Massivbau im Quadrat

TROPOS – Laborgebäude zur Wolkenforschung, Leipzig

Weil das Institut für das zur Verfügung stehende Budget eine maximale Anzahl immer gleich großer Labormodule haben wollte, haben wir in die alte Trickkiste des DDR-Plattenbaus gegriffen. Die Außenwände bestehen aus in einem Stück gefertigten Dreischichtplatten in der Breite und Höhe eines Labormoduls, die wie bei einem Kartenhaus aufgestellt sind. Der Sichtbeton ist etwas edler als bei den DDR-Vorbildern.“⇥DBZ Heftpaten Ansgar und Benedikt Schulz

Das neue Laborgebäude von TROPOS ist ein Gemeinschaftsprodukt: Von Anfang an wurde gemeinsam gerechnet, geplant und schließlich gebaut, um das Maximum aus den gegebenen Möglichkeiten und Geldern herauszuholen – von der Funktion bis zur Architektur.

Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung wurde 1992 zur Erforschung der Prozesse in der Troposphäre gegründet. Im Mittelpunkt stehen die Aerosol- und Wolkenbildung sowie deren Wechselwirkungen auf das Klima und die menschliche Gesundheit. Seit 2003 besitzt das Institut auch ein Wolkenlabor, einen Simulator zur Herstellung und Erforschung künstlicher Wolken. Es war das erste Projekt, das Schulz und Schulz für TROPOS realisiert hat. Seither haben die Planer alle Baumaßnahmen des Instituts begleitet.

Bauen nach dem Design-to-Cost-Prinzip

in Betonmassivbauweise

Der Ablauf war und ist immer gleich: Das Institut akquiriert Gelder für ein bestimmtes Projekt und lässt sich dann von den Planern berechnen, wieviel Baukörper man für die jeweilige Summe bekommt. Auf dieser Basis wird dann entwickelt, geplant und gebaut. Gemeinsam, kostengünstig und effektiv. Design-to-Cost heißt das, und „es geht immer darum, aus wenig viel zu machen“, beschreibt Architekt Benedikt Schulz das Prinzip, nach dem auch das jüngste Projekt von TROPOS entstanden ist: das neue Laborgebäude der Abteilung „Chemie der Atmosphäre“ des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung e. V. (TROPOS). Dieses bildet mit dem Wolkenlabor und einem später gebauten Rechenzentrum mit Verwaltungsbereich nun ein aufeinander abgestimmtes Ensemble.

Entstanden ist das neue Mitglied der TROPOS-Familie in Betonmassivbauweise mit Kerndämmung. „Schon deshalb, weil wir mit den mehrschichtigen, massiven Elementen einfach und günstig bauen konnten“, erklärt Schulz. „Vor allem aber, weil wir damit die Vorzüge der schweren Bauweise nutzen konnten und eine unverhüllte Konstruktion mit hoher Rohdichte erzielen, die Wärme und Kälte gut speichert und so für ein träges Klima in den Innenräumen sorgt.“ Das erweise sich bei mechanisch belüfteten Räumen als großer Vorteil, erklärt der Architekt. „Labore profitieren zudem von einem geringen Anteil an Fensterflächen. Der Tageslichtanteil und der Solarenergieeintrag müssen dabei genau gegeneinander abgewogen werden. Auch das lässt sich am einfachsten mit einer massiven Wand lösen, in die ich ein Fensterloch einschneide.“

Nicht zuletzt spielte das Tragkonzept eine Rolle bei der Wahl der Bauweise: Beide Längsfronten von TROPOS sowie die parallel verlaufenden Flurwände sind tragend. Es brauchte daher massive Außenwände als linienförmige Auflager für die Decke. Zwischen den Laboren machen Trennwände in Leichtbauweise interne Umbauten einfacher.

„Wir haben das Gebäude sozusagen wie ein Kartenhaus gebaut, dessen einzelne Karten komplett auf die Baustelle geliefert wurden“, formuliert Schulz. Dabei definierten die Planer die einzelnen Wandelemente über ihren tragenden Teil hinaus als „massiv“ und schlossen so auch die – nicht tragende – Vorsatzschale und die Kerndämmung ein. Der Architekt führt dazu aus: „Letztlich war das auch die Philosophie der DDR-Plattenbauten. Sie bestanden aus mehrschichtigen, massiven Bauteilen. Die waren einfach und günstig, genauso wie es auch die Bauteile von TROPOS sind.“

Massivbauelemente erzeugen hohe Wirtschaftlichkeit

Die neue, hocheffiziente Forschungsmaschine setzt sich aus modular gereihten und gestapelten Laboreinheiten sowie einem Freiluftlabor auf dem Dach zusammen. Herzstück des dreihüftigen Riegels ist die zentrale Aerosolkammerhalle, die sich über beide Geschosse des Gebäudes erstreckt. Entlang der beiden Längsfronten des Neubaus reihen sich hauptsächlich natürlich belichtete Standardlabore aneinander. Die Mittelzone nehmen Sonderräume ein. Dazu gehört nicht nur die Aerosolkammerhalle mit den daran angeschlossenen Funktionsräumen, dazu zählen auch Erschließungszonen und Nebenräume wie WCs sowie fens-terlose Reinraumlabore und ein Besprechungsraum.

