspricht den Ausschluss vieler Fehlerquellen und sorgt für mehr Transparenz. Das bedeutet folglich mehr Planungs-, Termin- und Kostensicherheit.

Soweit die Idee. Wenn wir heute BIM anwenden, agieren wir weitgehend pragmatischer. Neben den technischen oder recht­lichen Gegebenheiten sind die Erfahrung und das Wissen des Projektteams für die Nutzung der BIM-Methode ausschlaggebend. In den wenigsten Fällen wird BIM in der technisch möglichen Tiefe und Durchgängigkeit angewendet. Das ist insbesondere für kleine Büros wichtig, da zu großer Respekt vor BIM nicht angebracht ist. Ein pragmatischer Ansatz und positive Erfahrungen zählen.

BIM als strategische Methode

Die Einführung von BIM in Architektur- und Ingenieurbüros ist eine strategische Entscheidung und muss deshalb vom Management gewollt sein und als Top-Down-Prozess umgesetzt werden. Die Motive können unterschiedlich sein. Handlungsdruck von außen besteht für Unternehmen, die international tätig sind. In England, Skandinavien, in den USA, im Nahen und Fernen Osten wird BIM häufig vom Bauherrn oder einem vorgeschalteten Unternehmer gefordert.

Für kleinere und mittelgroße Planungsbüros, die ausschließlich in Deutschland agieren, gibt es heute noch keine äußere Notwendigkeit, BIM einzuführen. Das wird sich in absehbarer Zeit ändern, daher ist jetzt für sie der richtige Zeitpunkt zu starten. Denn das Erlernen und Erproben von neuen Arbeitsmethoden erfordert Zeit: Ist BIM im Projekt erst einmal gefordert, tun sich viele Büros schwer, ihre Vorteile oder Nachteile zu identifizieren, den Aufwand abzuschätzen und fundierte Angebote abzugeben. Dieses Verständnis ist jedoch grundlegend für die Auftragnehmer, um erfolgreich Projekte abwickeln zu können.

Unabhängig von der Unternehmensgröße empfiehlt sich für die Strategiefindung und für die Einführung von BIM folgendes Drei-Stufen-Modell:

– Bestandsaufnahme der unternehmensinternen Rahmenbedingungen
– Erstellung eines Konzeptes passend zu den individuellen Rahmenbedingungen
– Zyklische Umsetzung im Rahmen eines oder mehrerer Pilotprojekte

Einführung von BIM  

Vor der Einführung im Büro als auch zu Beginn eines BIM-Projektes müssen Ausgangssituation und Rahmenbedingungen analysiert und konkrete Ziele definiert werden. Als Unternehmen stellen sich folgende Fragen: Wer sind meine Kunden und Kooperationspartner? Welche Anforderungen setzen diese an Standards, Software etc.? Welche Projekttypen führe ich durch und arbeite ich national oder international? Welche Prozesse sollten primär unterstützt werden? BIM kann divers angewendet werden und sollte das jeweilige Geschäftsmodell fördern. Ist diese Grundlage gefunden, kann ein stufenweises Konzept zur Umsetzung erstellt werden.

Kleine Unternehmen agieren anders als große. Große Unternehmen haben den Vorteil, langfristig in interdisziplinären Projekten von einer optimierten Kommunikation zwischen einzelnen Bereichen profitieren zu können. Das ist eine große Herausforderung, denn viele Personen müssen erreicht, überzeugt und geschult werden. Die Einführung verläuft folglich sehr langsam. Kleine Unternehmen hingegen agieren schneller. Sie haben jedoch das Potential der internen, disziplinübergreifenden Integration nicht und werden sich daher mit externen Partnern vernetzen.