Ein 3,60 x 7,20 x 3,60 m großes Labormodul dient als konzeptionelle Basis des Neubaus. Entsprechend der jeweiligen Raumanforderungen wurde es zu unterschiedlich großen Laboren addiert. Eine Erweiterung der Anlage haben die Bauherren von Vornherein einkalkuliert: Der Baukörper kann sowohl um ein Geschoss erhöht, als auch um zusätzliche Module verlängert werden.

Sämtliche Fassadenelemente und die tragenden Innenwandelemente wurden als Fertigteile produziert, die Filigrandecken als Halbfertigteile, die vor Ort mit Aufbeton komplettiert wurden. Aus diesem ungewöhnlich hohen Vorfertigungsgrad der Massivbauelemente resultiert eine äußerst wirtschaftliche Realisierung der baulichen Hülle (KG 300), die lediglich 37 % der Bauwerkskosten (GK 300 und KG 400) beansprucht.

„Maßgeblich für die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes ist dank des Wiederholungsfaktors auch das Prinzip des 3,60 x 3,60 m messenden Quadrats bzw. des daraus resultierenden Moduls“, informiert der Architekt. Zum Beispiel dadurch, dass die Planer gefordert waren, die Laborhöhen auf 3,60 m zu begrenzen. Normalerweise seien Labore auf 4 m Geschosshöhe ausgelegt, erläutert Schulz weiter. Die fehlenden 40 cm erzwangen eine extrem strukturierte – und durchdachte – Anordnung der Installationen. Zudem verzichteten die Planer in Absprache mit TROPOS auf eine abgehängte Decke.

Fassadenkunst: gesäuert und gestrahlt

Die einzelnen Wand- und Fassadenelemente ließ TROPOS nach dem Prinzip der DDR-Plattenbauten als massive Fertigteile in Sandwichbauweise aus drei Schichten – Tragschicht, Kerndämmung und Fassadenbekleidung – im Werk produzieren. Vor Ort reihte der Montagetrupp sie nur noch aneinander. Das Gewicht der Elemente bestimmte die Bauweise, wobei ihre Steifigkeit den Transport begünstigte.

Im Unterschied zu den – glatten – DDR-Plattenbauten planten Schulz und Schulz die TROPOS Fassaden mit reliefartigen Vor- und Rücksprüngen sowie veredelten Oberflächen. So wurde die glattgeschalte Oberfläche der Betonelemente durch um 2 cm nach außen profilierte, sandgestrahlte Faschen und
schmale weiße Blecheinfassungen der Fensterlaibungen akzentuiert. Ein Teil der Fassadenfläche wurde gesäuert, um samtartig zu wirken. Ein anderer Teil wurde gestrahlt, um Zusatzstoffe freizulegen und Glitzereffekte zu kreieren.

Fensterzargen und Fenster bestehen aus weiß pulverbeschichtetem Aluminium. Auch die Giebelfassaden sowie die Attika sind mit weißem, pulverbeschichtetem Aluminiumblech bekleidet, das sich wie eine umgreifende Klammer über Stirnseiten und Dach legt.

„Um das Maximale aus den zur Verfügung stehenden Mitteln herauszuholen, war unbedingte Teamarbeit erforderlich“, informiert Schulz. „Sowohl während der Planung und auch während der Bauausführung arbeiteten Architekten und Planern eng zusammen und dies nicht nur bei den regelmäßigen Planungs- und Bauberatungen. Es fand darüber hinaus eine intensive Diskussion über eine Vielzahl von Details und auch Problemen statt“, heißt es auch von Seiten des Bauherrn, der durch Prof. Dr. Hartmut Herrmann, dem Leiter der Abteilung „Chemie der Atmosphäre“, während der Planungs- und Bauphase vertreten wurde.  Der Bauherr habe deutlich artikuliert, was er haben wolle, und sei gleichzeitig offen gewesen für die angebotenen Lösungen, formuliert der Architekt.