Je nach Grad der Durchgängigkeit über Fachdisziplinen hinweg werden zwei Arten von BIM unterschieden. Beschränkt sich die Anwendung von BIM auf eine einzige Fachdisziplin oder ein Gewerk spricht man von „Little BIM“. Bei einer interdisziplinären, d. h. über Fachbereiche hinweg durchgängigen angewandten Methode spricht man von „Big BIM“. „Little BIM“ beschränkt sich in einem Planungsbüro zumeist auf die technische Verknüpfung innerhalb der eigenen Fachdisziplin und hat nur bedingt Einfluss auf die Kommunikation innerhalb des gesamten Projektteams. Diese „kleinere“ Variante eines BIM-Projekts ist die Grundlage für BIM und sollte beherrscht werden, bevor sich ein Büro an einem „Big BIM“-Projekt beteiligt. „Little BIM“ bietet bereits handfeste Vorteile: Beispielsweise ist die Auswertung des Modells für das Raumbuch möglich oder auch für die multimediale Visualisierung der Planung, um die Kommunikation zum Auftraggeber zu optimieren. Bei „Big BIM“-Projekten lässt sich weiteres Potential von BIM ausschöpfen: Die Möglichkeiten reichen von Kollisionsprüfungen über Koordinationsbesprechungen am Bauwerksmodell bis hin zur Bereitstellung von Informationen für einen optimierten Betrieb.

Die Möglichkeiten und Mehrwerte werden bei Pilotprojekten erarbeitet und bestätigt. Ebenso geht es zu Beginn darum, erste Erfolge zu feiern. Die Mitarbeiter sollen die Werkzeuge und die spezifische BIM-Logik unter Praxisbedingungen kennenlernen. Entscheidend ist, dass im Rahmen der Pilotprojekte klare Mehrwerte und Ziele benannt werden. Die Erwartungen sollten moderat sein. Ein Beispiel: „In diesem Projekt werden mit Hilfe der BIM-Methode erstmals allzeit konsistente Türlisten generiert.“ Nur ein konkretes Vorgehen hat rasch sichtbaren Erfolg. Die Anforderungen an BIM sollten von Projekt zu Projekt kontinuierlich gesteigert werden. Erfahrungen sind in Form von Bürostandards zu dokumentieren. Diese Entwicklung sollte lang­fristig und nachhaltig ausgerichtet sein.

Kommunikation ist alles

BIM setzt eine grundsätzliche Offenheit für Innovation und Veränderung voraus, die mehr bedeutet als das Aneignen neuer IT-Kompetenzen. Im Büro müssen vielmehr gemeinschaftliche Werte verinnerlicht und unternehmensinterne Standards sowie Prozesse angepasst werden.

Wie bei allen Innovationsprozessen sind Reibungsverluste und Widerstände bei den Mitarbeitern zu erwarten. Deshalb ist es wichtig, möglichst jedem Einzelnen das Vorhaben zu vermitteln und Akzeptanz zu erzeugen. Vor der Einführung von BIM gilt es, Verantwortliche zu benennen und eine klare Aufgabenteilung vorzunehmen. Bei kleinen Büros kann das ein einzelner Mitarbeiter sein, der neben seiner Projektmitarbeit das Thema voranbringt. Bei großen Unternehmen sind ein oder mehrere Mitarbeiter in Vollzeit notwendig.

In jedem Falle sollte der erfolgte Fortschritt wie die Entwicklung der Pilotprojekte aktiv bürointern kommuniziert und diskutiert werden. In größeren Unternehmen ist die Einführung durch die interne Kommunikation unternehmensweit bekannt zu machen und weiterhin auf diese Art zu fördern.

Arbeiten mit Bauwerksmodellen

Im Fokus von BIM steht das Planen mit Bauwerksmodellen. Für jede Auswertung und jeden Mehrwert, der aus dem Modell generiert werden soll, müssen die entsprechenden Informationen zuvor eingegeben werden. Damit werden projektbedingt jeweils andere Daten und damit auch andere Modelle notwendig.

Gängige Praxis ist das Arbeiten mit sogenannten „Fachmodellen“. Diese werden jeweils von den Architekten und Fachplanern mit ihrer eigenen BIM-fähigen Software wie Allplan in der Architektur oder DDS in der Haustechnik erstellt und ausgetauscht. So überprüft der TGA-Planer zum Beispiel seine Leitungskanäle mit Hilfe des Architekturmodells.

Im Projektverlauf werden die Modelle in vereinbarten Intervallen und Reifegraden zu einem „Koordinierungsmodell“ auf einer offenen Plattform zusammengefügt. Dort können die relevanten Fachmodelle z. B. einer Kollisionsprüfung unterzogen werden. Alle Beteiligten werden über den weiteren Abstimmungsbedarf informiert und die Fehler überarbeitet. Auch dem Auftraggeber kann das Koordinationsmodell über das Internet zur Verfügung gestellt werden, so dass er gezielt in die Entscheidungsprozesse eingebunden ist.

Rolle der Software

Die Anwendung der BIM-Methode wird durch viele Faktoren beeinflusst. Eine wichtige Rolle spielt die Wahl der passenden Software. Grundsätzlich sollte zu Beginn des Entscheidungsprozesses überprüft werden, ob die bereits vorhandene Software die Anforderungen an BIM erfüllt. Oft sind die bestehenden Werkzeuge hierfür in der Lage, jedoch wird die gegebene Funktionalität nicht angewendet.

Auch die Softwarewahl ist eine strategische, unternehmerische Überlegung und sollte das vorhandene Geschäftsmodell bestmöglich unterstützen. Es handelt sich dabei nicht nur um die Entscheidung für ein bestimmtes Werkzeug. Vielmehr handelt es um die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit einem Hersteller, der die eigene, langfristige Entwicklung zur optimierten BIM-Anwendung fördert.

So kann im internationalen Kontext beispielsweise eine global agierende Firma als Partner von Vorteil sein, die ebenso ausgerichtet ist. Im nationalen Kontext sind dies eher europäische oder einheimische Hersteller, die lokale Standards besser abbilden.

In Ausschreibungsunterlagen der Bauherren wird BIM-Software oft durch das Vorhandensein von neutralen Schnittstellen spezifiziert. IFC (Industry Foundation Classes) ist eine solche Anforderung.

So sind Offenheit und eine Projektdurchführung auf Basis neutraler Schnittstellen (Open BIM) grundsätzlich von Vorteil. Offene Austauschstandards (IFC) ermöglichen die Zusammenarbeit weltweit unabhängig von einzelnen Softwareprodukten. Vor der Projekt­anwendung sollten Testläufe für die jeweilige Anwendung durchgeführt werden.

Damit wird schnell klar: Je nach Tätigkeitsschwerpunkt oder Vorgaben der Auftraggeber kommt das eine oder das andere Produkt in Frage. Oft werden es sogar mehrere Lösungen parallel, etwa zum Modellieren, zur Kostenkalkulation oder zur Datenqualitätsprüfung. Des Weiteren bedarf es einer geeigneten Plattform, die Informationen aus verschiedenen Systemen und in unterschiedlichen Formaten an einer Stelle zusammenführt, allen Betei­lig­ten zugängig macht und ihre Kommuni­kation erleichtert.

Fazit

An BIM führt auch für kleinere und mittelgroße Planungsbüros kein Weg mehr vorbei – sei es, weil BIM in Zukunft von öffentlichen Bauherren verpflichtend gefordert werden wird, oder aber weil BIM-Kompetenzen bald schon ein Vorteil im Wettbewerb um private Aufträge bedeuten. Ein privater Bauherr, der erste positive Erfahrungen mit BIM gemacht hat, wird zukünftig nicht mehr anders als mit BIM planen und bauen wollen.

Was den „richtigen“ Zeitpunkt anbelangt, so gibt es keinen besseren Zeitpunkt als „jetzt“ –  gerade für kleinere Unternehmen. Wichtig ist, dass die Verantwortlichen im Unternehmen überzeugt und sich im Klaren sind, dass BIM langfristig neue Prozesse und Bürostandards bedingt. Ermutigend ist, dass bei der Einführung von BIM kleinere Büros gegenüber größeren an bestimmter Stelle im Vorteil sind. Der erforderliche kulturelle Wandel hin zu einer stärker kooperativen Vorgehensweise kann hier schneller kommuniziert und umgesetzt werden.

Grundsätzlich gilt: Für das erste BIM-Projekt im Unternehmen sollten die Ziele nicht zu hoch gesteckt sein und die Erwartungen kontinuierlich von Projekt zu Projekt gesteigert werden. Standardlösungen gibt es auch bei BIM keine. BIM muss man sich erarbeiten. Zunächst geht es darum, sich das notwendige Know-how anzueignen und neue Prozesse und Standards zu erproben, zu erlernen und zu optimieren. Rentabel ist BIM sicherlich nicht kurzfristig. Aber Kostensicherheit und Transparenz können bereits durch eine einfache modellbasierte Abwicklung generiert werden. Realistische Anfangserwartungen und sorgfältig geplante erste, konkrete Schritte helfen bei langfristigem Erfolg und Wachstum.

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