Der Tragwerksplaner übernahm die Aufgabe, die Fertigteile zu optimieren. Der Lüftungsplaner sorgte für Ordnung auf dem Dach. Und alle zeigten unisono den Willen, das Gebäude immer wieder Optimierungsprozessen zu unterziehen und so aus wenig viel zu machen.⇥Christine Ryll, München

Baudaten

Objekt: TROPOS Laborgebäude, Leipzig

Standort: Wissenschaftspark Permoserstraße 15, Leipzig

Typologie: Laborbauten

Bauherr und Nutzer: Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e.V., Leipzig

Architekt: Schulz und Schulz, Leipzig,

www.schulz-und-schulz.com

Mitarbeiter (Team): Prof. Ansgar Schulz, Prof. Benedikt Schulz, Matthias Hönig, Peter Gaffron

Bauleitung: Schulz und Schulz, Leipzig

Bauzeit: August 2015 – Mai 2017

Fachplaner

Tragwerksplaner, Akustikplaner, Bauphysik und Brandschutzplaner: Staupendahl & Partner Baugesellschaft mbH, Leipzig, www.staupendahl.org

TGA-Planer: Eichhorn Glathe Schröder GmbH & Co. KG, Leipzig, www.ib-egs.de und

B-PLAN GmbH & Co. KG, Leipzig

Labortechnik: IFG Ingenieurbüro für Gesundheitswesen GmbH, Leipzig, www.ifg-ingenieure.com

Projektdaten

Grundstücksgröße: 4 100 m²

Nutzfläche: 1 650 m²

Technikfläche: 200 m²

Technikflächen auf Dach ca. 750 m²

Verkehrsfläche: 668 m²

Brutto-Grundfläche: 3 100 m²

Brutto-Rauminhalt: 12 400 m³

 

Baukosten (nach DIN 276)

KG 200 (brutto): 150 000 €

KG 300 (brutto): 3 000 000 €

KG 400 (brutto): 5 120 000 €

KG 500 (brutto): 90 000 €

KG 600 (brutto): 100 000 €

Gesamt brutto: 9 810 000 €

Hauptnutzfläche €/m²: 4 920 €/m²

Brutto-Rauminhalt €/m³: 655 €/m³

Energiebedarf

Primärenergiebedarf: 437,7 kWh/m²a nach EnEV 2009

Endenergiebedarf: 263,1 kWh/m²a nach EnEV 2009

Jahresheizwärmebedarf: 189 kWh/m²a nach EnEV 2009

Energiekonzept

Dach: Stahlbeton 25 cm, 2-lag. Bitumendachabdichtung, XPS-Dämmung 24 cm (Umkehrdach), Kies/Plattenbelag

Außenwand: auf Längsseiten: Sandwichelement bestehend aus Stahlbeton 25 cm, EPS-Kerndämmung 18 cm, Sichtbetonaußenschale StB 12 cm;
auf Giebelseiten: Stahlbeton 25 cm, hinterlüftete Vorhangfassade mit 18 cm Miwo und Stahlblechkassettenbekleidung

Fenster: thermisch getrennte Aluminiumfenster in Blockbauweise, außenliegender Sonnenschutz als Aluminium-Raffstore

Boden: schwimmender Zementestrich auf TSD, Bodenbelag aus Kautschuk

Gebäudehülle

U-Wert Außenwand = 0,18 W/(m²K)

U-Wert Fassadenpaneel = 0,18 W/(m²K)

U-Wert Bodenplatte = 0,20 W/(m²K)

U-Wert Dach = 0,14 W/(m²K)

Uw-Wert Fenster = 1,10 W/(m²K)

Ug-Wert Verglasung = 0,80 W/(m²K)

Ug-total (mit Sonnenschutz) = 0,80 W/(m²K)

Haustechnik

Mechan. Lüftungsanlage (Laborgebäude) für komplettes Gebäude, Teilklimatisierung (Laborräume und Laborbüros), große Anzahl an Laborabzügen, tlw. Strahlenschutz, tlw. Schutz gegen Radioaktivität, Beleuchtung komplett in LED-Technik, Einbruchmeldeanlage, Brandmeldeanlage

Hersteller

Fenster: WICONA, www.wicona.com

Fassade: BWM Fassadensysteme GmbH,

www.bwm.de

VHF-Fassade: Laukien GmbH, www.laukien.de

Sandwichelemente Wand, Decke: HeidelbergCement, www.heidelbergcement.de

Dämmung: JACKSON Insulation GmbH,

www.jackson-insulation.com; climowool,

www.climowool.com

Sonnenschutz: WAREMA Renkhoff SE,

www.warema.de

Brandschutzdecke: Fural Systeme in Metall GmbH, www.fural.com

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